Das zweite Schuljahr unter Corona-Bedingungen in Folge startet auf Mallorca an diesem Freitag (10.9.). Bildungsminister Martí March erklärt gegenüber der MZ unter anderem, wie es möglichst sicher ablaufen soll.

Das Schuljahr beginnt in allen Altersstufen mit Präsenzunterricht. Ist das angesichts der hoch ansteckenden Delta-Variante nicht etwas gewagt?

Nein, das glaube ich nicht. Das vergangene Schuljahr war tatsächlich sehr problematisch, wir hatten noch wenig Erfahrung mit dem Virus, es gab zu Beginn noch keine Impfungen. Und dennoch haben wir es dank der Hygieneprotokolle geschafft, die Schulen zu sicheren Orten zu machen. Im Unterschied zu Deutschland, Frankreich, Italien und anderen Ländern blieben in Spanien die Schulen das ganze Jahr geöffnet. In diesem Jahr sind wir deutlich weiter, was den Kenntnisstand über das Virus angeht, fast alle Lehrerinnen und Lehrer sind geimpft, dazu 75 Prozent der Schüler zwischen zwölf und 19 (mit mindestens einer Dosis, Anm. d. Red.). Wir haben Luftfilter und CO₂-Messgeräte in den Schulen, und wir erhalten nahezu alle Sicherheitsmaßnahmen aufrecht.

Bei der guten Nachricht, dass die Schulen offen blieben, geht etwas unter, dass sich Tausende Schüler und Hunderte Lehrer auf Mallorca mit dem Virus infizierten. Blendet man die Gefahren von Long Covid hier aus?

Es ist klar, dass Risiken existieren, solange es Covid-19 gibt. Aber wenn wir das vergangene Schuljahr ohne Impfungen begonnen hatten, haben wir allen Grund, nun optimistisch zu sein. Der Prozentsatz der Lehrer und Schüler, die sich angesteckt haben, war trotz allem sehr gering. Wir haben keine einzige Schule wegen eines größeren Ausbruchs komplett schließen müssen. Die Zahl der Klassen, die in Quarantäne mussten, war ebenfalls gering. In diesem Jahr gibt es für die Geimpften zusätzlich die Erleichterung, dass sie selbst bei engem Kontakt nicht in Quarantäne müssen.

Gewerkschaften und manche Eltern kritisieren, dass trotz der weiterhin bestehenden Gefahr die Klassenstärken in diesem Schuljahr wieder deutlich erhöht und die Abstände zwischen den Schülern von 1,5 auf 1,2 Metern reduziert werden. Warum behält man die kleineren Klassen und die größeren Abstände nicht bei?

Hier muss man auf den Balearen genauer hinschauen. Beispielsweise in der Vorschule, wo die durchschnittliche Klassenstärke von 17 im vergangenen Schuljahr auf gerade mal 18,5 in diesem Jahr steigt. In der Grundschule gehen wir von 16,5 auf 20 Schüler hoch. Also kaum der Rede wert. In der Mittel- und Oberstufe gibt es die gravierendsten Änderungen. Da steigt die durchschnittliche Zahl der Schüler pro Klasse von 15 auf 26 respektive 28, jedoch auch das immer abhängig von den Abständen, die im Klassenzimmer möglich sind. Aber in dieser Altersgruppe ist ja tatsächlich ein großer Teil der Schüler bereits geimpft. Hinzu kommt, dass wir auf den Balearen, anders als in anderen Regionen in Spanien, die vergangenes Jahr zusätzlich eingestellten 600 Lehrkräfte in diesem Schuljahr beibehalten.

Können Sie garantieren, dass die Schüler auf Mallorca im Schuljahr 2021/2022 nicht zum Homeschooling zurückkehren?

Garantieren kann ich das natürlich nicht. Aber wir legen alle unsere Anstrengungen auf den Präsenzunterricht. Die Lehrkräfte und alle anderen Beteiligten haben im vergangenen Schuljahr Großartiges geleistet, die Schulen waren alles andere als Infektionsherde. Sollte es aber tatsächlich wieder zu Homeschooling kommen müssen, sehe ich unsere Schulen inzwischen ungleich besser darauf vorbereitet als zu Beginn der Pandemie. Die digitale Infrastruktur der Einrichtungen ist deutlich besser, auch der Kenntnisstand der Lehrkräfte. Immerhin 8.000 von ihnen haben sich in diesem Bereich weitergebildet.

