Ein Jahr nach der Kegelbrüder-Festnahme: Auf die Bar "Why Not Mallorca" fliegen weiter Kippen

Die Wirte haben das Unglück noch nicht verarbeitet. Weiterhin haben sie mit den Gästen des benachbarten Hotels zu kämpfen

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Allein der Gedanke an den 20. Mai des vergangenen Jahres treibt Alice Klotz die Tränen in die Augen. „Wenn einer in der Nachbarschaft grillt, breche ich in Panik aus“, sagt die Wirtin der Bar „Why Not Mallorca“. Damals brannte die Außenterrasse ihres Lokals ab. Die Brandursache soll eine brennende Zigarettenkippe gewesen sein. Die Ermittler beschuldigen eine Gruppe deutscher Urlauber, die sogenannten „Kegelbrüder“, die Kippe von einem Balkon des Hotels Whala!Beach geworfen zu haben. Sie bestreiten das. Der Prozessauftakt zieht sich hin. 

Zu den Ermittlungen und der Schuldfrage können oder wollen sich Alice Klotz und ihr Ehemann Bernd nicht äußern. Sie kämpfen weiter für den Traum, den Lebensabend an der Playa de Palma verbringen zu können. Wobei das bedeutet, sich mit altbekannten Problemen herumzuscheren. Weiterhin fliegen täglich Zigarettenkippen und anderer Müll auf die frisch renovierte Terrasse.

Corona machte das Auswandern nach Mallorca möglich

Erst 2021 waren die Gastronomen ausgewandert. „Wir waren früher selbst als Urlauber auf der Insel. Irgendwann haben wir uns eine Wohnung in Arenal gemietet“, erzählt die Kölnerin Alice Klotz. Die Pandemie ermöglichte ihnen, die Bar günstig zu erwerben. Ein Bekannter passte derweil auf ihr Café in Köln auf. „Das war im Endeffekt unser Rettungsanker nach dem Brand, als die Einnahmen hier ausfielen.“ Diesen Winter haben sie das Café verkauft, um sich komplett auf das Inselgeschäft zu konzentrieren.

Wie sich Alice Klotz an den schlimmen Brand erinnert

„Ich hatte gerade einem Gast unsere Lounge gezeigt und war wieder zu den Gästen im vorderen Teil der Bar gegangen, als eine Frau meinte: ‚Dahinten brennt‘s‘“, erinnert sich Klotz an jenen Freitag, als die Flammen plötzlich hochschlugen. Am Tag zuvor hatte die Kölnerin noch eine Doku gesehen, was passiert, wenn Gasflaschen explodieren. Reflexartig brachte sie die auf der Terrasse deponierten Flaschen in Sicherheit. Anschließend war Warten angesagt. „45 Minuten brauchte die Feuerwehr. Da war nichts mehr zu retten“, sagt Bernd Klotz. Was die Flammen nicht verschlangen, zerstörte das Löschwasser. In der Nacht musste die Feuerwehr erneut anrücken, da die Glut ein zweites Mal aufloderte.

60.000 Euro Schaden richtete der Brand laut dem Ehepaar an. Die vielen Arbeitsstunden, die sie zum Reinigen und Renovieren brauchten, sowie der Betriebsausfall noch nicht eingerechnet. 133 Tage hätten sie die Terrasse nicht bewirten können. Da im Sommer kaum ein Gast drinnen sitzen möchte, blieben nur zwei Tische im Außenbereich vor der Bar. „Die Versicherung hat uns einen winzigen Betrag als Entschädigung angeboten. Das haben wir abgelehnt. Irgendwann steht ein Schuldiger fest, der den Schaden zahlt“, sagt Klotz. Um das Geschehene zu verarbeiten, sei sie in psychologischer Behandlung

"Niemand hat uns gefragt, wie es uns geht"

