Wahlen auf Mallorca: Francina Armengol – die dialogbereite Krisenmanagerin

Die Ministerpräsidentin könnte im Fall eines weiteren Wahlsiegs Geschichte schreiben. In ihrer Partei ist sie ein unumstrittener Star

Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol

Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol / B. Ramon

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

„La presidenta“ steht auf dem Plakat, das die Fassade des Parteisitzes der Sozialisten bedeckt. Die Präsidentin. Punkt. Dazu kein Foto von Francina Armengol, sondern ein Porträt von ihr des Illustrators Jaume Vilardell. „Nur Ministerpräsidentin Francina Armengol kann Stabilität und Wohlstand auf den Balearen auch in Zukunft garantieren“, verkündet die Partei.

Jungpolitiker in der oppositionellen Volkspartei machen sich daraufhin über die idealisierte Illustration der sozialistischen Spitzenkandidatin lustig und verbreiten in den sozialen Medien einen mit künstlicher Intelligenz veränderten Werbespot der Parfümmarke Dior: Statt der Schauspielerin Charlize Theron entsteigt Francina Armengol in verführerischer Pose dem Wasser. Der manipulierte Spot wird nach harscher Kritik schnell wieder gelöscht. Die PP entschuldigt sich, es gibt Kritik aus den eigenen Reihen – man mache unfreiwillig Werbung für den politischen Kontrahenten.

Unangefochtener Star der Sozialisten

Armengol ist der unangefochtene Star der Sozialisten auf den Balearen – und könnte mit einer dritten Amtszeit in Folge Geschichte schreiben, falls die Stimmen an diesem Sonntag (28.5.) wieder für ein Linksbündnis reichen sollten. So weit wie die heute 51-Jährige hat es noch niemand in der PSIB gebracht, wie die Partei auf den Inseln heißt. Mit einer dritten Amtszeit zöge sie praktisch auch mit Gabriel Cañellas gleich, dem Balearen-Premier der Konservativen zwischen 1983 und 1995 – mit dem Unterschied, dass Armengol bislang weitgehend skandalfrei regiert.

Ihre Anhänger feiern sie, ihre politischen Gegner zollen ihr Respekt. „Armengol ist eine harte und schwierige Kontrahentin“, äußerte vor Kurzem der andalusische PP-Ministerpräsidentin Juanma Moreno in einem Interview. Sogar Spanien-Premier Pedro Sánchez hege Argwohn, dass ihm Armengol den Parteivorsitz der spanischen Sozialisten streitig machen könne, frotzelt Matías Vallés, Kolumnist der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca“.

„Ich habe das Glück, in einer sehr politischen Familie aufgewachsen zu sein“

Politisches Rüstzeug

Dabei ist die Politikerin fest auf Mallorca verwurzelt. Ihr ideologisches Rüstzeug hat sie von ihrer Familie, die in der Altstadt von Inca eine Apotheke führt. Ihr Vater Jaume Armengol war Anfang der 1990er-Jahre Bürgermeister der Leder-Stadt, zusammen mit seinem Bruder Antoni, einem pensionierten Geschichtslehrer, verarbeitete er die Verbrechen in Bürgerkrieg und Franco-Diktatur (1936–1975) in mehreren Büchern. „Ich habe das Glück, in einer sehr politischen Familie aufgewachsen zu sein“, so Armengol gegenüber der MZ im Jahr 2019. „Ich wusste von klein auf, wer in Inca ermordet und irgendwo verscharrt worden war. Mir wurde klar, dass ich in einem Land lebe, in dem viele Menschen ihr Leben im Kampf für die Demokratie verloren haben. Diese Gespräche haben mich in die Politik geführt.“

Armengol studierte Pharmazie in Barcelona und engagierte sich bereits an der Universität politisch. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie zwischen 1995 und 1999 in der Familienapotheke. In dieser Zeit begann aber auch ihre politische Karriere bei den Sozialisten. 1997 wurde sie Vizegeneralsekretärin der Sozialisten auf Mallorca, 1998 Stadträtin in Inca, 1999 Abgeordnete im Balearen-Parlament und im Inselrat, 2000 dann Generalsekretärin der Sozialisten auf Mallorca. „Die Partei hat gleich gemerkt, aus welchem Holz Francina geschnitzt ist, und hat sie nach Palma geholt“, so Vater Jaume Armengol in einem Interview mit der MZ.

Von Antich gelernt

Es war die Zeit des ersten Fortschrittspakts von Premier Francesc Antich, die Zeit einer ersten Touristensteuer, der Ecotasa. Armengol stand als stellvertretende Fraktionssprecherin noch in der zweiten Reihe – und dürfte in diesen vier turbulenten Jahren viel von Antich gelernt haben. „Ich schätze ihn sehr, er ist mein politisches Vorbild und die Person, die mir am meisten geholfen hat“, so Armengol in einem Interview zu Jahresbeginn.

Mit dem Machtwechsel 2003 und der Rückkehr der PP an die Macht schlug dann die Stunde der Sozialistin aus Inca: Sie löste Antich im Amt des Generalsekretärs auf den Balearen ab und konnte sich als Oppositionsführerin gegen PP-Premier Jaume Matas profilieren. Antich kandidierte zwar erneut 2007, nun allerdings mit Armengol als Spitzenkandidatin für den politisch erstarkenden Inselrat – und der Fortschrittspakt bekam eine zweite Chance.