Ist es denkbar, dass bei positiver Entwicklung der Pandemie die Maßnahmen an den Schulen, etwa die Maskenpflicht ab der Grundschule, gelockert werden können?

Das sind Maßnahmen, die für ganz Spanien gelten und auf die jeweils herrschenden Coronasituationen zugeschnitten sind. Im ersten Drittel des Schuljahres bis Weihnachten werden wir diese Maßnahmen auf jeden Fall beibehalten. Man kann aber durchaus bei günstiger Entwicklung darüber sprechen, ob man im kommenden Frühjahr die ein oder andere Einschränkung etwas erleichtern kann. Im vergangenen Schuljahr haben wir das trotz teilweise sehr niedriger Inzidenz nicht getan, weil wir gesehen haben, dass die Protokolle gut funktionierten.

Wird es konzertierte Kampagnen des balearischen Bildungsministeriums für eine weitere Erhöhung der Impfquote bei den Schülern ab zwölf Jahren geben?

Eine zentrale Kampagne ist nicht geplant. Aber wir werden in Gesprächen mit den Leitungsteams der Schulen sowie den Elternvertretern durchaus aktiv für eine Impfung bei den Jugendlichen werben. Und wir setzen auch darauf, dass es für viele ein Anreiz ist, bei einem Ausbruch in der Klasse als Geimpfter selbst bei engem Kontakt zum Infizierten nicht in Quarantäne gehen zu müssen.

Sind inzwischen alle Schulen auf Mallorca mit CO₂-Messgeräten und Luftfiltern ausgestattet?

CO₂-Messgeräte stehen inzwischen nahezu in allen Klassenzimmern. Und die meisten Räume sind mit HEPA-Luftfiltern ausgerüstet. Was die Filter betrifft, haben wir fast zwei Millionen Euro investiert. Die Filter wurden so an die Schulen verteilt, dass auf drei Klassenzimmer zwei Filter kommen, die dann auch zwischen den einzelnen Räumen weitergereicht werden können. Auch die Schulkantinen sind jetzt durchgehend mit Luftfiltern ausgestattet, schließlich sind das Orte mit einer relativ hohen Ansteckungsgefahr. Trotzdem sollen die Klassenzimmer vor allem in den Monaten, in denen es die Temperaturen problemlos zulassen, auch weiterhin regelmäßig gelüftet werden.

Corona überlagert alles, ist aber nicht alles. Im Juni wurde das erste balearenweite Bildungsgesetz, die Ley de Educación, verabschiedet. Darin heißt es unter anderem, dass innerhalb der kommenden acht Jahre die Ausgaben für Bildung auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen sollen. Klingt nicht gerade sehr ambitioniert.

Mit der Pandemie sind viele Dinge in den Hintergrund getreten. Deswegen bin ich zunächst einmal froh, dass dieses Gesetz nun kommen kann. Derzeit ist es im Parlament, und bis zum 23. September können noch Eingaben gemacht werden. Was die fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts angeht: Wir wollten realistisch sein. Außerdem ist die Zahl eine Untergrenze, das Minimum. Nach Möglichkeit ist es mehr. Aber das Gesetz hat noch viel mehr Aspekte. Beispielsweise wollen wir bei der Bildungspolitik auf den Inseln eine maximale Kontinuität garantieren, unabhängig davon, welche Partei gerade das Sagen hat.

Neu ist auch der islamische Religionsunterricht auf Mallorca für 150 Schüler, obwohl 900 Familien den Unterricht beantragt hatten. Warum startet das Pilotprojekt so schüchtern?

Wir wollen erst einmal nach und nach beginnen und schauen, wie es läuft. Deshalb beginnen wir erst einmal an drei Schulen, auch um nicht gleich ein Missverhältnis zur katholischen Religionslehre herzustellen.