Wollten 70 Menschen töten: Erster Prozesstag gegen mutmaßliche Dschihadisten auf Mallorca
Vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid schildern die Ermittler Gewaltfantasien, Überfahr‑Pläne und die Produktion fiktionaler Propaganda‑Videos

Die sechs Angeklagten in Madrid. / EFE/FERNANDO VILLAR
Brutale Gewaltvideos, Pläne, Menschen zu überfahren, und Drohfantasien mit Messern: Davon haben die ermittelnden Polizisten im Prozess gegen sechs Terrorverdächtige berichtet, die am Montag (27.10.) vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid auf der Anklagebank saßen. Ihnen wird vorgeworfen, junge Muslime durch YouTube-Videos zur Unterstützung des sogenannten Islamischen Staates (Daesh) angestachelt und einen mutmaßlichen Anschlag auf der Insel geplant zu haben.
Als die Ermittlungen 2017 begannen, hatten sich die sechs Männer bereits radikalisiert. In den von der Polizei abgehörten Gesprächen sprachen sie von Mordfantasien – in einem Fall davon, auf dem Rathausplatz in Inca mit einem Messer auf 70 Menschen loszugehen. „Einer der Verdächtigen sagte auch, er werde sich ein Auto schnappen und Leute überfahren“, erzählte einer der Beamte vor dem Gericht. Die mutmaßlichen Terroristen wurden von der Polizei im Juni 2017 festgenommen.
Bruch mit dem Imam in Inca
Laut den Ermittlern kam es zur Festnahme, nachdem sich die Gruppe vom Imam der Moschee in Inca abgewandt und dem Islamischen Staat angeschlossen hatte. Der Imam sei ihnen „zu weich“ gewesen, weil er sich nicht für den vom Islamischen Staat geführten heiligen Krieg aussprach. Auch mit der Al-Qaida-nahen Terrorgruppe Jabhat al-Nusra sollen sie sympathisiert haben.
Die sechs Männer lebten in Inca. Hauptangeklagter ist der in Großbritannien festgenommene marokkanische Prediger Tarik C. Wegen seiner extremistischen Haltung war ihm bereits 2013 in seinem Heimatland das Predigen in Moscheen untersagt worden. Nach den Ermittlungen predigte der Hauptangeklagte nicht nur in Moscheen wie Al Fajr in Inca, sondern auch über seinen YouTube-Kanal, der 2016 rund 12.000 Abonnenten zählte. Seine Videos seien etwa zehn Millionen Mal aufgerufen worden, heißt es in der Anklageschrift. Einer der Beamten erklärte, man habe den YouTube-Kanal von Tarik C. bereits mehrere Jahre vor seiner Festnahme gekannt.
C.s engster Mitarbeiter Hussein F., mit dem Tarik C. eine Zeit lang auf Mallorca zusammenlebte, saß ebenfalls auf der Anklagebank. Hussein F. stellte dem Hauptangeklagten mehrere junge Männer aus dem Umfeld der Al-Fajr-Moschee in Inca vor – unter ihnen die später Mitangeklagten Abderrahman F., Azzouz A. und Abdelkhader M.
Eine Reihe von Videos zur dschihadistischen Indoktrinierung
Die Ermittler kamen der mutmaßlichen Terrorgruppe durch eine Reihe von YouTube-Videos auf die Schliche. Die Männer produzierten auf Mallorca eine Miniserie namens „Toufik ging nach Syrien“, in der sie die fiktive Geschichte eines jungen Mannes erzählen, der auf Mallorca lebt und sich von seinem aus ihrer Sicht sündigen Leben abwendet, um sich dem Islamischen Staat anzuschließen. Die Angeklagten sollen bei den Dreharbeiten dieser Videos als Darsteller mitgewirkt haben. Die Verteidiger betonten vor Gericht wiederholt, es handle sich um Fiktion, die nicht die Realität widerspiegle oder dokumentarisch sei.
Wie die Ermittler in der Verhandlung bestätigten, hielt sich Tarik C. in den Jahren 2014 und 2015 auf Mallorca auf. Die Videos wurden im Sommer 2015 gedreht. Kurz danach verließ der Hauptangeklagte die Insel. Anfang 2016 zog sein Mitarbeiter Hussein F. nach Deutschland. Als die sechs Angeklagten im Jahr 2017 vorläufig inhaftiert wurden, waren die Videos nicht mehr verfügbar.
Einer der Angeklagten, Azzouz A., arbeitete in der Moschee als Trainer für Kinder in Kampfsportarten. Dabei ließ er sie nach Erkenntnissen der Ermittler gewaltverherrlichende religiöse Lieder, sogenannte Anasheed, hören, worüber sich mehrere Eltern beschwerten. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fanden die Ermittler Videos, die die Rekrutierung von Kindern und deren Ausbildung in Kampf- und Hinrichtungstechniken zeigten – „etwa beim Durchschneiden von Kehlen“, heißt es in der Anklageschrift.
Zwischen fünf und acht Jahren Haft
In ihrer Anklageschrift fordert die Staatsanwaltschaft für Tarik C. und Hussein F. eine Freiheitsstrafe von acht Jahren sowie eine Geldstrafe von 12.000 Euro wegen der Anwerbung sowie der Indoktrinierung zum Terrorismus. Für die übrigen Angeklagten beantragt der Staatsanwalt eine Haftstrafe von fünf Jahren wegen des Delikts der Selbstindoktrinierung zum Terrorismus. Der Gerichtsprozess wird sich über die ganze Woche ziehen; die Angeklagten werden als Letzte aussagen.
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