2007 regiert Armengol den Inselrat, hier im MZ-Interview.  foto: Terrassa

2007 regiert Armengol den Inselrat, hier im MZ-Interview. foto: Terrassa / Frank Feldmeier

Griff nach der Macht

Mit Armengol wehte ein frischer Wind im Consell, den bislang die legendäre und später wegen Korruption verurteilte Machtpolitikerin Maria Antònia Munar beherrscht hatte. Es war allerdings die Zeit, als immer mehr Skandale aus der Matas-Ära bekannt wurden. Und diese betrafen nicht nur die PP, sondern auch die Munar-Partei Unió Mallorquina (UM), Koalitionspartner im damaligen Linksbündnis. Der Pakt platzte. Die Legislaturperiode ging 2011 dramatisch zu Ende, mit einer von der Wirtschaftskrise gebeutelten Minderheitsregierung.

Das Machtpendel auf den Balearen schlug wieder um. Doch die PP-Regierung von José Ramón Bauzá verlor mit ihrer radikalen Sparpolitik, vor allem aber mit ihrem Frontalangriff auf die Inselsprache schnell an Popularität. Gleichzeitig stellte sich das linke Lager neu auf. Die Regionalpartei Més per Mallorca wurde geboren, auch die Protestpartei Podemos – Armengols künftige Koalitionspartner.

Mit einem Erdrutschsieg zog die Sozialistin 2015 in den Regierungssitz Consolat de Mar ein – und hat sich dort über zwei Legislaturperioden gehalten, 2019 sogar den Stimmenanteil auf Kosten ihrer Juniorpartner ausgebaut. Immer wieder knirschte es in der Koalition, immer wieder wurden Kompromisse gefunden – der Dialog ist für Armengol nicht nur Mittel zum Zweck, sondern ein demokratisches Gut, das sie bei jeder Gelegenheit im Munde führt: Dialog mit den politischen Partnern, Dialog mit den Bürgern, Dialog mit den gesellschaftlichen Vertretern. Armengol kann offenbar mit allen gut, zeigt sich nahbar statt arrogant und lacht gern laut und herzhaft.

Corona-Krisenmanagerin mit kleinem Makel

Die Suche nach Konsens sowie natürlich ihr Pharmaziestudium kamen ihr denn auch in der Corona-Krise zupass. Jetzt schlug die Stunde der Krisenmanagerin. Früher als andere Politiker forderte sie eine harte Beschränkung der Mobilität auf der Tourismusinsel Mallorca und handelte zusammen mit Experten sowie Gesellschaftsvertretern immer neue Corona-Regeln aus. Auch auf den Balearen gerieten die Infektionszahlen außer Kontrolle, insgesamt lief die Lage aber glimpflicher ab als in anderen Regionen Spaniens.

Eng mit der Pandemie verknüpft ist allerdings auch ein Aufreger, den ihre Gegenkandidatin Marga Prohens bis heute auszuschlachten weiß. Im Oktober 2020 wurde Armengol nach Mitternacht mit Parteikollegen vor einer Bar in Palma angetroffen. Die Ortspolizei war wegen Ruhestörung angerückt, die Bar hätte bereits geschlossen sein müssen. Das zu einer Zeit, als Treffen auf maximal sechs Personen limitiert waren. Angesichts der Restriktionen entstand wenig später in der Urlauberbranche die Protestbewegung „SOS Turismo“.

Corona bedeutete darüber hinaus die Verzögerung zentraler Vorhaben, die auf der Agenda der Linksregierung standen – nach Lesart der Sozialisten braucht es eine dritte Legislaturperiode, um nicht zuletzt mithilfe der EU-Fonds Projekte wie die Straßenbahn oder den Zug nach Artà in die Tat umzusetzen, das soziale Netz dichter zu knüpfen sowie die Mängel im öffentlichen Gesundheitssystem zu beseitigen. Und an der Wohnungsnot beißt sich der Linkspakt offenbar die Zähne aus.

Den Idealen verpflichtet

Trotz aller Ermüdungserscheinungen, der Routine im politischen Diskurs und der Phrasen, die Armengol in beliebiger Länge auf Knopfdruck abspulen kann, merkt man ihr an, dass sie weiterhin brennt: für Themen wie Demokratie, Vergangenheitsbewältigung, Solidarität mit sozial Benachteiligten oder etwa die Situation der Menschen in den Flüchtlingscamps der Westsahara. Kinder von dort kommen bei Familien auf Mallorca unter, auch Armengol nahm zwei Kinder auf.

So sichtbar die 51-Jährige auf der Politikbühne ist, so bewusst schirmt sie ihr Privatleben ab. Während Kollegen auch mal über ihre Kinder plaudern, gibt die Unverheiratete öffentlich nichts preis – ein Grundsatz, der auch von den Medien geachtet wird. Und genauso ungern redet sie natürlich über mögliche Nachfolger. Kandidaten wären Tourismusminister Iago Negueruela oder Inselratspräsidentin Catalina Cladera. Aber das ist Zukunftsmusik. Die presidenta, das ist Francina Armengol.

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