Über Jahrzehnte hatte Giorgia Meloni keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater Francesco Meloni. Die Vorsitzende der rechtsradikalen italienischen Partei Fratelli d’Italia, die bei den Parlamentswahlen am Sonntag (25.9.) die meisten Stimmen auf sich vereinte, hatte ihre Gründe, sich von dem vor zwei Jahren Verstorbenen zu distanzieren. Und das geschah sogar schon bevor der Vater 1996 auf Mallorca zu neun Jahren Haft wegen Drogendelikten verurteilt wurde, wie die MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca“ am Mittwoch (28.9.) berichtet.

Demnach wurde Melonis Vater im September 1995 auf Mallorcas Schwesterinsel Menorca festgenommen, zusammen mit zwei Söhnen aus einer zweiten Beziehung mit einer Frau auf La Gomera sowie einem Schwiegersohn. Laut dem Urteil hatte er knapp 1.500 Kilo Haschisch auf einem Segelschiff von Marokko nach Menorca transportiert – wobei die „Cool Star“ offenbar nur wegen eines Unwetters Maó angelaufen hatte. Francesco nahm alle Schuld auf sich – seine Mitreisenden hätten nichts von der Fracht gewusst und das Boot verlassen wollen, als sie davon erfahren hätten, erklärte er. Dennoch wurden die drei zu jeweils vier Jahren Haft verurteilt.

Giorgia Meloni verbrachte auf La Gomera sorglose Sommerferien

Zwischen Giorgia Meloni und ihrem Vater herrschte offenbar schon damals totale Funkstille. Das Zerwürfnis hatte begonnen, als Francesco Meloni in den 80er-Jahren seiner Familie in Rom den Rücken kehrte und mit einer neuen Lebensgefährtin auf die Kanaren zog. Während ihrer Kindheit besuchte Giorgia zusammen mit Schwester Arianna ihren Vater auf La Gomera praktisch nur in den Sommerferien. Der frühere Buchhalter besaß das Restaurant Marqués de Oristano.

Hier auf La Gomera verbrachten die Mädchen sorglose Wochen, es kam aber auch beinahe zur Tragöde: Im Alter von drei Jahren wäre Meloni fast ertrunken, bei einem Bootsausflug mit einem Kindermädchen, das nicht schwimmen konnte. In ihrer Biografie erzählt die Politikerin denn auch, dass ihre größte Angst die vor dem Ertrinken sei. Die letzten Ferien auf La Gomera verbrachte Meloni mit elf Jahren – es kam zum heftigen Streit mit dem Vater. Letzter Kontakt soll ein unpersönliches Glückwunschtelegramm zum 13. Geburtstag der Tochter gewesen sein.

Bis zum Tod ihres Vaters hatte Giorgia Meloni keinen Kontakt

Grund für die Drogenfahrt des Vaters waren offenbar wirtschaftliche Schwierigkeiten. Francesco Meloni lebte nach dem Urteil noch weiter auf den Balearen – und ging in die Politik. Für das Wahlbündnis Ciudadanos en Blanco trat er gleich zwei Mal bei Regionalwahlen auf der Insel an. Doch weder 2007 noch 2011 gelang der Bürgerinitiative der Einzug in die politischen Institutionen. Ziel war eine Reform des Wahlrechts, konkret die separate Auszählung von Blankostimmen bei politischen Abstimmungen.

Selbst als Francesco schwer an Leukämie erkrankte, nahm die Tochter keinen Kontakt mehr auf. Der Vater starb dann schließlich vor zwei Jahren. „Ich fühlte weder Hass noch Schmerz. Ich fühlte gar nichts, als sei eine Figur aus dem Fernsehen gestorben“, so Meloni in einem Interview im italienischen Fernsehen.

Die rechte Ideologie von Giorgia Meloni basiert auf der Ablehnung gegen ihren Vater

So gering der Kontakt, so intensiv die politischen Folgen. Die rechte Politikerin baut ihre Ideologie offenbar auf der Ablehnung von all dem auf, was Francesco Meloni für sie verkörperte – wie die 45-Jährige in ihrer Biografie auch mehr oder weniger offen einräumt. Ihr Vater war ein Atheist und Linker, der die Familie im Stich gelassen hatte, als sie noch ein Kleinkind war.

Heute setzt sich die Politikerin aggressiv für das traditionelle Familienbild ein. Wie klar – und rechtsextrem – ihre politischen Ansichten sind, brachte die ehemalige Journalistin nicht zuletzt im Juni bei einer Wahlkampf-Veranstaltung der spanischen Partei Vox in Andalusien zum Ausdruck – wohl dank ihrer La-Gomera-Aufenthalte konnte sie ihre Parolen dabei auf Spanisch skandieren.