Mae de la Concha ist Generalsekretärin der Linkspartei Unidas odemos auf den Inseln und balearische Landwirtschaftsministerin.

Sie kommen aus Gijón, haben aber auch in Frankreich, Madrid, Barcelona und Santander gelebt. Seit 1980 wohnen sie auf Menorca. Warum ausgerechnet dort?

Ich wollte Kinder haben, an einem ruhigen Ort sein, wo wenig soziale Ungleichheit herrscht und die Umwelt noch einigermaßen intakt ist. Eine Kollegin in Madrid empfahl mir Menorca. Also flog ich hin. Ich schwöre, in dem Moment, als ich aus dem Flugzeug stieg, wusste ich: Hier werde ich leben. Es war Liebe auf den ersten Blick.

Viele deutsche Residenten wissen: Auch nach Jahrzehnten auf den Inseln sehen die Einheimischen einen als „foraster“. Geht es Ihnen auch so?

Na ja, wir sind ja ehrlich gesagt auch Auswärtige. Wir sind woanders geboren, haben dort unsere Wurzeln, sprechen andere Sprachen, haben andere Erfahrungen. Ich fühle mich, als hätte ich eine doppelte Staatsbürgerschaft (lacht). Ich hatte fast 30 Jahre einen Buchladen in Ciutadella. Es war ein Treffpunkt für junge Leute, für Musiker, wir veranstalteten Debatten und Kurse. So ein Umfeld verbindet, und es wird weniger wichtig, woher man kommt.

Seit zwei Jahren sind Sie Landwirtschaftsministerin. Ihr Arbeitsplatz ist auf Mallorca.

Ja, ich muss fast immer hier sein. Ich habe ein Haus in Costitx gemietet. Die Buchhandlung ist zu. Es kommt nur selten vor, aber wenn ich am Wochenende frei haben kann, fliege ich nach Ciutadella. Das ist meine Heimat.

Und all das für die Politik. Sie haben im Laufe Ihres Lebens als Krankenpflegerin gearbeitet, als Sekretärin bei Yves Rocher und als Verwaltungskraft in einer Madrider Kanzlei. Wann trat die Politik in Ihr Leben?

Schon als ich ganz jung war. In meiner frühen Jugend waren wir noch mitten im Kampf gegen das Franco-Regime. Obwohl ich nie einer Partei angehörte habe. Aber ich war immer politisch engagiert, habe bei vielen Bewegungen mitgemacht.

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"Wir sind ja nicht in der Regierung, um mit Spruchbändern loszuziehen. Das ist gerade nicht unsere Rolle."

Wie kann man sich das vorstellen? Straßenkämpfe?

Auf der Straße manchmal, aber das war in der Diktatur sehr gefährlich, da hat man sein Leben aufs Spiel gesetzt. Ich habe auf Demos Leute sterben sehen. Aber abgesehen davon habe ich Bücher übersetzt, die aus Frankreich herübergeschleust wurden, ich habe Leute bei mir zu Hause versteckt, an Debatten teilgenommen. Politik hat mich immer interessiert. Ich glaube, sie sollte jeden interessieren, denn dort werden Sachen entschieden, die nachher unser tägliches Leben kennzeichnen. Auch im Feminismus war ich früh engagiert. Anfang der 70er-Jahre wurden wir oft beschimpft. Später, als dann die Demokratie in Spanien einzog, hatte ich viele Freunde in der Politik, aber mehr im Bereich Kultur, in der Literatur oder der Musik. Während des Irakkriegs war unser Buchladen ein Treffpunkt politischer Debatten. Aber ich habe nie eine Partei gefunden, die mich genügend überzeugt hätte, als dass ich ihr beigetreten wäre. Denn es stimmt schon, es ist ein großer Kraftakt. Ich sehe gerade meine Töchter und Freunde kaum, muss an Orten schlafen, die nicht mein Zuhause sind. Das ist ein Opfer, das man bringt, ein großer Schritt, und ich bin ihn gegangen, als Podemos aufgetaucht ist. Es erschien mir als etwas sehr Neues und Hoffnungsvolles.

Die Anfänge der Podemos-Bewegung werden immer mit der 15M-Bewegung in Verbindung gebracht. Waren Sie eine der Empörten an Madrids Puerta del Sol?

