Fünf Stunden stand Lucia Patrascu im Mai 2016 in der Polizeiwache in Pollença auf Mallorca und versuchte ihren Mann wegen häuslicher Gewalt anzuzeigen. Nur um am Ende unverrichteter Dinge nach Hause zurückzukehren, und kurz darauf ermordet zu werden. Das Innenministerium hat jetzt in einem Bericht anerkannt, dass die Guardia Civil eine Mitschuld an diesem Mord trägt. Die Kinder des Opfers werden mit je 40.000 Euro entschädigt.

Das Drama begann am frühen Morgen des 29. Mai vor nun über sechs Jahren. Die 47-jährige Lucia Patrascu kam um 6 Uhr zur Wache der Guardia Civil, um ihren Mann wegen häuslicher Gewalt anzuzeigen. Laut dem Bericht des Innenministeriums sprach die Frau dort mit fünf verschiedenen Polizisten und wartete fünf Stunden. Sie erzählte den Beamten unter anderem, dass ihr Mann sie bis zur Guardia Civil verfolgt hatte und dass er von ihrem Vorhaben, ihn anzuzeigen, wusste. Patrascu wurde in keinem Moment in einen Raum gebeten, um in Ruhe ihre Geschichte zu erzählen und zu erklären, warum sie Angst vor ihrem Mann hatte. Sie verbrachte die fünf Stunden stehend im Warteraum.

Patrascus Mann wurde zu 22 Jahren Haft verurteilt

Am Ende verließ sie die Wache, "ohne wirklich angehört worden zu sein und eine Anzeige erstattet zu haben". Daher wurde auch nicht as Protokoll für Opfer häuslicher Gewalt mit entsprechenden Hilf- und Schutzmaßnahmen aktiviert, die die Frau wahrscheinlich gerettet hätten. Als sie wieder zu Hause war, erzählte Patrascu der älteren Dame, mit der sie zusammenwohnte, dass sie keine Anzeige erstatten konnte. Laut dieser Zeugin hatten Polizisten der Frau gesagt, "wenn er sie nicht geschlagen hatte und sie keine Verletzungen aufweisen konnte, könnten sie ihr nicht helfen".

Kaum zu Hause beschimpfte Patrascus Mann sie und verlangte zu wissen, was sie an diesem Morgen genau getan hatte. Er packte sie am Hals, sie konnte sich dank der Hilfe ihres Sohnes losreißen und rannte auf den Balkon, wo sie um Hilfe schrie. Ihr Mann aber folgte ihr mit einem Küchenmesser und ermordete sie mit Stichen in Brust und Rücken. Die 47-Jährige hatte keine Möglichkeit, sich zu wehren. Mehrere Nachbarn, die wegen der Hilfeschreie auf ihre Balkone gekommen waren, mussten den Mord mitansehen ohne helfen zu können. Patrascus Mann wurde später zu 22 Jahren Haft verurteilt.

Keine Konsequenzen für die Polizisten

Für die Beamten der Guardia Civil wird es dieser Vorfall keine Konsequenzen haben. In ihren Berichten, die sie für das Innenministerium erstellen mussten, übernehmen sie keinerlei Verantwortung. Alejandro Hernández, Oberbefehlshaber der Guardia Civil auf den Balearen, sprach sich in zwei Gelegenheiten dagegen aus, den Vorfall als "Fehler in der Verwaltung" zu katalogisieren und den Kindern von Patrascu damit ein Recht auf Entschädigung zu geben. Er argumentierte damit, dass das Gerichtsverfahren gegen vier der Beamten wegen ihrer Handlungen eingestellt worden war, da keine Straftat festgestellt worden sei.

Die Aufhebung des Gerichtsverfahrens stellt aber in Augen des Innenministeriums für die Beamten "keine Entlastung" von der Verantwortung dar. Der Bericht detailliert, dass der Tod von Patrascu zwar eine unmittelbare Folge des Mordes von ihrem Ehemann war, die Handlungen der Guardia Civil jedoch dazu beigetragen hätten, "eine Hochrisikosituation aufrechtzuerhalten". Der Bericht fordert, dass die Opfer häuslicher Gewalt mit "äußerster Sorgfalt" behandelt werden sollen und dass die mit ihrer Betreuung betrauten Beamten "besser ausgebildet" werden. /mwp