Es vergeht kaum eine Woche, da nicht ein Experte in der deutschsprachigen Medienlandschaft davor warnt, dass sich in Spanien „ein Zeitfenster schließt" und man gut beraten ist, direkt zum nächsten Notar zu laufen, um sein Hab und Gut zu den aktuell günstigen Schenkungsteuersätzen der Balearen an die lieben Nächsten zu überschreiben. Das Problem: Diesen Ratschlägen und Prognosen liegt eine extrem vereinfachende Betrachtung zugrunde, die äußerst schmerzhafte Folge­wirkungen vollkommen außer Acht lässt. Abgesehen davon darf man auch hinsichtlich der politischen Komponente des „Zeit­fensters" anderer Meinung sein, und das mit guten Argumenten.

Unter die Räder gerät aber auch der gewaltige Unterschied zwischen Spanien und Deutschland, wenn von der Erbschaft- und Schenkungsteuer die Rede ist. Auf die zentralen Unterschiede kommen wir im zweiten Teil kommende Woche zu sprechen. Gehen wir zunächst auf den konkreten Ratschlag ein. Dieser gründet auf den äußerst günstigen Steuersätzen für Erbschaften und Schenkungen auf den Balearen, die seit der Steuerreform per 1. Januar 2015 auch von Nichtresidenten aus EU-Ländern in Anspruch genommen werden können. Nachdem sich Erbschaften nicht programmieren lassen, rückt also die Schenkung in den Fokus der Aufmerksamkeit. Tatsächlich sieht die balearische Regelung mit nur sieben Prozent bei einer Schenkung an Kinder oder Ehegatten einen spanienweit unschlagbar niedrigen Steuersatz vor.

Doch Vorsicht: Mit der Bezahlung der impuesto de donaciones von 7 Prozent ist die Besteuerung nicht beendet. In Spanien fällt nämlich - anders als in Deutschland - noch die ­Einkommensteuer auf den Wertzuwachs an. Diese ist nicht vom Beschenkten, sondern vom Schenkenden zu bezahlen. Nehmen wir an, dieser hat seine Immobilie vor 20 Jahren zum Preis von 200.000 Euro erworben. Zum Zeitpunkt der Schenkung beträgt der Wert der Immobilie 1 Million Euro. Überraschung: Der Wertzuwachs in Höhe von 800.000 Euro stellt eine sogenannte „stille Reserve" dar und ist bei der Schenkung auch der Einkommensteuer (aktuell bei Nichtresidenten 24 Prozent) zu unterwerfen. Resultat: Der Schenkungsgeber zahlt Einkommensteuer für einen Vermögenszuwachs von 800.000 Euro, obwohl er für die Übertragung (Schenkung) der Immobilie keinen Cent als Gegenleistung erhält. Das gilt für Residenten ebenso wie für Nichtresidenten.

Dieser fiskalische Hinterhalt kommt für die meisten überraschend, unter anderem deshalb, weil die Schenkungsteuer in Deutschland diesbezüglich anders funktioniert. Dort überträgt der Schenkungsgeber - wenn es sich um eine Schenkung ohne Hypotheken oder Grundschulden handelt - die „stillen Reserven" (sprich: den bislang unversteuerten Wertgewinn) an den Beschenkten. Der Fiskus schlägt erst dann zu, wenn der Beschenkte die Immobilie verkauft. Die Besteuerung überspringt also die kostenlose Übertragung.

Der Grundsatz ist einfach: Das Finanzamt will an jeder Wertsteigerung des Schenkungsobjekts mitnaschen. In Spanien passiert das nur früher als in Deutschland, nämlich bereits zum Zeitpunkt der Schenkung.

Zur anspruchsvollen Rechenaufgabe wird der Vorgang, wenn die geschenkte Immobilie mit einer Hypothek belastet ist. Diese Übertragung einer Verbindlichkeit ist für das spanische Finanzamt eine Negativ-Schenkung. Mit anderen Worten: ein Verkauf. Auf diesen wird dann auch noch Grunderwerbsteuer fällig.

Jedenfalls sollten vor der heftig empfohlenen Schenkung die folgenden Risiken und Nebenwirkungen berücksichtigt werden:

1) Die mögliche Einkommensteuerbelastung für den Schenkungsgeber prüfen. Sollte aufgrund der krisenbedingten Verwerfungen des Immobilienmarktes der Schenkungswert dem Erwerbswert entsprechen oder sogar darunter liegen, fällt keine Einkommensteuer an. Ebenfalls nützlich zu wissen ist vor diesem Hintergrund, dass die spanische Einkommensteuer dann kein Problem darstellt, wenn der Schenkungsgeber seinen 65. Geburtstag hinter sich hat und seine spanische Hauptwohnsitzimmobilie verschenken will - das Gesetz sieht für diesen Fall eine Steuerbe­freiung (des Schenkungs­gebers) vor, da der Text von „Übertragung" spricht, nicht von Verkauf, und eine Schenkung ist eine Übertragung.

2) Die Belastung mit Grunderwerbsteuer bei Schenkung einer Immobilie mit Übertragung der Hypothek auf den Beschenkten.

3) Die Steuerfolgen in Deutschland prüfen. Sind die Freibeträge ausgenutzt? Welche Schenkungssteuer fällt in Deutschland an? Der Vorgang ist dort dem Finanzamt gegenüber mit einer entsprechenden Schenkungs­steuererklärung anzuzeigen. Überdies teilt das spanische Finanzamt aufgrund des bestehenden Informationsaustausches seit dem 1. Januar 2015 solche Schenkungen automatisch dem deutschen Finanzamt mit. Bei der Erbschaft- und Schenkung­steuer gibt es zwischen Spanien und Deutschland kein Doppelbesteuerungsabkommen.

In Deutschland wird die in Spanien gezahlte Schenkungssteuer von 7 Prozent nur in der Höhe angerechnet, wie deutsche Schenkungssteuer angefallen wäre. Das bedeutet, dass der Vorgang in Deutschland berechnet werden muss, als würde die Immobilie in Deutschland liegen und dort verschenkt. Nur die so errechnete Schenkungssteuer wird angerechnet. Richtig kompliziert wird die doppelte Besteuerung, wenn nach Schenkung einer mit Hypothek belasteten Immobilie aufgrund der unterschiedlichen Behandlung der stillen Reserven ein und derselbe Vorgang in Deutschland und Spanien bis zu einer Veräußerung steuerlich auf zwei unterschiedlichen Schienen läuft und in beiden Ländern mit unterschiedlichen Wertansätzen gearbeitet wird - möglicherweise über Jahrzehnte.

Im zweiten Teil erklären wir unter anderem jenen Unterschied zwischen dem spanischen und deutschen Erbschaftsteuergesetz, als dessen Folge dem spanischen Staat alljährlich Milliarden an möglichen Steuereinnahmen entgehen.

Die Autoren Willi Plattes und Thomas Fitzner arbeiten beim internationalen Steuerbüro European@ccounting