Die Lektüre der 93 Seiten langen Steuersünder-Liste, die das spanische Finanzamt am 23. Dezember veröffentlicht hat, dürfte so manchem Insel-Bewohner die Weihnachts­feiertage ganz schön vermiest haben. Mindestens 60 Personen oder Unternehmen, die darin aufgeführt werden und dem Fiskus zusammen rund ­250 Millionen Euro schulden, sind laut der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" auf Mallorca und den anderen Balearen-Inseln ansässig. Auch nach deutschen Insel-Unternehmern muss man in der Schuldner-Liste nicht lange suchen: Balearenweit auf den obersten Plätzen rangiert das Immobilienunternehmen Kühn & Partner mit einer Steuerschuld von 3,73 Millionen Euro, etwas weiter unten folgt die Gesellschaft Engels & Volkers Mallorca Southwest SL mit Schulden in Höhe von 1,81 Millionen Euro.

Wer aber denkt, dass den Steuerfahndern damit zwei namhafte deutsche Insel-Makler ins Netz gegangen sind, der irrt - jedenfalls haben beide Unternehmen plausible Erklärungen parat, wonach sie vollkommen zu Unrecht als Steuersünder an den Pranger gestellt werden.

Wie Jorge Sáinz de Baranda, der Anwalt von Immobilienunternehmer Matthias Kühn, erläutert, schulde die öffentliche Verwaltung seinem Mandaten wesentlich mehr Geld als dieser dem Fiskus. Da Kühn der Bau einer zuvor genehmigten Villensiedlung auf dem Areal Muleta II in Port de Sóller verweigert wird, stünden der Unternehmensgruppe mindestens 45 Millionen Euro Schadenersatz zu. Auf diesen Wert wurden die Grundstücke, die Kühn 1999 als Bauland erworben hatte, im Rahmen eines Vergleichs vor dem Obersten Balearischen Gerichtshof 2013 von mehreren Gerichtsgutachtern taxiert. „Auch wenn diese Summe die Landesregierung schuldet, könnte man das problemlos mit der weitaus kleineren Steuerschuld verrechnen", ist Jorge Saínz überzeugt. Schließlich handle es sich in beiden Fällen um Staatsgelder. Was dagegen nicht angehen könne, sei, jemanden öffentlich als Steuerhinterzieher abzustempeln, dabei aber nur die halbe Wahrheit zu erzählen. „Es sollte auch eine Liste geben, in der die Schulden der Verwaltung aufgeführt werden, das wäre nur gerecht."

Vielleicht noch größeres Kopfzerbrechen bereitet die Steuersünder-Liste dem Immobilienunternehmen Engel & Völkers, das angesichts der darin genannten Engels & Volkers Mallorca Southwest SL um seinen guten Ruf bangt - die falsche Schreibweise ist da offenbar nur ein geringer Trost. Die besagte Gesellschaft habe überhaupt nichts mit Engel & Völkers zu tun und gehöre seit über zehn Jahren nicht mehr zur Unternehmensgruppe, wie die Zentrale in Hamburg umgehend mitteilen ließ.

Die Unternehmensgruppe Engel & Völkers basiert auf einem Franchise-System. Die Engels & Volkers ­Mallorca Southwest SL habe zwar in der Vergangenheit eine Franchise-Lizenz erworben, diese aber bereits vor über zehn Jahren weiterverkauft, erläutert Hans Lenz, der aktuelle ­Geschäftsführer von Engel & Völkers Mallorca Southwest. Heute gehöre die Lizenz der Engel Mallorca Invest SL. „Da gab es also einen klaren Schnitt."

Die bezifferte Steuerschuld liege somit bei den ehemals Verantwortlichen der Gesellschaft mit dem zum Verwechseln ähnlich klingenden Namen, die laut Handelsregister seit 2013 nicht mehr aktiv ist. „Sie führen aktuell ein anderes Immo­bilienbüro auf Mallorca", heißt es in der Mitteilung aus der E&V-Zentrale.

In der Tat finden sich die Namen der einstigen Gesellschafter der Engels & Volkers Mallorca Southwest SL auf der Website des Immobilienunternehmens Kensington Finest Properties International, das auch auf der Insel vertreten ist. Der Geschäftsführer war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Auch jenseits dieser beiden Fälle stieß die Steuersünder-Liste auf Kritik - unter anderem weil darin reihenweise Unternehmen genannt sind, die längt nicht mehr existieren, etwa der laut „Diario de Mallorca" größte Insel-Schuldner Dracplus (30,3 Millionen Euro): Das zur Grupo Drac gehörende ­Bauunternehmen ist seit 2008 zahlungsunfähig, Inhaber Vicente Grande, der frühere Real Mallorca-Präsident, wurde bereits 2013 wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Auch die Nummer zwei auf der Mallorca-Liste, der Touristik­konzern Orizonia mit einer Steuerschuld von 27,5 Millionen Euro, meldete 2013 Konkurs an.

Spanienweit sieht es nicht viel anders aus: Der größte Steuersünder, die Immobiliengesellschaft Reyal Urbis (378 Mio.), ging 2013 unter; die Nummer 2, das Immobilien­unternehmen Nozar (203 Mio.) ist seit 2010 insolvent; und das auf Platz 3 aufgeführte Bauunternehmen Grupo Prasa (101 Mio.) befindet sich ebenfalls im Konkursverfahren.

Letztendlich werde für den Fiskus deshalb nicht mehr zu holen sein, heißt es vielerorts - während zu Unrecht aufgelistete Unternehmer auf dem Imageschaden sitzen bleiben, befürchtet Kühns Anwalt Jorge Saínz. „Es wurde vor Veröffentlichung überhaupt nicht darauf geachtet, ob jemand schon mit dem Finanzamt verhandelt, um Aufschub gebeten hat oder Konkurs anmelden musste." In letzterem Fall könne der Schuldner gar nicht mehr zahlen, selbst wenn er wolle, erklärt Saínz - und er muss es wissen: Der Anwalt wurde 2008 per Gerichtsentscheid zum Konkursverwalter der Grupo Drac bestimmt.