Die denkbar knappe Entscheidung des spanischen Verfassungerichts, die im März 2020 im Zuge der Pandemie-Bekämpfung verhängte Ausgangssperre für verfassungswidrig zu erklären, dürfte noch über Jahre Gegenstand hitziger juristischer Debatten sein. Sie hat aber auch ganz konkrete Auswirkungen: Mit dem am Mittwoch (14.7.) verkündeten Urteil sind auch die wegen Zuwiderhandlung gegen die Ausgangssperre verhängten Sanktionen illegal. Auf Mallorca und den Nachbarinseln müssen somit 2.655 noch ausstehende Bußgelder nicht mehr bezahlt werden.

Während des Lockdowns im Frühling 2020 durfte man nur dann das Haus verlassen, wenn man etwa zum Einkaufen oder Arzt musste, ausgewählten Berufsgruppen angehörte oder den Hund ausführte. Unter dem Eindruck des Pandemie-Geschehens hielt sich die überwältigende Mehrheit der Einwohner Mallorca daran. Denjenigen, die das nicht taten, drohten hohe Bußgelder. Auch ausländische Residenten wurden diese Knöllchen aufgebrummt, etwa wenn sie nicht alleine, sondern in Begleitung im Supermarkt erschienen.

Insgesamt erstatteten die Behörden auf Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera an die 3.600 Anzeigen wegen Verstößen gegen die Ausgangssperre. Wer sofort bezahlte, erhielt, wie auch bei anderen Knöllchen in Spanien üblich, einen Rabatt. Über 800 Betroffene entschieden sich für diese Variante. Ob sie jetzt ihr Geld zurückfordern können, wird ebenso zu klären sein, wie ob es noch weitere Entschädigungsansprüche gibt. Wegen wiederholter Verstöße gegen die Ausgangssperre war es auch verschiedentlich zu Festnahmen gekommen. In mehreren Fällen führte das zu rechtskräftigen Urteilen wegen Zuwiderhandlung gegen staatliche Auflagen.

Keinen Anspruch auf Entschädigung dürften nach jetzigem Kenntnisstand hingegen die Unternehmer haben, die ihre Betriebe - etwa Restaurants, Cafés und Bars - schließen mussten. Auch das wurde erst durch den Alarmzustand möglich. Das Urteil des Verfassungsgerichts bezieht sich jedoch nur auf die allgemeine Ausgangssperre. Die Aufhebung - und nicht nur Begrenzung - des Grundrechts auf Bewegungsfreiheit hätte die Ausrufung des Ausnahmezustands durch das Parlament bedurft, so die Argumentation. Angesicht der schnell steigenden Infektionszahlen hatte die Regierung im März 2020 beschlossen, über die Rechtsfigur des Alarmzustandes das öffentliche Leben mit praktisch sofortiger Wirkung einzuschränken. /ck