Erdbeer-Debakel in Spanien: Deutsche Parlamentarier reisen unverrichteter Dinge wieder ab

Eine Gruppe deutscher Parlamentarier wollte das Feuchtgebiet Doñana besuchen. In der aufgeheizten politischen Stimmung im Land kam das bei den Konservativen gar nicht gut an

Der Erdbeer-Anbau in Huelva steht in der Kritik.

Der Erdbeer-Anbau in Huelva steht in der Kritik. / DM

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Erdbeeren, darauf können sich die meisten einigen, sind wunderbare Früchte. So ist es doch verwunderlich, dass dieses wohlschmeckende Obst zu großen politischen Zerwürfnissen geführt hat. Doch genau das geschah auf der jüngsten Dienstreise vom Ausschuss des Deutschen Bundestags für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Regelmäßig informieren sich Parlamentarier auf Reisen über die Gegebenheiten und Probleme in anderen Ländern. Dieses Mal sagten die Politiker kurz nach Beginn des Besuchs in Spanien am Dienstag (5.6.) allerdings den Rest der Fahrt ab. Der Grund: ein Erdbeer-Debakel.

Die Abgeordneten hatten vorgehabt, sich die Folgen der Dürre im Süden Spaniens anzuschauen. Auf dem Plan stand auch ein Besuch im Nationalpark von Doñana. Damit stach die Delegation aus Deutschland ins Wespennest des innenpolitischen Schlagabtauschs, der Wochen vor den vorgezogenen Parlamentswahlen am 23. Juli an Härte weiter zugenommen hat. Seit Wochen tobt ein Streit um das umstrittene Vorhaben der konservativen Regionalregierung von Andalusien, Hunderte illegaler Brunnen rund um Doñana, die überwiegend dem Anbau von Erdbeeren dienen, zu regulieren.

Dürre in Spanien: Feuchtgebiet in Gefahr

Umweltschützer sehen in diesem Schritt eine Bedrohung für eines der wichtigsten Feuchtgebiete Europas. Die Linksregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez verurteilte die Initiative der konservativen Volkspartei PP und der rechtsextremen Vox aufs Schärfste und kündigte juristische Schritte dagegen an. Die Europäische Kommission hat Strafen angekündigt, sollte Spanien seinen Verpflichtungen beim Schutz des größten ökologischen Schutzgebietes des Kontinents nicht nachkommen. Die Unesco droht mit dem Entzug der Auszeichnung als Weltnaturerbe.

Im Ausland schlug die Sorge um das Feuchtgebiet ebenfalls Wellen, besonders in Deutschland. Ein Aufruf zum Boykott von Erdbeeren aus der andalusischen Provinz Huelva durch die Organisation Campact sammelte mehr als 150.000 Unterschriften ein. Deutsche Supermarktketten erwägen, die Produkte aus dem Sortiment zu nehmen. Die Landwirte in Huelva, die auf legale Weise Erdbeeren anbauen, fürchten ebenfalls um ihr Geschäft.

In diesem aufgeheizten Umfeld wurde vor Tagen der seit Monaten geplante Besuch der Bundestagsdelegation bekannt. In einer Pressemitteilung vom 2. Juni heißt es, dass im Mittelpunkt des „Informationsbesuchs“ die Themen Wasserknappheit und Verbraucherschutz stünden, mit besonderem Augenmerk auf die Kontroverse um den Nationalpark in Huelva. „Aufgrund illegaler Wasserentnahmen seitens der Landwirtschaft zur Bewässerung, vor allem für den Anbau von Erdbeeren, ist Doñana – einhergehend mit anhaltender Dürre – akut existenziell von Austrocknung bedroht. Diese anhaltende Problematik steht im besonderen Interesse der Delegation und wird im Fokus ihrer Gespräche stehen“, so die Mitteilung.

Zu diesen Gesprächen kam es gar nicht. Die neun Mitglieder des Ausschusses beschlossen am Dienstag, den Besuch abzubrechen, und zwar „in Anbetracht der hohen politischen Bedeutung, die die Themen der Reise in den vergangenen Tagen in den bevorstehenden spanischen Nationalwahlen gewonnen haben“. PP, Vox und die konservativen Medien beschuldigten Sánchez und die Umweltministerin Teresa Ribera, in Deutschland Stimmung gegen die Landwirte in Huelva zu machen und deren Existenz aufs Spiel zu setzen. Sánchez und Ribera hatten Meldungen über den Boykottaufruf von Campact in sozialen Netzwerken weiterverbreitet.

In den Medien wetterte man gegen die Einmischung in vermeintlich interne Angelegenheiten. „Würde Deutschland den Besuch einer Delegation spanischer Abgeordneter in den Braunkohleabbaugebieten, welche den Ort Lützerath verschlungen haben, akzeptieren? Wahrscheinlich nicht“, kommentierte das konservative Traditionsblatt ABC. Federico Jiménez Losantos, ein einflussreicher rechter Scharfmacher, schrieb in der konservativen Zeitung „El Mundo“: „Der rassistische Beigeschmack des Besuchs der deutschen Parlamentarier in Doñana ist offensichtlich.“

Umweltschutz in Spanien: Wirtschaftliche Interessen im Vordergrund

Der Ministerpräsident Andalusiens, Juan Manuel Moreno, mahnte Regierungschef Sánchez in einem Brief, dass politische Ziele und der Wahlkampf keine Berechtigung zur Verbreitung von „Falschinformationen“ seien, welche den Erdbeerbauern in Huelva schaden. Diese würden gut elf Prozent der Wirtschaftsleistung der Provinz ausmachen. Der Boykottaufruf in Deutschland habe „keinerlei argumentative Grundlage“, behauptet Moreno in dem Brief, ohne auf das Problem des Wassernotstandes einzugehen.

In Fragen des Umweltschutzes und der Bekämpfung der Erderwärmung stellt die PP in der Regel die mittelfristigen wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund, wie eben die Arbeitsplätze der Erdbeerbauern in Huelva. Vox gehört wie andere rechtspopulistische Parteien in Europa zu den Negationisten, für die der Klimawandel ein Luxusproblem urbaner Eliten ist. Nach den Erfolgen bei den regionalen und kommunalen Wahlen am 28. Mai schicken sich beide Parteien nun vielerorts an, die Regierung zu übernehmen, so auch auf den Balearen.

Auch für die vorgezogenen Parlamentswahlen am 23. Juli stehen die Chancen für die rechten Parteien derzeit gut. Der Umweltausschuss des Bundestags könnte den abgebrochenen Besuch nach den Wahlen irgendwann wieder aufnehmen. „Die Reise sollte dem fachlichen Austausch und der Informationsgewinnung zu einem Thema dienen, das im Interesse unserer beiden Länder liegt – nämlich dem Klimawandel und dessen Folgen“, schrieb die Delegation in der Mitteilung. „Wir sind zuversichtlich, dass wir diesen Austausch auch in Zukunft fortsetzen können.“ Dann möglicherweise mit neuen Ansprechpartnern in den Ministerien in Madrid.

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