An der Playa de Palma auf Mallorca sitzt an diesem Vormittag der Rettungsschwimmer Nacho auf seinem Ausguck am Strandabschnitt nahe des "Bierkönig" am Ballermann 6. Am Fuß des Wachturms stehen zwei weiße Kreuze im Sand, ein drittes liegt daneben. Am Turm selbst hängt ein großes Leintuch mit der Aufschrift "Verlängerung des Dienstes. Zu viele Tote außerhalb der Arbeitszeit".

Die Urlauber liegen dicht an dicht am Strand, eine Gruppe junger Männer hat es sich nur wenige Zentimeter neben einem der Kreuze gemütlich gemacht. Ob sie wissen, was mit der Aktion gemeint ist? "Steht ja da auf dem Tuch", ruft einer der Männer. Ob es ihnen nicht merkwürdig vorkommt, direkt neben einem an die 80 Zentimeter hohen Holzkreuz zu liegen? "Naja, ein bisschen komisch ist es schon, aber hier war eben noch Platz", sagt ein anderer. Ansonsten wirkt die Gruppe einigermaßen desinteressiert.

Trotz Streiks arbeiten alle Rettungsschwimmer

Nacho auf dem Ausguck wundert sich nicht darüber. "Das ist normal an diesem Strandabschnitt. Mich hat heute noch niemand nach den Kreuzen oder dem Banner gefragt. Die Leute hier wollen nicht mit uns reden." Dabei gäbe es Redebedarf: Die Rettungsschwimmer, die für die Firma Emergències 7000 S.L. arbeiten, die die Konzession von der Stadt Palma für die Stadtstrände bekommen hat, beklagen prekäre Arbeitsbedingungen. Sie haben am Freitag (24.6.) zum Streik aufgerufen. Der allerdings existiert nur auf dem Papier, wie Christian Melogno von der Gewerkschaft Unió Socorristes Mallorca der MZ erklärt.

"Wir sind von der zuständigen Generaldirektion dazu verpflichtet worden, die Grundversorgung sicherzustellen, die 2005 gesetzlich festgelegt wurden. Und das heißt: Alle, die heute eingeteilt sind, müssen arbeiten, denn wir arbeiten ohnehin immer in Minimalbesetzung", beklagt Melogno, der auf dem Ausguck in Can Pere Antoni nahe des Beach Clubs Assaona sitzt und auf das an diesem Tag stürmische Meer blickt.

Immer wieder nimmt er das Fernglas in die Hand und behält Schwimmerinnen und Schwimmer im Blick, die sich trotz gelber Flagge in die Fluten wagen. Per Walkie-Talkie gibt er Anweisungen an die Kollegen am Strand weiter. Unter seinem Turm stehen ebenfalls zwei weiße Kreuze, dahinter haben die Demonstrierenden zwei Leichensäcke in den Sand gelegt. Die Szenerie bedrückt. "Wir haben schon solche Szenen vorgefunden", sagt Melogno.

Urlauber an der Playa de Palma vor dem Ausguck der Rettungsschwimmer. Johannes Krayer

Von ihrem Gehalt können die Socorristas nicht leben

Der Job sei nicht einfach, sie hätten viel Verantwortung, sagt Melogno. Schließlich seien sie die Ersthelfer, wenn es zu Unfällen im Meer komme. Wenn sie nicht richtig eingriffen, sei jede weitere Hilfe sinnlos. Behandelt würden sie aber von ihrem Arbeitgeber, im Endeffekt die Stadt Palma, auf unwürdige Art und Weise. Und das sei nicht einmal nur die Bezahlung. Diese sei mit rund 1.000 Euro brutto im Monat bei 40 Stunden Wochenarbeitszeit aber ein Teil des Problems. "Wie soll man damit auf Mallorca leben, wo es kaum ein WG-Zimmer für unter 450 Euro gibt?", fragt Melogno. Er selbst hat sich nach eigenen Angaben ein Camping-Mobil auf Raten gekauft, in dem er übernachtet.

Andere Kollegen hätten monatelang im Flughafen geschlafen, wieder andere kommen für günstiges Geld auf dem Sofa von Freunden oder Bekannten unter. Auch Joan Pantaleone bestätigt das. Er lebt in einer WG mit insgesamt sieben Bewohnerinnen und Bewohnern. Für die nächsten zehn Tage, so behauptet er, stehen ihm gerade noch fünf Euro zur Verfügung, die er im Geldbeutel habe. "Mein Konto ist leer, und unser Gehalt kommt erst immer am 5. oder 6. des Monats."

