Ziemlich genau ein Jahr ist es noch, bis die Bürger der Balearen wieder an die Wahlurne gerufen werden. Im Mai 2023 wird sich entscheiden, ob die Linksregierung unter der sozialistischen Ministerpräsidentin Francina Armengol eine dritte Legislaturperiode bekommt oder ob die Vorsitzende der größten Oppositionspartei, der konservativen PP, Marga Prohens, eine neue Regierung bilden darf. Festzustehen scheint bisher nur, dass es auf jeden Fall eine Ministerpräsidentin wird. Männlichen Kandidaten der anderen Parteien werden keine Chancen auf das höchste politische Amt auf den Balearen eingeräumt.

Die MZ hat mit politischen Beobachtern auf der Insel gesprochen – dem Politologen Xim Valdivielso, dem Tourismus-Professor Juan Franch Fluxà (beide von der Balearen-Universität UIB) sowie dem ehemaligen Bürgermeister von Palma, Ramón Aguiló – und zeichnet ein aktuelles Stimmungsbild.

Die Regierungskoalition

Francina Armengol hat die Balearen einigermaßen ruhig durch die stürmische Zeit der Pandemie geführt. „Es ist ein großer Verdienst von ihr, die Effekte der Pandemie abgemildert zu haben“, sagt Xim Valdivielso. Es gab vergleichsweise wenige Corona-Tote auf den Inseln, dafür haben teilweise strenge Einschränkungen zu einer drastischen Verringerung der Wirtschaftsleistung geführt. Vor allem der Einbruch des Tourismus hat den Balearen schwer zugesetzt. Natürlich liegt das nicht allein an der Politik von Armengol. Doch Juan Franch Fluxà vertritt die Meinung, dass sich die Ministerpräsidentin zu sehr auf das Pandemie-Management konzentriert habe. „Seit Jahren gibt es keine gemeinsame Linie innerhalb der Linksregierung im Hinblick auf strategische Fragen“, sagt er. Er konstatiert Ermüdungserscheinungen in der Bevölkerung nach sieben Jahren Amtszeit von Armengol.

Das erste Mal nach der Pandemie wieder wirklich eigenes Profil konnte Armengol Anfang des Jahres mit dem Tourismusgesetz zeigen, das wohl wichtigste Vorhaben der Legislaturperiode. Es nimmt langsam Formen an (S. 7) und stößt gerade bei den Hoteliers, die üblicherweise näher bei der konservativen PP verortet werden, auf Zustimmung. Dazu dürfte auch der offene Verhandlungsstil von Armengol sowie ihrem Vize und Tourismusminister Iago Negueruela beitragen.

Es gab aber auch Rückschläge. Vor allem mit dem Koalitionspartner Més knirsche es häufiger. Dabei kam ein eigenes Profil von Més oftmals zu kurz: „Die Partei hat sich unfähig gezeigt, eine eigene Tourismusstrategie zu formulieren, die im Einklang mit Umweltschutzaspekten steht“, sagt Xim Valdivielso. In der Anhängerschaft der Partei sieht der Politologe deutliche Anzeichen von Frust, auch weil sich nach zwei Jahren Corona-Pandemie in diesem Jahr erneut abzeichnet, dass die Insel im Sommer wieder an ihre Grenzen stoßen dürfte. Més habe es verpasst, eine Strategie gegen das Phänomen des Overtourism zu entwickeln.

Auch beim zweiten Koalitionspartner Podemos könnte die Stimmung durchaus besser sein. Ramón Aguiló etwa geht davon aus, dass sich die landesweite Krise der mit großen Zielen angetretenen Protestpartei auch auf den Inseln niederschlagen dürfte. Allerdings verfügt Podemos auch über ein Zugpferd: die beliebte Arbeitsministerin Yolanda Díaz.

Die Opposition

Zentrales Thema der kommenden Monate dürfte die weltweite Gemengelage mit deutlich steigenden Preisen und der drohenden Wirtschaftskrise werden. Der Frust in der Bevölkerung über die Inflation ist groß. Diese spielt sowohl in Europa als auch auf den Inseln eher den rechten Parteien in die Hände, wie aktuelle Umfragen zeigen.

Da steht auf den Balearen an vorderster Front Marga Prohens. Ihre Wahl zur Vorsitzenden der konservativen Volkspartei (PP) und damit deren Spitzenkandidatin war überfällig. Der bisherige Vorsitzende Biel Company konnte niemanden mehr von den Sitzen reißen. Der 39-Jährigen aus Campos wird das schon eher zugetraut. Prohens allerdings muss mit erschwerten Bedingungen kämpfen, weil sie mehrere Tage in der Woche in Madrid im Senat sitzt. Die Abwesenheit ist für eine Schärfung des Profils eher abträglich.

Darüber hinaus konnten Prohens und ihre PP aufgrund der Pandemie in den vergangenen zwei Jahren nicht wirklich eigene Themen setzen. Sie schoss hier und da scharf gegen Armengol, versuchte, kleinere Fehler auszuschlachten – wirklich in Bedrängnis konnte sie die Ministerpräsidentin damit aber nicht bringen. Auch weil die Amtsinhaberin es verstand, die mächtige und prinzipiell eher konservative Hoteliersriege beim Tourismusgesetz mit ins Boot zu holen.

Die Balearen-PP blieb zwar blass, die Konturen der Partei sind schwer zu fassen. Allerdings gibt es landesweit Auftrieb durch den neuen PP-Chef Alberto Núñez Feijóo aus Galicien, der die Partei wieder vereint hat. Trotzdem haben die Konservativen das Problem aus der rechten Ecke: die Partei Vox, die mit stramm rechten Parolen in den Wahlkampf geht, sich in wirtschaftlich unsicheren Zeiten wachsender Beliebtheit erfreut und die PP vor sich hertreibt. „Es sind nicht alles Franco-Verherrlicher, die Vox wählen“, sagt Valdivielso. „Die Partei erhält auch viel Zuspruch von jungen Leuten, die von den traditionellen Parteien enttäuscht sind und höchst kritisch auf das politische System im Land schauen.“

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Die Chancen

A priori darf Francina Armengol mit dem Bonus der Amtsinhaberin und der achtjährigen Regierungserfahrung als Favoritin gewertet werden. Die 50-Jährige aus Inca erreicht viele Menschen mit ihrer Ausstrahlung, gilt als verbindlich und äußerst dialogorientiert. Das dürfte sie denn auch Marga Prohens voraushaben, die Vergleichbares erst noch beweisen muss. Die PP-Kandidatin allerdings könnte vom Schwung der rechten Parteien in Spanien profitieren – wenn sie denn die richtigen Worte im Wahlkampf findet.