Homeoffice ist eine tolle Sache – erst recht, wenn man die Arbeit statt im regnerischen Deutschland auch mal im sommerlichen Mallorca erledigen kann. Doch die Flucht vor nordischen Niederschlägen auf die Sonneninsel hat Grenzen – oder sollte sie haben. Zumindest, wenn man nordrheinwestfälische Umweltministerin ist und das eigene Bundesland gerade in einer historischen Flutkatastrophe untergeht. In diesem Fall, Hand aufs Herz, ist es ratsam, einen Mallorca-Aufenthalt erst einmal aufzuschieben – und sei es nur um der Wählergunst willen.

Wenn Ursula Heinen-Esser ganz ehrlich zu sich ist, dann wird sie das sicherlich auch selbst so sehen. Doch Fehler einzugestehen, liegt eben nicht jedem. Es war am 15. Juli 2021, als die CDU-Politikerin ihren Urlaub in ihrer Zweitwohnung auf Mallorca unterbrach, um nach NRW zu fliegen, wo die Flutkatastrophe viel Leid und große Schäden hinterlassen hatte. So weit, so pflichtbewusst.

Vier weitere Tage auf Mallorca

Doch zwei Tage später, am 17. Juli, ging es für die Umweltministerin bereits wieder zurück nach Mallorca. Angeblich, wie Heinen-Esser später rechtfertigte, um ihre 15-jährige Tochter abzuholen, die derweil in der Obhut von Freunden auf der Insel geblieben war. Auch das mag noch nachvollziehbar sein – nicht aber die Tatsache, dass Heinen-Esser dann noch einmal vier weitere Tage auf Mallorca geblieben sein soll.

„Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits 49 Tote, und die Menschen standen bis zur Hüfte im Schlamm. Eine Talsperre im Kreis Euskirchen drohte zu brechen, und es gab Trinkwasserprobleme“, so Stefan Kämmerling zur MZ. Der SPD-Abgeordnete leitet den Untersuchungsausschuss „Flutkatastrophe“, den die Opposition ins Leben gerufen hat. Er soll klären, ob die Regierenden adäquat mit der Krise umgegangen sind. Heinen-Essers Mallorca-Eskapade ist dabei nur ein Punkt von vielen – mit Sicherheit aber der medienwirksamste.

Ministerin sei "jederzeit ansprechbar" gewesen

Die CDU verteidigt ihre Ministerin. Sie sei auch von Mallorca aus „jederzeit ansprechbar“ gewesen und habe „unmittelbar alles veranlasst“, um Probleme mit Müll und Verunreinigungen in den Griff zu bekommen. Von wo aus sie das getan habe, sei „zweitrangig“, ließ die CDU in deutschen Medien verlauten – auf MZ-Anfragen reagierte die Fraktion in NRW nicht.

In einer Sondersitzung des Ausschusses soll die Umweltministerin bald erneut Rede und Antwort stehen.Für die Grünen steht jetzt schon fest: Das Umweltministerium sei an den entscheidenden Tagen ein „Totalausfall“ gewesen. Ein umfassendes Krisenmanagement einschließlich der notwendigen Warnung der Bevölkerung habe es nicht gegeben.

Bei der schlimmsten Naturkatastrophe vor Ort sein

Stefan Kämmerling von der SPD, der selbst aus dem betroffenen Eschweiler kommt, fordert indes Heinen-Essers Rücktritt – es sei denn, sie könne doch noch „gute Gründe“ für ihren mehrtägigen Auslandsaufenthalt nennen. Noch warte man auf überzeugende Antworten. „Sperrmüll, Kadaver, Öltanks – da war alles im Wasser, was dort nicht hineingehört. Wie soll man so eine Situation von Mallorca aus beurteilen können?“

Und selbst wenn: „Wenn eine Umweltministerin während der schlimmsten Naturkatastrophe der Geschichte nicht im Land sein muss, wann dann?“, fragt Kämmerling. Ein Kapitän versuche sein untergehendes Schiff ja auch nicht vom Land aus zu retten. „Sie kann gerne ihre Wohnung auf Mallorca haben, aber sie muss vor Ort sein, wenn es darauf ankommt“, sagt der SPD-Politiker.