Knappe zwölf Wochen Sommerferien sind vorbei, am Montag (12.9.) geht auf Mallorca wieder die Schule los. Nach der Pandemie wird es das erste Schuljahr sein, das gänzlich ohne Einschränkungen startet. Und da Covid-19 in Spanien inzwischen wie eine normale Grippe behandelt wird, hat auch kaum jemand Bedenken, dass sich daran im Laufe der kommenden zehn Monate etwas ändern könnte. Eine Wiedereinführung der Maskenpflicht beispielsweise, wie in Deutschland immer wieder debattiert wird, steht hierzulande derzeit zumindest nicht im Raum.

Das spanische Gesundheitsministerium hat Anfang September die Protokolle aktualisiert und empfiehlt nun nur noch, die Klassenzimmer mehrmals am Tag zu lüften. Der Vergangenheit gehören also die Sorgen von Lehrerinnen und Lehrern an, die Maskenpflicht oder die Sicherheitsabstände zu kontrollieren oder die Schülerinnen und Schüler bei Laune zu halten, wenn bei zehn Grad Außentemperatur bei geöffnetem Fenster unterrichtet werden sollte.

Dafür bereitet ein anderes Thema Kopfzerbrechen, diesmal rein schulischer Natur: Das Schuljahr 2022/23 gibt den Startschuss zur Umsetzung eines wieder einmal neuen Bildungsgesetzes mit dem sperrigen Namen LOMLOE (Ley Orgánica de Modificación de la LOE), also eine Modifizierung des vorherigen Bildungsgesetzes LOE (Ley Orgánica de Educación) aus dem Jahr 2006. Dazwischen hatte es während der konservativen Regierung unter Mariano Rajoy auch noch die LOMCE gegeben.

Weg vom Auswendiglernen

Was wie eine kleine Änderung klingt, ist in Wahrheit ein Paradigmenwechsel. Die Schulen sollen davon wegkommen, den Schülern Wissen vorzusetzen, das diese dann auswendig lernen und wiederkäuen. Vielmehr soll es darum gehen, Kompetenzen zu erlernen und Transferaufgaben zu lösen. Kurz gesagt: Die Schüler sollen auf das Leben vorbereitet werden. Viele Schulen auf den Inseln haben an diesem Konzept in den vergangenen Jahren bereits peu à peu gearbeitet, einige andere werden sich komplett umstellen müssen. Zum ersten Mal ist in einem Bildungsgesetz von áreas de aprendizaje zu lesen, was sich wohl am besten mit den auch aus Deutschland bekannten „Lernlandschaften“ übersetzen lässt.

In der Grundschule werden die klassischen Unterrichtsfächer komplett aufgelöst, in der Mittelstufe gibt es noch die Aufteilung in Schulfächer, die allerdings bei Bedarf auch kombiniert werden können. Die Lehrpläne mussten dafür komplett überarbeitet werden, die endgültigen Versionen gibt es erst seit August, was bei Lehrern und Schulleitern für Ärger sorgte. Man habe nicht genügend Zeit gehabt, sich auf die neuen Vorgaben einzustellen, heißt es aus den Lehrerkollegien. Auch die Bücher, die zum Großteil vor Bekanntwerden der neuen Lehrpläne gedruckt wurden, seien bereits zu Beginn des Schuljahres veraltet, lautet eine andere Kritik.

Änderungen gibt es auch beim Thema Benotung. Mit der LOMLOE soll das herkömmliche Bewertungssystem abgeschafft werden. Statt dreimal im Jahr bekommen die Schüler nun nur noch am Ende des Schuljahres ein offizielles Zeugnis. Wurden bislang Leistungen nur mit einer Notenskala von 1 bis 10 bewertet, gibt es künftig ausformulierte Bewertungen. Das Wiederholen von Schuljahren soll auf das allernötigste Maß reduziert werden. Die Entscheidung, ob ein Schüler das Jahrgangsziel nicht besteht, treffen die Lehrer gemeinsam.

Neue Inhalte

Die LOMLOE bringt darüber hinaus neue Inhalte in der Grundschule und der Mittelstufe mit sich. So gibt es etwa das Fach „Erziehung in bürgerlichen Werten“, das wohl am ehesten als Mischung aus Ethik und Sozialkunde zu beschreiben ist. Das balearische Bildungsministerium, verantwortlich für die Hälfte der Inhalte in den Lehrplänen, will mehr Wert auf die Gleichberechtigung und die Geschlechterperspektive legen. In der Mittelstufe soll es ein Wahlfach zum Thema Gleichberechtigung der Geschlechter geben sowie unter anderem das Fach „Geschichte und Kultur der Balearen“, das in der Oberstufe Wahlfach sein wird.

Das neue Bildungsgesetz trifft im Jahr seiner Einführung nicht alle Jahrgangsstufen, sondern nur die ungeraden. Mit dem neuen Bildungsgesetz arbeiten also die erste, die dritte und die fünfte Klasse der Grundschule, die siebte und die neunte Klasse der Mittelstufe (ESO) sowie die elfte Klasse (Primero de Bachiller). Für die restlichen Klassen werden die Änderungen erst zum kommenden Schuljahr eingeführt. Gleichzeitig zum landesweiten neuen Bildungsgesetz tritt das erste balearische Bildungsgesetz in Kraft, das weiterhin einen Katalanisch-Anteil von mindestens 50 Prozent vorschreibt sowie kleinere Klassenstärken und höhere Investitionen in Bildung.

Teure Rückkehr in die Schule

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Und während viele Eltern erleichtert sind, dass ihr Nachwuchs zumindest einen Teil des Tages beschäftigt ist, sehen sie mit Sorge den finanziellen Folgen entgegen. Die vuelta al cole, also die Rückkehr in die Klassenzimmer, war nie so teuer wie in diesem Jahr. Laut einer Studie zahlen Familien auf den Balearen im Durchschnitt 405 Euro pro Kind für die Ausstattung zum Schuljahresbeginn. Dazu gehören Bücher, Hefte und Schulmaterial. Noch deutlich teurer wird der September für Eltern, deren Kinder an eine halbstaatliche oder an eine Privatschule gehen. Dort kosten die Bücher mehr als an staatlichen Schulen, hinzu kommen Kosten für die Uniformen und die monatlichen Zahlungen des Schulgeldes. Mehr Geld müssen die Familien auch für das Schulessen einkalkulieren. Die Inflation macht sich überall bemerkbar.