Superwahljahr 2023: Was auf Mallorca auf dem Spiel steht und was das mit den Ausländern zu tun hat

Die ausländischen Residenten können sich bei den Kommunalwahlen beteiligen - so sie denn ins Wahlregister eingetragen sind

Erstkontakt mit den ausländischen Wählern: Bürgermeisterin Estefanía Gonzalvo in Camp de Mar.

Erstkontakt mit den ausländischen Wählern: Bürgermeisterin Estefanía Gonzalvo in Camp de Mar. / Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Was für eine Gelegenheit: endlich der Bürgermeisterin persönlich schildern, was in Camp de Mar und den weiteren Gemeindeteilen von Andratx besser laufen könnte. Zum Beispiel die Probleme mit den verwilderten Ziegen. Sie dringen in Grundstücke ein, fressen Pflanzen ab, beschädigen Autos, erschrecken Anwohner. „Im Winter haben wir mehr Ziegen als Einwohner in Camp de Mar“, klagt Catha Moses, Hausverwalterin von mehreren Eigentümergemeinschaften in dem Küstenort.

Estefanía Gonzalvo, Bürgermeisterin von Andratx, kennt das Problem natürlich, so wie alle Politiker der Tramuntana-Gemeinden auf Mallorca. „Ich werde es an das Umweltministerium weitergeben“, verspricht die Vorsitzende des Ortsverbands der konservativen Volkspartei (PP), und Catha Moses übersetzt spontan Frage wie Antwort ins Deutsche und Englische, damit auch die weiteren Gäste der Versammlung im Restaurant Campino in Camp de Mar alles verstehen. Katzenkolonien, Rattenplagen, ungepflegte Gehwege – Gonzalvo hat auf alle Fragen der knapp zwei Dutzend deutschen und britischen Residenten eine Antwort, und für alle Fälle gibt sie ihre Visitenkarte mit ihrer Handynummer herum. „Sie können mich gern anrufen oder eine WhatsApp schicken!“

Der Vorwahlkampf hat begonnen

Noch knapp ein halbes Jahr ist es bis zu den Kommunalwahlen am 28. Mai 2023, doch der Vorwahlkampf hat bereits begonnen. Die PP in Andratx, die nach einer Regierungskrise des Linksbündnisses im Rathaus vor einem halben Jahr an die Macht kam, bereitet den Boden dafür, dass möglichst viele ausländische Residenten ihre Stimme abgeben – immerhin stellen die EU-Ausländer knapp ein Viertel der Einwohner von Andratx. Obwohl sie im Gegensatz zu den gleichzeitig stattfindenden Wahlen zum Inselrat und zum Balearen-Parlament den Bürgermeister mitwählen dürfen, machen davon bislang nur wenige Gebrauch. Deswegen hat Gonzalvo auch gleich einen mehrsprachigen Flyer mitgebracht. „Voraussetzung für Abstimmung der Ausländer bei Kommunalwahlen“, steht darauf.

Die ausländischen EU-Residenten haben den Ruf, bevorzugt konservativ zu wählen – wenn sie denn zur Wahl gehen. Bei der Versammlung in Camp de Mar reicht als Argument für die PP im Prinzip schon der Hinweis auf die Pläne der balearischen Linksregierung, den Wohnungskauf für Nicht-Residenten zu beschränken. „Damit sind wir nicht einverstanden“, stellt die Bürgermeisterin klar. Wo anderswo über Gentrifizierung, Wohnungsnot oder den Schutz des Katalanischen gesprochen wird, lobt Gonzalvo die Ausländer als gleichwertige Bürger mit gleichen Rechten, die sich gern auch einbringen sollen in die Politik.

Wechselstimmung auf der Insel?

Anders als im Rathaus von Andratx, wo es Gonzalvo im Juli gelang, den sozialistischen Bürgermeister abzulösen, bestimmt in der Landesregierung, im Inselrat und in Palma noch ein Linksbündnis das Geschehen. Wird es 2023 nach inzwischen zwei Legislaturperioden von den Konservativen abgelöst? Gibt es wirklich eine Wechselstimmung auf den Inseln? Die Ministerpräsidentin Francina Armengol kann sich als erfolgreiche Krisenmanagerin sowie mit Fortschritten in der Sozialpolitik und Hilfspaketen in Szene setzen. Gleichzeitig knirscht es im Linksbündnis: Die linksökologische Regionalpartei Més per Mallorca, neben Podemos Juniorpartner der Sozialisten, lebt ihr Unwohlsein mit dem Massentourismus öffentlich aus und kritisiert alle gemeinsam auf den Weg gebrachten Initiativen für mehr Nachhaltigkeit als unzureichend. Würde da ohne Weiteres eine Neuauflage der Koalition gelingen?