Klotz fühlt sich machtlos. „Manche haben uns die Schuld gegeben, weil wir ein Strohdach hatten. Dabei war das weder Schilf noch Stroh“, sagt die Kölnerin und zeigt alte Fotos, auf denen ein Welldach aus Kunststoff zu sehen ist. Nur zur Straße hin hätten ein paar Fransen Stroh gehangen. „Alle wollten Profit aus der Geschichte schlagen. Niemand hat uns gefragt, wie es uns geht. Wo war die deutsche Gemeinschaft in diesem Fall? Wir hätten alle Hilfe nötig gehabt.“ Entschuldigt habe sich niemand. „Das wäre wohl wie ein Schuldeingeständnis aufgefasst worden. Aber es haben weder die Eltern der Kegelbrüder noch der Manager, von dessen Hotel die Zigaretten auf unser Dach flogen, den Kontakt zu uns gesucht.“

Das sind alles junge Leute. Wenn wir sie bitten, ihren Müll nicht zu uns zu werfen, werden wir blöd angemacht. Selbst wenn wir sie auf den Brand ansprechen. Letztens hat einer vom Balkon auf die Straße gepinkelt.

Im September war die Terrasse weitestgehend wieder hergerichtet. Doch direkt in der ersten Nacht nach Wiedereröffnung flogen erneut die glühenden Zigarettenstummel von den Balkons des Hotels Whala!Beach. Auch tagsüber hagelt es Müll. Beim MZ-Besuch sind ein Fingernagel, ein halbaufgegessenes Baguette und zwölf Kippen auf dem Boden zu sehen. Die Partymusik auf den Hotelbalkonen dröhnt so laut, dass es einem vorkommt, als stünde man direkt neben dem Bierkönig. „Das ist noch leise heute“, sagt die Wirtin. „Das sind alles junge Leute. Wenn wir sie bitten, ihren Müll nicht zu uns zu werfen, werden wir blöd angemacht. Selbst wenn wir sie auf den Brand ansprechen. Letztens hat einer vom Balkon auf die Straße gepinkelt.“

Den Hoteldirektor habe sie bis heute nicht zu Gesicht bekommen. „Wir werden an der Rezeption immer vertröstet. Dabei wäre es am einfachsten, Plexiglasscheiben an den Balkonen anzubringen, damit der Müll nur auf der Straße landet.“ Ein stabiles Dach sieht die Bauverordnung für die Terrasse nicht vor. „Nur ein Schiebedach wäre erlaubt. Das kostet aber 20.000 Euro. So viel Geld haben wir nicht“, sagt Bernd Klotz. Behelfsmäßig haben sie Pavillons aufgestellt. „Es geht darum, das Brandrisiko zu vermindern.“ Jedoch brennen die Zigaretten immer wieder Löcher in die Planen. „Wir müssen unsere Gäste schützen. Wer wäre denn dafür verantwortlich, wenn denen während des Essens etwas auf den Kopf fliegt?

Allerdings ist es praktisch unmöglich die Gäste in ihren Zimmern und auf den Balkonen zu kontrollieren.

Auf MZ-Nachfrage antwortet ein Sprecher des Hotels: „Auf allen Balkonen haben wir einen mehrsprachigen Aushang, der das Herunterwerfen von Zigarettenstummeln verbietet. Wir tun, was in unserer Macht steht, um Zwischenfälle zu vermeiden. Allerdings ist es praktisch unmöglich die Gäste in ihren Zimmern und auf den Balkonen zu kontrollieren.“

Groll gegen die Kegelbrüder hegen die Eheleute nicht. „Ich wurde oft gefragt, was ich von der Freilassung halte. Mir ist es ehrlich gesagt egal. Bringt ja nichts, wenn sie weiter im Gefängnis sitzen“, sagt Alice Klotz. Wenn es einen positiven Effekt des Brandes gab, dann dass die vorher kriselnde Ehe nun wieder in Schwung gekommen ist. „Die Saison ist nun gut angelaufen. Bei uns Kölner stirbt die Hoffnung zuletzt. Wir haben den Playa-Traum noch nicht begraben.“

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