Beinahe hätte es niemand mitbekommen: Am Abend des 22. Juli 2017 stürmten Aktivisten eine Restaurantterrasse am Hafen von Palma. Sie warfen Konfetti und zündeten Begalos. Zudem hielten sie ein Schild hoch: "Tourism kills Mallorca" - "Der Tourismus tötet Mallorca". Es waren nur wenige Gäste im Restaurant, die Aktion war nach wenigen Minuten vorbei.

Zunächst nahm auch niemand Notiz von dem Anti-Tourismusprotest. Erst, als Mitglieder der linken katalanischen Separatisten-Organisation Arran ein Video der Aktion in den sozialen Medien teilte und sich zur Durchführung bekannte, nahm die Öffentlichkeit diese zur Kenntnis. Und der Protest sorgte für Empörung. Die konservative Opposition bezichtigte die Aktivisten, "Tourismusphobie" zu verbreiten. In den Rekordsommern vor der Pandemie war das ein beliebtes Buzzword unter rechten Politikern und Kommentatoren. In der vergangenen Zeit ist es ein wenig in Vergessenheit geraten.

Zwölf junge Leute vor Gericht

Seit Montag (13.6.) stehen zwölf junge Leute vor Gericht. Ihnen drohen Haftstrafen von bis zu vier Jahren. Anders ausgedrückt: Insgesamt könnten auf die zwölf Beschuldigten 29 Jahre Haft verteilt werden. Doch in den ersten Tagen fiel die von der Staatsanwaltschaft vorgetragene Anklage in sich zusammen.

Am ersten Prozesstag am Montag erklärten neun der zwölf Beschuldigten, dass sie zu dem fraglichen Zeitpunkt gar nicht am Ort des Geschehens gewesen waren. Eine Angeklagte, für die die Staatsanwaltschaft vier Jahre Gefängnis fordert, gab an, in Tarragona auf dem Festland gewesen zu sein. Die Angeklagten versuchten ihren tatsächlichen Standort mit Kassenzetteln und Tankquittungen zu belegen.

Tourismus-Gegner von Arran protestieren 2017 am Hafen von Palma de Mallorca

Tourismus-Gegner von Arran protestieren 2017 am Hafen von Palma de Mallorca DM

Von den drei der Angeklagten, die zugaben, vor Ort gewesen zu sein, erklärte einer, er sei als Berichterstatter anwesend gewesen. Die beiden anderen erklärten, sich nur geringfügig an der Aktion beteiligt zu haben. "Ich habe nur das Plakat gehalten und ein wenig gesungen", erklärte eine Frau auf Fragen der Staatsanwaltschaft. "Ich weiß nicht, ob jemand Konfetti geworfen hat. Akte der Gewalt habe ich keine gesehen. Auch habe ich nicht gesehen, dass etwas kaputt gegangen wäre."

Polizei stufte Vorfall nicht als gefährlich ein

Am zweiten Prozesstag wurde die Lage für die Ankläger noch schlechter. Ein Beamter der ermittelnden Nationalpolizei sagte aus, man habe den Vorfall nicht als gefährlich eingestuft. Dass der Fall vor Gericht kam, lag daran, dass der Besitzer des Lokal sich als Geschädigter ausgab. Die Identifizierung der Täter habe man durchgeführt, indem man den Zeugen Fotoalben mit Bildern von Mitgliedern der Gruppe Arran gezeigt haben. Ein Beamter der Hafenpolizei erklärte zudem: "Der Boden war schmutzig, aber kaputt war nichts."

Der Betreiber des Lokals erklärte bei seiner Aussage, es habe Schäden im Lokal gegeben, ging aber nicht ins Detail, welche Gegenstände oder Einrichtungen betroffen waren. Vor allem habe der Ruf seines Lokals gelitten, sagte er. "Wir beschäftigen unsere Mitarbeiter auch über die Hauptsaison hinaus. Wir bieten hohe Qualität." Dieser gute Ruf sei durch die Aktion beschädigt worden.

Auch zwei Bootsbesitzer, die von der Staatsanwaltschaft vor Gericht zitiert wurden, erklärten, die Bengalos hätten keine Schiffe beschädigen können. Einer der Zeugen erinnerte sich nicht einmal, dass welche gezündet worden waren.

Die Verteidigung forderte Freispruch für alle Beteiligten. Angesichts der Beweislage sei es unverständlich, wie es überhaupt zum Prozess kommen konnte, sagte der Anwalt Josep de Luís. Zudem sei nicht nachvollziehbar, dass die Polizei erst zwanzig Tage nach der Aktion mit den Ermittlungen begann. "Die Wache der Guardia Civil ist keine zwanzig Meter vom betroffenen Restaurant entfernt. Warum gab es nicht direkt Verhaftungen, wenn die Aktion in Gewalt ausgeartet sein soll?", frage de Luís.

Harte Linie, weil es sich um Separatisten handelt

Bereits vor Prozessbeginn hatten Beobachter die Vermutung zum Ausdruck gebracht, die Härte, mit der die Staatsanwaltschaft vorgehe, ergebe sich vor allem aus dem Umstand, dass es sich bei den Beschuldigten um Separatisten handelt. Der Zeitpunkt der Aktion fiel zudem in eine politisch aufgeladene Zeit. Katalonien schritt in großen Schritten auf das illegale Referendum zu, das nur wenige Wochen später in einem Ausbruch von Polizeigewalt am 1. Oktober den ersten der vielen traurigen Höhepunkte erlebte.

Dass der Prozess gegen die jungen Leute ausgerechnet parallel zum Korruptionsverfahren gegen den Megapark-Besitzer Cursach startete, verdeutlicht ungewollt die knallharte Position der Staatsanwaltschaft. Im "Caso Cursach" werden für weitaus schwerwiegendere Vergehen teilweise deutlich mildere Strafen gefordert. Der Prozess wird fortgesetzt.