Die Empörten waren der Samen. Auch ich habe diese Empörung gespürt. Zumal es ja nicht nur in Madrid war. Ich war auf Menorca und habe dort aktiv an allen Aktionen teilgenommen. Als Pablo Iglesias 2014 bei den Europawahlen kandidierte, habe ich ihn ohne jede Hoffnung gewählt. Als ich die Wahlergebnisse sah, konnte ich es nicht glauben. Es war das erste Mal, dass eine Partei, die ich gewählt habe, gut abgeschnitten hat. Also teilte ich der Partei mit, dass ich zur Verfügung stehe.

Was bewegte Sie damals am meisten?

So viele so unterschiedliche Leute zu sehen, alle vereint in dem Wunsch: Wir wollen eine Politik für die Menschen und wir wollen die Lügner und Diebe aus den Institutionen holen. Das war die Zeit, in der es all diese schrecklichen Zwangsräumungen gab und jeden Tag neue politische Skandale ans Licht kamen. Man hatte das Gefühl, dass die Institutionen zu dem Zeitpunkt in keinster Weise für die Bürger einstanden.

Die Unterschiede der Podemos-Anhänger können auch zum Verhängnis werden. Auf den Balearen kehrten mehrere führende Mitglieder vor Beginn der aktuellen Legislaturperiode der Partei den Rücken zu. Sie fühlten die anfänglichen Werte verraten.

Es war vor allem eine Gruppe um Laura Camargo, die anticapitalistas, praktisch eine Partei in der Partei. Sie hießen nicht gut, dass wir uns an einer Minderheitsregierung beteiligen. Natürlich bekommt man als Teil einer Minderheitsregierung nicht alles, was man will. Aber dennoch haben wir Dinge geschafft, von denen die Leute sagten, sie seien unmöglich. In meinem Landwirtschaftsministerium zum Beispiel sind wir ganz kurz davor, dass die Insellage in der Landwirtschaft als solche anerkannt und ausgeglichen wird, das hat es noch nicht gegeben. Und das ist es, was das Leben der Menschen, der Bauern und Fischer, verändert. Das schafft man nur, wenn man regiert, nicht über Proteste auf der Straße. Proteste sind wichtig und geben Anstöße. Aber wirklich etwas erreichen kann nur eine Regierung.

Podemos wirkt auf den Balearen wie ein sehr zahmer Koalitionspartner. Man hätte mehr Lärm erwartet.

Ich halte nichts von viel Lärm, wenn man die Möglichkeit hat, die Kräfte zielführend nach innen auf die Arbeit zu konzentrieren. Natürlich fielen mir auf Anhieb 20 Gründe ein, für oder gegen etwas zu protestieren, aber wir sind ja nicht in der Regierung, um mit Spruchbändern loszuziehen. Das ist gerade nicht unsere Rolle.

Schon vor der Pandemie forderte Podemos auf den Balearen mehr Diversität in der Inselwirtschaft. Corona hätte ein Wendepunkt sein können. Wo bleibt der vielversprochene Wandel?

Die Abteilungen in der Landesregierung, die Podemos unterstehen, sind genau die, die diese Vielfalt herbeiführen können. Energiewandel, Industrie und Innovation, Onlinehandel, Landwirtschaft, Fischerei – all das sind wirtschaftliche Sektoren außerhalb des Tourismus, die man stärken kann. Wir sind dabei, aber wir sind erst seit zwei Jahren in der Regierung. Die Podemos-Bewegung hatte die Menschen begeistert – jetzt wird auch viel von uns verlangt. Das ist gut so. Aber man muss die Dinge trotzdem mit dem rechten Maß messen.

Wenn es jetzt erst losgeht – warum wollen Sie im Oktober Ihr Amt als Generalsekretärin von Podemos Baleares niederlegen?

Es ist Zeit, die jungen Leute zum Zug kommen zu lassen. Das angebrochene Jahrhundert hält komplexe Probleme bereit, und die Jüngeren sollten ihre Zukunft selbst gestalten. Wenn ich im Ministerium aufhöre, werde ich 69 sein. Ich arbeite, seit ich 16 bin. Ich glaube, ich habe es mir verdient, einige Jahre mit meiner Familie zusammen zu sein, zu lesen und zu schreiben … (Sie lauscht ihren eigenen Worten, blickt skeptisch, lacht). Vermutlich werde ich die Politik trotzdem nicht loslassen. Aber man kann es ja wenigstens mal versuchen.