Kaum ist der Oberkommissar aus dem am Megapark geparkten Polizeiauto ausgestiegen, wird er schon von Urlaubern angesprochen. „Du kommst aus Berlin? Ich auch. Beziehungsweise aus Cottbus“, sagt ein kräftiger Mann im weißen Tanktop. Wie alle anderen Deutschen an der Playa de Palma duzt er den Beamten. „In der Heimat wäre das nicht vorstellbar. Ich bin überzeugt, dass die gleiche Person, die mich hier duzt, mit mir in Deutschland ganz anders umgehen würde“, sagt Polizist Roman, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte. An der deutschen Urlaubermeile ist es offensichtlich nicht weit her mit dem Respekt. Die Beamten: fast so etwas wie Straßenkünstler, mit denen alle ein Foto möchten.

Die deutschen Polizisten kommen im Rahmen des alljährlichen Austauschprogramms auf die Insel. „In diesem Jahr haben wir je drei im Juli, August und September: zwei Deutsche und einen Holländer“, erklärt Javier Santos, Leiter der Wache der Nationalpolizei an der Playa de Palma. Die August-Schicht hat ihre Arbeit getan, die ausländischen Beamten wurden am Freitag (26.8.) verabschiedet. Die MZ durfte sie bei der letzten Streife begleiten.

Die ausländischen Polizisten arbeiten stets mit den mallorquinischen Kollegen in einer Einsatzgruppe (Grupo operativo de respuesta, GOR) zusammen. „Es geht vor allem um Prävention“, erklärt Santos die Mission. „Viele Urlauber haben Fragen. Da ist uns jede Hilfe recht, auch um die Sprachbarriere zu überwinden. Für die deutschen Urlauber ist es nun mal leichter, wenn sie in ihrer Sprache mit der Polizei sprechen können.“

„Bist du wirklich Polizist?“

Ein Anderes Bild der Polizisten

Ganz eigene Erfahrungen macht auch der niederländische Kollege. „In Holland gucken mich die Passanten immer böse an. Hier freuen sich die Holländer, einen Polizisten aus der Heimat zu sehen“, berichtet Marcellinus Masselink aus Utrecht bei der Fahrt vom Kommissariat zum Megapark. Dem Eindruck stimmt Oberkommissar Sebastian – der Nachname soll ebenfalls nicht genannt werden – aus Essen zu. „Das in Deutschland typische ACAB, also all cops are bastards, habe ich hier nie gehört.“ Das liege vor allem am Urlaubsfeeling. „Die Leute sind einfach gut drauf. In Berlin werden die Partygänger schnell handgreiflich. Hier lassen sich viele Probleme mit Worten lösen“, sagt Roman.

Ähnlich sieht es der deutsche Urlauber im Tanktop. „Wenn in einer Diskothek in Deutschland ein Mädel so angeschaut wird, wie hier im Megapark, dann gibt es sofort Prügel.“ Zudem sei der Umgang mit der Polizei völlig anders. „Der Kollege hier wirkt einfach sympathisch."

Auch für die internationalen Polizisten gibt es Früh, Spät- oder Nachtschicht. Dabei wird die Streife zwischen drei verschiedenen Zonen aufgeteilt: den Bereich zwischen Balneario 1 bis 3, das Gebiet rund um den Megapark und die Schinkenstraße. Für die Runde mit der MZ geht es einfach ein Stück an der Strandpromenade entlang. Weit kommt der Trupp nicht: Immer wieder werden Urlauber auf die deutschen Uniformen aufmerksam. „Die sehen ja gut aus. Kann ich Handschellen für das Foto haben?“, fragt eine junge Frau. Ein paar Meter will ein Urlauber wissen: „Bist du wirklich Polizist?“ „Er ist nur verkleidet“, scherzt der holländische Kollege. Oft fragen die Touristen auch, warum denn ein deutscher Polizist auf Mallorca patrouilliere. Sebastian erklärt geduldig, dass es ein Austauschprogramm ist, das es so auch in Alicante, Barcelona, Madrid oder auf Ibiza gibt.

