Zu den akzeptierten Grundsätzen der Steuergesetz­gebung eines demokratischen Staates gehört, dass sich der Beitrag eines Bürgers - sprich: die Steuerbelastung - nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit richtet. Generell wird die Besteuerung heute auf die Einnahmen angesetzt, nicht auf den Besitzstand. Unter dem Eindruck der Schuldenkrise der öffentlichen Haushalte ist jedoch in den vergangenen Jahren die Idee der Vermögensteuer oder sogar einer einmaligen Vermögensabgabe verstärkt diskutiert worden. Mit dem Geld jener, die ohnehin viel mehr haben, als sie brauchen, könne man die Haushalte sanieren, lautet das Argument. Spanien hat dahingehend bereits zwei Maßnahmen ergriffen, nämlich die angeblich temporäre Reaktivierung der Vermögensteuer sowie die Einführung einer Bankeinlagensteuer, die nichts anderes ist, als eine zusätzliche Art, das Vermögen zu besteuern.

Nun hat die Debatte über die Vermögensteuer einen fundamentalen Makel: Sie wird von Emotionen bestimmt, die zwar nachvollziehbar sind, aber den Blick auf einige Fakten verstellen. Im Folgenden zeigen wir auf, welche Probleme die Einführung einer solchen Steuer mit sich bringt. Probleme etwa, die eine beileibe nicht reichenfreundliche Labour-Regierung in Großbritannien in den 70er Jahren dazu bewog, ihre „Wealth Tax"-Pläne aufzugeben. Die Argumente gegen die Steuer lassen sich in drei Kategorien einteilen: die Grundsätze der Steuergerechtigkeit, Probleme bei der Umsetzung sowie unerwünschte Folgewirkungen.

Ist das gerecht?

Das Prinzip der Vermögensteuer - Vermögende zahlen auf ihren Besitz eine prozentual bemessene Abgabe -, wirft zwei wichtige Probleme auf.

Besteuert wird ein Besitz, der schon einmal besteuert wurde, nämlich durch die Erbschafts- oder Ertragsbesteuerung.

Wer ist vermögend?

Die erste Frage weist auf den Konfiszierungscharakter der Vermögensteuer hin. Während die Einkommensteuer einen Teil des laufenden Einkommens fordert, rüttelt die Vermögensteuer am Besitzstand. Das ist insofern problematisch, als Besitz in einer freien Gesellschaft nicht nur ein hohes Gut, sondern auch der Motor für wirtschaftliche Tätigkeit insbesondere in Krisenzeiten ist. Es bedeutet weiter, dass ältere Bürger, die im Durchschnitt mehr Besitz haben als jüngere, benachteiligt sind. Auch wird eine unabhängige private Altersvorsorge dadurch behindert.

Wer im Sinne der Vermögensteuer als vermögend gelten kann, wird normalerweise mit dem Bonmot definiert: Jemand, der mehr hat als der dazu Befragte. Politisch erscheint die Steuer zunächst verlockend: Sie trifft eine Minderheit, weshalb die unbetroffene Mehrheit die Idee gut findet.

Ist das umzusetzen?

Vermögen ist nicht gleich Vermögen, und vor allem ist Vermögen nicht mit Liquidität gleichzusetzen, also der Fähigkeit, auf einen hohen Vermögenswert eine Summe Geld als Steuer abzuführen. Beispiel: Viele Familien sind auf dem Papier vermögend, weil sie über erheblichen Immobilienbesitz verfügen (auf den bereits eine Art von Vermögensteuer erhoben wird, nämlich die Grundsteuer), während zugleich wenig Liquidität - sprich: Geld zur freien Verwendung - vorhanden ist.

Ein weiteres Problem ist die Wertfeststellung. Die Umsetzung stellt den Gesetzgeber vor gewaltige Schwierigkeiten. Dies ist mit ein Grund dafür, dass in den vergangenen Jahrzehnten die meisten EU-Staaten die Vermögensteuer abgeschafft oder gar nicht erst eingeführt haben.