Alice Weber kandidiert erneut in Inca

„Die Parteien vergessen vor den Wahlen manchmal die nötige Großzügigkeit und Verständigung untereinander, und das ist ein Fehler“, meint Alice Weber, Kulturstadträtin für Més per Mallorca in Inca. Die derzeit einzige deutsche Kommunalpolitikerin auf Mallorca zeigt sich aber zuversichtlich, dass es auf den Balearen dennoch zu einer Neuauflage des Linksbündnisses kommen werde, in Inca sowieso. Sie spüre auf der Straße, wie zufrieden die Menschen gerade mit der Kultur- und Bildungspolitik der vergangenen Jahre seien.

Das sei auch mit ein Grund, warum sie nun doch noch einmal als Spitzenkandidatin für Més in Inca antrete, ein letztes Mal, wie sie sagt. „Die Kulturpolitik soll keine Blume sein, die nach acht Jahren verwelkt, sie soll Wurzeln schlagen können.“ Nach ihrer Politikzeit will die frühere Pharmaziereferentin dann künftig als Lehrerin an der Schule arbeiten, zu der sie sich inzwischen weitergebildet hat.

Das rechte Spektrum

Zunehmend an Profil gewinnt derzeit die andere Regionalformation auf den Balearen: El Pi. Die Zentrumspartei hat sich neu aufgestellt und mit Jaume Garau einen erfahrenen Wahlkampfstrategen an Bord geholt. Der Unternehmensberater hatte im Jahr 2015 der Partei Més per Mallorca das beste Ergebnis ihrer Geschichte beschert, bevor er wegen eines Skandals um öffentliche Aufträge in Ungnade fiel. Doch wie wird sich El Pi als mögliches Zünglein an der Waage verhalten? Würde die Partei einen Mitte-links-Pakt mittragen oder stattdessen der PP zur Macht verhelfen?

Die Hoffnung der oppositionellen Konservativen, aus eigener Kraft eine Regierungsmehrheit zu holen, kann jedenfalls nur Plan A sein. Wäre Plan B oder C ein Bündnis light mit der Rechtspartei Vox, die in Spanien weiter im Aufwind ist? Die Vorsitzende Marga Prohens hält sich bedeckt, auch nachdem der PP in Spanien ein Schmusekurs mit der Krawallpartei teuer zu stehen kam. In jedem Fall hat die PP mit Prohens eine rhetorisch gewandte und angriffslustige Spitzenkandidatin. Inhaltlich zeichnet sich ein Klassiker ab: die PP als Steuersenkungspartei, die Sozialisten als Retter des Sozialstaats.

Die Themen

Es sind Themen, auf die die deutschen Wähler nur wenig Einfluss haben, sie bestimmen schließlich nur die Politik im Rathaus mit. Und selbst das nur ein bisschen. Von den derzeit knapp 45.000 EU-Ausländern mit Wohnsitz auf den Balearen sind bislang nur gut 16.000 ins Wahlregister eingetragen. Und wer von diesen zur Wahl geht, steht auf einem anderen Blatt.

Zumindest die Residenten beim Treffen in Camp de Mar wollen diesmal mit von der Partie sein. Wer noch Argumente braucht, für den hat die Bürgermeisterin weitere in petto. Grund- und Kfz-Steuer habe man gesenkt, 2023 soll es Gutscheine für den Einzelhandel geben. Und was den wegen Wartungsarbeiten gesperrten Tunnel von Peguera angeht, damit sei sie in keiner Weise einverstanden. „Ich habe mich deswegen von Anfang an mit dem Dezernenten des Inselrats angelegt“, sagt sie.

So trägt man sich korrekt ins Wählerregister im Rathaus ein

Um als EU-Ausländer an den Kommunalwahlen auf den Balearen teilnehmen zu können, muss man sich einmalig ins Wählerregister eintragen. Wer dies in der Vergangenheit noch nicht getan hat, bekommt einen Brief des spanischen Statistik-Instituts INE. Darin wird ein persönlicher Code zugeteilt, den man auf der Website der Behörde angeben kann. Um sich ins Wählerregister einzutragen, muss man legal in Spanien gemeldet sein und seinen Wohnort im jeweiligen Rathaus angemeldet haben (empadronamiento). Die Frist endet für die kommenden Gemeindewahlen am 30. Januar 2023. Wer umgezogen ist, sollte sich versichern, die richtige Adresse hinterlegt zu haben.

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