Nicht immer sind die Vorgehensweisen des balearischen Finanzamts bei der Berechnung von Steuern problemlos nachvollziehbar. So war das bislang auch bei Abgaben, wie etwa bei der sogenannten Stempelsteuer oder auch der Erbschafts- und Schenkungssteuer - jeweils, wenn es um eine Immobilie geht.

Jetzt hat der Oberste Gerichtshof der Balearen in einem Urteil festgestellt, dass die Ermittlung des Wertes einer Immobilie, um die fällige Steuer festzulegen, über einen Gutachter erfolgen muss, der die Immobilie aufsuchen und bewerten muss. Das schreibt die MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca". Steuerberater Alejandro del Campo von der Kanzlei DMS Consulting sieht in dem Urteil ein "Schachmatt" für das Finanzamt.

Das Urteil aus dem Januar 2021 kommt zu dem Schluss, dass es derzeit keine andere Möglichkeit gibt, als die des Besuchs, wenn man dem entsprechenden Gesetz, so wie es formuliert sei, gerecht werden wolle. Sollte das Finanzamt in mehreren konkreten Fällen zum Ergebnis kommen, dass ein Besuch eines Gutachters vor Ort nicht nötig sei, müsse das "einzeln, Fall für Fall und mit einer ausreichenden und nachvollziehbaren Begründung" dargelegt werden.

Bislang hatte das Finanzamt üblicherweise den Wert eines Grundstücks oder einer Immobilie anhand des Katasterwertes berechnet. In vielen Fällen nahm die Behörde den Katasterwert und verdoppelte ihn, um auf den Wert des Grundstücks zu kommen. Die für die Immobilie zu zahlenden Abgaben wurden anhand von Kriterien der Architektenkammer berechnet.

Da ein beträchtlicher Teil der Katastereinträge aus der Zeit der Immobilienblase stammt, waren die Referenzwerte teilweise deutlich erhöht. So kam es zu Fällen, dass das Finanzamt teilweise sechsstellige Beträge als Nachzahlung anordnete, weil die Verkäufer von Immobilien niedrigere Werte als Bemessungsgrundlage verwendet hatten.

In Falle eines Apartmentblocks in Palma de Mallorca hatte der Käufer einen Preis von 590.000 Euro angegeben. Das Finanzamt kam allerdings zum Schluss, dass der Wert des Gebäudes 1,9 Millionen Euro betrug und setzte daraufhin eine Steuernachzahlung von 164.850 Euro fest. Laut Alejandro del Campo von DMS Consulting war das Gebäude in einem schlechten Zustand und musste erst teuer renoviert werden, um es bewohnbar zu machen.

Die Folgen des Urteils stellen das balearische Finanzamt nun vor eine große Herausforderung, denn die Behörde verfügt nicht über genügend Mitarbeiter, um jeden Verkauf oder jede Erbschaft mit einem Sachverständigen zu überprüfen. Deshalb hat die Zentralregierung bereits Schritte in die Wege geleitet, um diesem Dilemma zu entgehen.

In der künftigen "Ley antifraude" (Anti-Betrugs-Gesetz) ist vorgesehen, dass künftig nicht mehr der Katasterwert für Verkäufe, Erbschaften oder Schenkungen zu Hilfe genommen wird, sondern der sogenannte Valor de Referencia de Mercado, also in etwa der aktuelle Marktwert, der jedes Jahr aktualisiert werden soll. Das allerdings könnte laut Steuerberater del Campo in einigen Fällen zu einer "brutalen Steuererhöhung" führen. /jk