Die Polizisten sind ein beliebtes Fotomotiv. Nele Bendgens

Foto für das gute Image

Würden die Polizisten für die Fotos Geld nehmen, wären sie reich. „Ich könnte das hauptberuflich machen“, scherzt Sebastian. Dann kommen drei Männer, die zusammen in einem großen T-Shirt mit drei Ausschnitten stecken, und fragen nach einem Foto. Prompt schlüpft der mittlere heraus und bietet seinen Platz Oberkommissar Sebastian an. Das ist zu viel des Guten. „Ich mache ein Foto mit euch, aber ich komme nicht ins Kostüm. Ich kann mich nicht zum Clown machen“, stellt der Beamte klar – und fügt hinzu: „Auf der anderen Seite ist es aber gut, wenn die Urlauber ein positives Bild von der Polizei mit nach Hause nehmen.“

Die beiden deutschen Polizisten sind alles andere als Mallorca-Neulinge. „Ich war bestimmt schon 20 Mal im Urlaub hier und habe meine Frau aus Ecuador auf der Insel kennengelernt“, erzählt Sebastian, der im vergangenen Jahr in Artà auf Streife ging. Sein Kollege Roman war damals schon an der Playa unterwegs. „Wobei das mit Corona alles viel ruhiger war.“ Auch er hat eine lateinamerikanische Partnerin und spricht fließend Spanisch.

Gestohlene Ausweise

In den meisten Fällen fungieren die Beamten als wandelnde Touristeninformationen. „Oft haben wir es mit gestohlenen oder verlorenen Ausweisen zu tun“, sagt Sebastian. Wenige Augenblicke später steht ein Urlauber vor ihm und berichtet mit Bierdose in der Hand, dass er seinen Geldbeutel samt Ausweisen vermisse. Auf die Frage des Polizisten, ob er ihn verloren habe oder bestohlen worden sei, weiß er keine rechte Antwort. Auch den Ort des Verlustes kann er nicht näher beschreiben. „Frag mal bei der Airline nach, ob denen die Verlustmeldung von der Polizei reicht. Ansonsten musst du zum Konsulat nach Palma“, erklärt ihm Sebastian. In den folgenden Minuten kommen mehrfach Passanten und reichen den Polizisten gefundene Ausweise und Kreditkarten.

Alles ganz entspannt?

„Ich hatte mit mehr Schlägereien gerechnet“, meint Sebastian über seinen einmonatigen Dienst. In der Nachtschicht habe es zwar im Schnitt jedes Mal zwei Festnahmen gegeben. „Das waren aber meist Zivilfahnder, die Diebe auf frischer Tat erwischt haben. Nachts lassen die Urlauber gerne die Sachen am Strand unbeaufsichtigt, um baden zu gehen.“

Obwohl Hoteliers und Wirte über eine schreckliche Saison mit Alkoholleichen und Exzess-Urlaubern klagen, sehen die Polizisten die Lage weitgehend entspannt. „Im Vergleich zu den Vorjahren ist es wesentlich ruhiger“, sagt der spanische Kollege Julian Ucles. „In der Regel informieren uns Urlauber oder Hotelmitarbeiter über Betrunkene. Die Anzahl an Anrufen hat stark abgenommen.“ Der Grund dafür sei das strikte Anti-Sauftourismus-Gesetz. „Wir merken deutlich, dass Angebote wie Flatrate-Trinken oder All-inclusive-Hotels verboten sind.“ Die Partylaune nach der Pandemie sei zwar spürbar. Mit weniger Alkohol benähmen sich die Leute aber besser. „Wenn wir einen Betrunkenen sehen, holen wir ihn aus den stark frequentierten Straßen heraus, um Zwischenfälle zu vermeiden“, so der spanische Beamte.

Die Arbeit auf Mallorca läuft anders als in Deutschland. Nele Bendgens

Das war der schlimmste Fall

Am meisten bleibt den deutschen Polizisten der Fall einer Urlauberin mit gebrochenem Kiefer in Erinnerung (MZ berichtete). „Wir haben den Täter festgenommen“, sagt Sebastian. „Es steht Aussage gegen Aussage. Das attackierte Pärchen meint, sie wurden grundlos angegriffen. Der Angreifer sagt, es hätte vorher Streit gegeben.“ Ein großes Thema an der Playa seien derzeit auch K.O.-Tropfen und die mysteriösen pinchazos, bei denen junge Frauen angeblich ein Betäubungsmittel gespritzt bekommen. „Das Seltsame ist, dass den Opfern im Anschluss nie etwas zugestoßen ist“, sagt Sebastian.

Zurück bei den Dienstwagen erscheint erneut der Urlauber aus Cottbus. Er ist nicht mehr so entspannt wie vorher. „Kannst du mal eben auf meinem Kumpel im grünen T-Shirt aufpassen?“, fragt er den Polizisten. „Er hat drinnen gegen einen Tisch gepinkelt, und ich muss schauen, wie ich die Situation lösen kann.“

„Festhalten darf ich ihn aber nicht“, so Polizist Roman über eine seiner letzten Amtshandlungen an der Playa. Es ist seine letzte Mallorca-Mission – nach zwei Auslandseinsätzen erlaubt die deutsche Polizei keinen weiteren, wie der Beamte erklärt. Dabei würde er den Mallorca-Austausch auf jeden Fall wieder machen.