Von Silke Droll Seit Barack Obama als Kandidat der Demokraten für den Posten des US-Präsidenten nominiert ist, und sich damit die Hoffnung auf einen Politikwechsel der Vereinigten Staaten abzeichnet, leben viele US-Residenten wieder lieber auf Mallorca. Die in der bald achtjährigen Amtszeit von George W. Bush gewachsenen Ressentiments gegen US-Amerikaner hätten spürbar nachgelassen, sagt Nicole Szulc. Die Journalistin und Repräsentantin des Auslandsverbandes der Demokraten auf den Balearen setzt sich seit Monaten für Obama als 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten ein. Dabei geht es ihr vor allem darum, dass ihre rund 2.000 Landsleute auf den Inseln überhaupt Gebrauch von ihrem Wahlrecht machen. Denn Anhänger der Republikaner auf den Balearen sind kaum zu finden. „Ich kenne wirklich niemanden hier, der John McCain und Sarah Palin wählen würde“, sagt die 58-Jährige, die auf einer Finca bei Pollença im Norden Mallorcas lebt. Auch der MZ gelang es nicht, einen McCain-Anhänger ausfindig zu machen. Einen offiziellen Vertreter der Republikaner auf den Balearen gibt es nicht. Szulc‘ Wahlkampf für Barack Obama in den vergangenen Monaten bestand daher vor allem darin, weniger politisch engagierte Landsleute auf Mallorca persönlich zur Abgabe eines Stimmzettels für die Wahl am 4. November zu bewegen. „Wenn ich jemanden auf der Straße gesehen habe, mit der ‚Herald Tribune‘ unter dem Arm oder der sonst irgendwie amerikanisch aussah, habe ich ihn sofort angesprochen, ob er sich schon um die Wahl gekümmert hat“, erzählt Szulc. Etwa 50 Amerikaner gewann die Polit-Aktivistin für ihr Netzwerk - über Mund-zu-Mund-Propaganda, Artikel in lokalen Zeitungen und Medienberichten über sie. US-amerikanische Organisationen oder Vereine, die sie für ihre politische Arbeit hätte nutzen können, gibt es nicht auf Mallorca. „Meine Landsleute leben hier sehr zurückgezogen und verstreut. Ich selbst bin eher Teil der britischen Community“, erzählt Szulc. Erst durch ihr Engagement für Obama fand sie verstärkt Kontakt zu US-Amerikanern. Für die Nacht vom 4. auf den 5. November hat sie alle zur Wahlparty mit Übernachtung - Szulc spricht wegen der Zeitverschiebung von madrugada-elections (Morgengrauen-Wahlen) - auf ihre Finca bei Pollença eingeladen. Aber nicht nur die Kontakte zu ihren Landsleuten blühten seit dem Wahlkampf auf. „Mein Obama-Button bringt mir eine Menge Aufmerksamkeit ein. Alle möglichen Leute bleiben stehen und fangen an, mit mir zu reden.“ Szulc trägt seit Monaten einen Anstecker mit dem Konterfei des Kandidaten ihrer Partei, den sie in eine Reihe mit Martin Luther King stellt. „Menschen wie er kommen nicht jeden Tag daher. Er ist eine Ausnahme-Erscheinung, eine beeindruckende Persönlichkeit.“ Szulc‘ aktive Überzeugungsarbeit ist allerdings bereits vorbei. „Die Zeit, um sich zu registrieren, ist in allen amerikanischen Staaten bereits abgelaufen.“ Nur wer gemeldet ist, kann auch wählen. Die Formalitäten für Auslandsamerikaner für die eigentliche Wahl sind von Staat zu Staat unterschiedlich. In Washington etwa, wo Szulc registriert ist, kann bis 3. November der Wahlzettel gefaxt werden. Szulc glaubt an den Sieg Obamas, gibt sich aber betont vorsichtig. „Was die Leute wirklich in der Wahlkabine machen werden, weiß man erst nach dem 4. November. In den letzten Tagen hilft nur noch viel beten.“ Sicher ist sie sich aber, dass noch keine Präsidenten-Wahl in den USA ein solch großes weltweites Interesse hervorgerufen wie dieses Mal. Szulc weiß, wovon sie spricht, sie ist die Tochter des früheren Spanien-Korrespondenten der „New York Times“, hat selbst als Journalistin für englisch- und spanischsprachige Medien die US-Wahlen meist vom Ausland aus verfolgt. Von der Bedeutung dieser Wahl überzeugt ist auch die seit 1959 auf Mallorca lebende gebürtige New Yorkerin Elena Davis. „Ich habe seit 1936 immer meine Stimme abgegeben. Aber diese Wahl ist die wichtigste in meinem Leben“, sagt die 93-Jährige. Natürlich wählt sie Obama, den sie für hoch intelligent hält. „Es wäre entsetzlich für die USA und für die Welt, wenn das Duo McCain und Palin gewinnen würde“, sagt sie. George W. Bush habe auf allen relevanten Politikfeldern versagt, der Zustand der Welt sei besorgniserregend und er trage eine große Verantwortung dafür. Die heute in Sóller lebende Davis hat den Börsen-Crash und die folgende Wirtschaftskrise 1929 in New York als Jugendliche miterlebt. „Ein Freund meiner Mutter sprang damals von einem Hochhaus, weil er alles verloren hatte, und ich kann mich noch an die Geschäftsleute erinnern, die auf der Straße in ihrer Not Äpfel verkauften“, erzählt sie. So schlimm die Situation damals auch gewesen sei, aktuell stehe noch mehr auf dem Spiel, davon ist Davis überzeugt. Auch sie kann keinen einzigen Landsmann auf der Insel nennen, der die Republikaner wählen will. Auch eine Erklärung für diese Haltung hat sie parat: „Leute, die im Ausland leben, sind vermutlich nicht so konservativ.“