In Deutschland etwa wurde die Steuer 1995 in der damals geltenden Form für verfassungswidrig erklärt, weil der Wertansatz für ­Immobilienbesitz anders, nämlich wesentlich niedriger erfolgte als jener für sonstiges Eigentum, was als Ungleichbehandlung erachtet wurde. So einfach die Wertfeststellung bei Personen sein kann, die ohnehin nicht vermögensteuerpflichtig sind, so komplex gestaltet sie sich bei „Vermögenden". Die Folge: Nicht nur die Ermittlung der Werte, sondern auch deren behördliche Prüfung wird umso aufwendiger, je „gerechter" das Vermögensteuergesetz angelegt ist. Der britische Exkanzler Denis Healey gestand: „In fünf Jahren war es mir nicht möglich, einen (Vermögensteuergesetz-) Entwurf zu erstellen, der genug Geld einbringen würde, um den bürokratischen Aufwand zu rechtfertigen."

Ein Schlüsselaspekt ist die Unterscheidung zwischen privatem und unternehmerischem Eigentum. Um der Wirtschaft nicht zu schaden, wird unternehmerisches Eigentum oftmals von der Vermögensteuer freigestellt. Damit das funktioniert, muss der Gesetzgeber die Voraussetzungen, unter denen Eigentum als unternehmerisch anerkannt wird, genau definieren. Ein Blick in das spanische Vermögensteuergesetz macht klar, wie komplex und willkürlich diese Einstufung zwangsläufig ausfällt.

Im Bewusstsein, dass keine noch so detaillierte Regelung der Realität gerecht wird, hält sich der Gesetzgeber dann noch das Hintertürchen offen, selbst formal korrekte Besitzstrukturen abzuerkennen, wenn erachtet wird, dass es nur ums Steuer­sparen geht. Damit ist die Rechtsunsicherheit komplett. Denn nun entscheidet ein Steuerprüfer darüber, ob es sich bei einer korrekt aufgesetzten Besitzstruktur um ein legitimes unternehmerisches Projekt oder um ein Steuerschonmodell handelt. Gerade für komplexere oder unorthodoxe Geschäftsmodelle erhöht sich das Risiko damit erheblich.

Ist das erwünscht?

Astrid Lindgren ist nicht nur als Erfinderin von Pippi Langstrumpf bekannt, sondern auch für ein satirisches Märchen („Pomperipossa in Monismanien", 1976), mit der sie darauf reagierte, dass sie im seinerzeit sozialistisch regierten Schweden einer Gesamtsteuerlast (Einkommen- plus Vermögen- plus andere Steuern) von 102 Prozent ihres Jahreseinkommens unterworfen war. Diese absurde Situation wäre heute in Spanien aufgrund der Vermögensteuer wieder möglich, nämlich dann, wenn Vermögen und Einkommen in einem vom Gesetzgeber ungewöhnlich erachteten Verhältnis zueinander stehen („ungewöhnlich" hohes Vermögen versus „ungewöhnlich" niedriges Einkommen).

Nun bilden Vermögende einen eher dynamischen und mobilen Teil der Gesellschaft. Frankreich zum Beispiel hat abgesehen von der „Republikflucht" Gérard Depardieus einen massiven Kapital-Exodus hinnehmen müssen. Schätzungen sprechen von 125 Milliarden Euro Abfluss seit 1998 gegenüber 6,2 Milliarden Euro an jährlichen Einnahmen durch die besagte Steuer.

Auch Spanien hat als Traum-Wohnsitz für Ausländer an Attraktivität eingebüßt, seit es die Vermögensteuer gibt. Europaweit besteht das Dilemma für Politiker darin, dass die vielfach emotionalen Pro-Argumente einfach, die Gegenargumente hingegen komplex und technisch sind. Unser Artikel soll ein Beitrag zu einer faktenorientierten Diskussion sein.

Seminar: So sichern Sie Ihr Vermögen

Gemeinsam mit den renommierten deutschen Steuerkanzleien Strunk Kolaschnik Partnerschaft und Koblenzer Kanzlei für Steuerrecht veranstaltet European@ccounting am 26./27. September im Hotel Lindner, Portals Nous, ein Seminar zum Thema „Vermögenssicherung in unsicheren Zeiten". Infos und Anmeldung im Internet: www.europeanaccounting.net, thomas@europeanaccounting.net, Tel. 971-67 94 18.

Die Autoren Willi Plattes und Thomas Fitzner arbeiten beim internationalen Steuerbüro European@ccounting in Palma de Mallorca.