Die Corona-Regeln treffen Jugendliche und junge Erwachsene in ihrer Freizeitgestaltung besonders hart. Ausufernde Saufgelage und illegale Partys, die das Infektionsgeschehen aktuell in die Höhe treiben, zeigen, dass einige von ihnen es nach anderthalb Jahren der Einschränkung mit den Schutzmaßnahmen nicht mehr allzu ernst nehmen. Doch das von außen betrachtet leichtsinnige, ja rücksichtslose Verhalten ist nur die Spitze des Eisbergs. Studien zeigen: Die Pandemie hat bei vielen jungen Menschen auf den Balearen ihre politische Einstellung verändert und ihre Werte verschoben – und zwar nach rechts.

Das geht aus einer Studie hervor, die die Fundació Gadeso im Mai veröffentlicht hat. 27 Prozent der Befragten zwischen 18 und 25 Jahren ordnen sich selbst auf der politischen Skala als Mitte-rechts ein, 18 Prozent als rechts. „Das sind deutlich mehr als vor der Pandemie“, so der Stiftungsvorsitzende Antoni Tarabini. Der Trend ist in ganz Europa zu beobachten: In Frankreich beispielsweise hat die rechtsextreme Partei von Marine Le Pen seit Corona deutlich an Sympathisanten aus der Altersgruppe zwischen 25 und 34 zugelegt. Eine weitere Gadeso-Studie, die im Juli veröffentlicht wurde, zeigt zudem: Junge Menschen auf den Balearen stehen der Corona-Politik der Landesregierung im Schnitt deutlich kritischer gegenüber als ältere. Fast die Hälfte der unter 30-Jährigen hadere mit den hiesigen Hygieneregeln. Hier sieht Tarabini einen direkten Zusammenhang. „In den Augen vieler Jüngerer bietet die aktuelle Linksregierung keine praktischen Lösungen für die Probleme, die die Pandemie in ihrem Alltag auslöst. Also schauen sie auf die Opposition rechts davon.“

Seit Jahren hat es sich die Fundación Gadeso zur Aufgabe gemacht, nicht nur Statistiken aufzustellen, sondern durch repräsentative Meinungsumfragen herauszufinden, was die Menschen über aktuelle gesellschaftliche und politische Geschehnisse denken. Einfach nur mit dem erhobenen Zeigefinger auf die vermeintlich schlicht vergnügungssüchtigen Jugendlichen zu zeigen oder sie als Verursacher der Corona-Lage zu benennen, sei ein Fehler. Denn letztlich vergrößere genau das den Abstand zwischen den politischen Institutionen und den jungen Menschen und befeuere einen weiteren Rechtsruck.

Zunächst, so Tarabini, sei es für den öffentlichen Diskurs wichtig, die Lebenswirklichkeit der jungen Menschen nachzuvollziehen – und zu definieren, was „jung“ bedeute. „16-Jährige leben in einer ganz anderen Realität als Anfang-20-Jährige oder als 30-Jährige.“ Gerade die Älteren der Jungen hätten in den vergangenen Jahren zwei Krisen erlebt: die Wirtschaftskrise von 2008 und jetzt die Pandemie. Einige von ihnen hätten es vor Corona in den vergangenen Jahren geschafft, sich selbstständig zu machen – und scheiterten durch die Pandemie nun ungleich häufiger als alteingesessene Unternehmen älterer Generationen.

Die Mitte-20-Jährigen hätten vor Ausbruch der Pandemie häufig zumindest insofern auf eigenen Füßen gestanden, als dass sie sich als Arbeitskraft im Tourismus mehr schlecht als recht eine eigene Bleibe oder eine WG leisten konnten. „Viele von ihnen mussten nun zu ihren Eltern zurückziehen. Das ist frustrierend“, so Tarabini. Und die Teenager? Die hätten wenn überhaupt oft nur prekäre Jobs und fühlten sich durch die Corona-Auflagen der vergangenen anderthalb Jahre besonders eingeschränkt. „Sie versuchen nun, ihren Status wiederzuerlangen, sprich: sich mit Gleichaltrigen zu treffen, ausgelassen, jung zu sein.“

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Allen gemein sei eine ausgeprägte Perspektivlosigkeit. „Sie haben weder eine Gegenwart, noch sehen sie eine Zukunft“, so Tarabini. Ältere Befragte zeigten sich deutlich optimistischer, dass die Pandemie und ihre Auswirkungen bald vorüber seien. Tarabini: „Ältere Generationen über 40, 50 Jahren haben aber auch eine ganz andere Ausgangslage. Sie haben in der Regel das Glück, einen höheren Lebensstandard zu genießen als noch ihre Eltern. Bei den Jüngeren ist das Gegenteil der Fall.“ Ein zusätzlicher Auslöser für Frust – und der Nährboden fürs Regelbrechen und das Liebäugeln mit extremen Parteien.

„Oft geht es nicht einmal um Ideologie, und auch nicht um reine Rebellion, sondern schlicht um Verwirrung. Sie suchen Schuldige, weil niemand ihre Probleme löst. Erst recht, wenn sie von der Politik selbst beschuldigt werden.“ Auch die Haltung der konservativen Volkspartei (PP), die auf den Balearen die Opposition anführt, in Madrid unter ihrer Anführerin Isabel Díaz Ayuso aber weit weniger strenge Corona-Maßnahmen walten lässt, habe die jungen Leute auf den Inseln verunsichert. Während sie sich im Frühsommer auf den Inseln noch sehr stark einschränken mussten, konnten sich Gleichaltrige in der spanischen Hauptstadt bereits viel freier bewegen. „Klar, dass das attraktiv erscheint.“