„Spanien ist ein friedliebendes Land“, erklärte Ministerpräsident Pedro Sánchez am Mittwoch (2.3.) in einer Regierungserklärung zum Ukraine-Krieg im Parlament. Der Regierungschef verwies auf die traumatische Erfahrung seiner Landsleute durch den Spanischen Bürgerkrieg. Dennoch versprach Sánchez, „militärisches Angriffsmaterial an den ukrainischen Widerstand“ zu senden. Das war eine Kehrtwende. Denn in den Tagen zuvor seit dem Einmarsch der russischen Truppen wollte die spanische Regierung Waffen nur im Rahmen der gemeinsamen Bemühungen der Europäischen Union ins Kriegsgebiet schicken – nicht aber direkt, so wie es die meisten Staaten machen, darunter Deutschland.

Sánchez steht unter Druck von zwei Seiten bei der militärischen Unterstützung an die Ukraine. Zum einen muss er den verlässlichen Bündnispartner geben, denn Ende Juni ist Spanien Gastgeber des diesjährigen Gipfels der NATO in Madrid, der durch den Krieg in Osteuropa eine gesteigerte Bedeutung erhält. Zum anderen muss Sánchez Rücksicht auf seinen Koalitionspartner nehmen, das Linksbündnis Unidas Podemos. Unter den Linken gibt es traditionell eine starke Abneigung gegen die NATO und westliche Militäraktionen, obwohl alle Spitzen von Unidas Podemos den Überfall des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf das Nachbarland verurteilten. Die Linken fordern weiter „diplomatische Bemühungen“, um den Konflikt zu beenden. „Das Nein zum Irak-Krieg ist heute das Nein zu Putins Krieg“, erklärte Sánchez im Unterhaus an die Adresse der Pazifisten.

Höhere Militärausgaben

Spanien ist seinen Verpflichtungen im Rahmen der NATO beigekommen. Bereits vor dem Einmarsch in die Ukraine hatte man die Truppen in den Kontingenten des Bündnisses in Osteuropa verstärkt und Kriegsschiffe ins Schwarze Meer entsandt. Nun sollen weitere 150 Soldaten nach Lettland verlegt werden, wie Premier Sánchez erklärte. Ähnlich wie Deutschland wird auch Spanien von seinen Partnern für die niedrigen Militärausgaben gerügt, die etwas mehr als ein Prozent der Wirtschaftskraft ausmachen. Sánchez hob das Verteidigungsbudget im neuen Haushaltsplan um fast neun Prozent an.

Bei der Aufnahme der Flüchtenden aus der Ukraine will Madrid volle Solidarität beweisen. Dabei sind die Kapazitäten für Aufnahmelager derzeit arg strapaziert. Die Zentralregierung plant dieser Tage zusammen mit Regionalregierungen, Gemeinden und Hilfsorganisationen Noteinrichtungen. In Spanien lebt die viertgrößte Diaspora von Ukrainern, 112.000 Menschen, die meisten davon in Madrid. Es wird demnach ein starker Zuzug von Angehörigen erwartet, die vor den russischen Bomben fliehen. Nach der Invasion der Krim 2014 hatte es eine erste Flüchtlingswelle gegeben. Jedoch hat gerade einmal gut ein Prozent dieser Menschen bis heute Asyl gewährt bekommen. Das dürfte sich unter der neuen Situation ändern.

Was bewirken die Sanktionen?

Auf der anderen Seite werden sich auch die von der EU verhängten harten Sanktionen gegen die Wirtschaft Russlands auswirken. Spanien sei davon jedoch weniger betroffen als andere Länder in Europa, versicherte Sánchez. Den Oligarchen, die ihre Villen und Yachten an der Costa del Sol, in Katalonien und auf den Balearen haben, geht es nun an den Kragen. Der Multimillionär Michail Fridman zog sich aus seinem Investitionsvehikel zurück, das unter anderem die Supermarktkette DIA kontrolliert. Umgekehrt halten sich der Handel und die Präsenz spanischer Firmen in den Kriegsländern in Grenzen. In Russland sind 131 spanische Unternehmen vertreten, 27 in der Ukraine. Der weltweit größte Modekonzern Inditex, Betreiber von Ketten wie Zara, hat gut 500 Läden in Russland sowie 80 in der Ukraine.

Der Konflikt und die Sanktionen betreffen den Tourismus. Jedoch machten Urlauber aus Russland vor der Pandemie nur 1,4 Prozent der Besucher aus. Sánchez kündigte im Parlament eine Kampagne an, um das Reiseland Spanien in anderen Märkten stärker zu bewerben.

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Gas aus Algerien

Die Regierung arbeitet außerdem an einem Paket, um den erwarteten Preisanstieg abzufedern, vor allem bei den Energiepreisen. Spanien bezieht jedoch weniger als ein Zehntel des Gases aus Russland. Der Großteil kommt aus Algerien, mit dem ein langjähriges Lieferabkommen über zwei Pipelines besteht. Das Umdenken in Europa, vor allem in Deutschland bei der Abhängigkeit von russischem Gas und Öl könnte eine Chance für Spanien sein. Schon vor Jahren sollte der Zugang zu Rohstoffen in Nordafrika nach Mitteleuropa gestärkt werden. Doch die französische Regierung von Macron blockierte den Ausbau einer Leitung durch Frankreich. Die EU-Kommission hat die Idee nun wieder aufgewärmt. Zudem hat Spanien sechs Aufbereitungsanlagen für den Import von Flüssiggas, während Deutschland erst welche baut. „Wir sehen Spanien als Brücke und Erzeuger erneuerbarer Energien“, sagte der deutsche Botschafter in Madrid, Wolfgang Dold, am Dienstag (1.3.).