"Brauchen 50 Prozent mehr Leute"

Viele arbeiteten freiwillig sechs oder sieben Tage die Woche, um über die Runden zu kommen. Immerhin haben die Rettungsschwimmer inzwischen durchgesetzt, dass ihnen Überstunden und Dienste an Feiertagen oder am Sonntag extra bezahlt werden. Das sei bis dieses Jahr auch nicht der Fall gewesen, sagt Melogno.

Aber wenn es nur das Geld wäre: Ein weiteres gravierendes Problem sei die Unterbesetzung. "Wir sind in der Hochsaison 34 Rettungsschwimmer an allen Stränden von Palma, 17 an der gesamten Playa de Palma, fünf in Cala Mayor und in Can Pere Antoni, vier in Ciutat Jardí und drei in der Cala Estància. Um gut aufgestellt zu sein, bräuchten wir 50 Prozent mehr Leute", fordert Melogno. Strände wie Molinar oder Portitxol haben keinerlei Überwachung. Er dürfe nur allein auf dem Turm sitzen, während Kollegen am Strand im Einsatz sind. Erblicke er einen Notfall, müsse er vom Ausguck hinuntersteigen und helfen. In dem Moment sei dann aber niemand auf dem Wachturm, der weiter Ausschau nach Personen in Gefahr halten könne.

Die Leichensäcke und Kreuze am Strand von Can Pere Antoni. Johannes Krayer

Zeiten mit Strandüberwachung sollen ausgebaut werden

Auch die Zeiten, die die Rettungsschwimmer abdecken, seien ungenügend. Zwischen 10 und 19 Uhr ist in der Sommersaison der Strand bewacht. "Aber im Juli und August ist es doch viel früher am Strand schon voll", sagt Melogno. Und eine Kollegin stimmt ein: "Wir bräuchten zwei Schichten: Eine von 8 bis 14 Uhr und eine von 14 bis 20 Uhr, um wirklich für Sicherheit am Strand zu sorgen." In der vergangenen Saison, so Melogno, habe es drei Tote an eigentlich bewachten Stränden gegeben. Die Badenden verunglückten allerdings außerhalb der Dienstzeiten der Rettungsschwimmer.

Und auch in diesem Jahr sei bereits ein Mann an der Playa de Palma ums Leben gekommen, als er um 19.30 Uhr ertrank. Auch müssten die Rettungsschwimmer statt von Mai bis Oktober mindestens von Ostern bis Oktober am Strand vor Ort sein, fordert Melogno.

Der Forderungskatalog geht noch weiter: Auch die Ausrüstung der socorristas lässt laut Melogno und seinen Kollegen zu wünschen übrig. "Die Wachtürme müssten längst abgebaut und erneuert werden", sagt der Gewerkschafter Melogno. Das Holz ist morsch, am Ausguck von Melogno fehlt sogar eine halbe Querverstrebung. Insgesamt macht der Turm einen lidschäftigen Eindruck. Auch die Leiter zum Herabsteigen ist in die Jahre gekommen.

Betrunkene Urlauber an der Playa de Palma fordern die Rettungsschwimmer

Genauso sei es mit den Hilfsmitteln für behinderte Menschen: Diese seien teilweise defekt, so dass sie mit den auf Hilfe angewiesenen Personen teilweise im Meer umkippten - mit all der Verletzungsgefahr, die das für beide Parteien birgt. Auch die Walkie-Talkies seien so alt, dass einige kaum noch funktionierten.

Melognos Kollegen, von denen einige im Sand stehen und diskutieren, sind ebenfalls aufgebracht. Einer sagt: "1.000 Euro Gehalt im Monat. Das ist es, was der Politik auf der Insel ein Menschenleben wert ist." Die Urlauber sollten das alle ruhig wissen. Geld werde gutes mit ihnen gemacht, für die Sicherheit aber nur unzureichend gesorgt. Und Mallorca sei kein leichtes Pflaster. Vor allem an der Playa de Palma rund um den Ballermann ziehe man jeden Tag betrunkene Touristen aus dem Meer, die es alleine nicht mehr schaffen würden. Dazu kämen viele ältere Menschen, die ebenfalls im Meer in Not gerieten.

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Von der Politik erwarten die Rettungsschwimmer so schnell kein Entgegenkommen. Man habe auch die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol eingeladen, einmal einen Tag mit ihnen zu verbringen. Gehört hätten sie natürlich nichts. Und auch vom Rathaus von Palma ließ sich in Can Pere Antoni zumindest bis Freitagmittag niemand blicken. Deshalb werde es nun regelmäßig Demonstrationen geben, sagt Melogno. Jeden zweiten und vierten Sonntag im Monat, ab Juli. Bis dahin müssen die Rettungsschwimmer ihre Holzkreuze und Leichensäcke wieder abbauen. Aber sie werden sie wieder im Sand drapieren, so viel scheint jetzt schon sicher.