Pedro de Hardeñana hatte einen eintönigen Job, als er Mitte des 18. Jahrhunderts nach Mallorca geschickt wurde. Seine Mission: Bäume zählen. Kiefer für Kiefer, Steineiche für Steineiche. Don Pedro sollte vier Jahre dafür benötigen. Seine offizielle Bilanz im Jahre 1745: Auf Mallorca wachsen 4.708.447 Kiefern und 2.376.332 Steineichen. Die 216 Eschen, 150 Pappeln und zwei Kastanienbäume fielen nicht weiter ins Gewicht.

Den Zähl-Marathon hatte der Spanier nicht für eine Umweltstudie auf sich genommen, sondern im Auftrag der spanischen Zentralregierung. Sie wollte Aufschluss haben über das militärische Potenzial Mallorcas. Denn je mehr Bäume, desto mehr Schiffe, und je mehr Schiffe, desto größer die Siegeschancen in einer Schlacht.

Dann wurde kräftig abgeholzt. Als 136 Jahre später Erzherzog Ludwig Salvator seine Berechnungen über den Baumbestand auf der Insel abschloss, waren nur noch 2,1 Millionen Bäume übrig, weit weniger als die Hälfte. Der adlige Forscher aus Österreich zählte nicht mehr einzeln durch, sondern errechnete die Baumdichte von Waldstücken. Das Ergebnis hielt Salvator in seinem berühmten Werk ?Die Balearen geschildert in Wort und Bild" im Jahre 1881 fest.

Heute profitiert Luis Berbiela von der damaligen Zählwut. Der Leiter der Forstschutzbehörde im balearischen Umweltministerium kann so einen Vergleich zum heutigen Waldbewuchs herstellen. Und dieser liest sich sehr positiv: Die Zahl der Bäume auf den Balearen hat sich allein in den vergangenen 40 Jahren auf rund 62 Millionen verfünffacht. Wälder bedecken wieder 186.000 Hektar auf dem Archipel, 80.000 mehr als vor 40 Jahren. Der Baumbestand ist dichter, die Pflanzen jünger.

"Solche Wälder wie heute hat es auf Mallorca schon seit vielen Jahrhunderten nicht mehr gegeben", sagt Berbiela. Auch wenn in den vergangenen Jahrzehnten Urbanisationen wuchsen, Waldbrände tobten oder Schädlinge die Bäume heimsuchten - Mallorcas Wald hat heute weniger Feinde als früher. Holzwirtschaft spielt praktisch keine Rolle mehr, die Bäume werden weder zum Bau von Schiffen, noch zur Herstellung von Holzkohle, noch zum Brotbacken gebraucht. Das Geld bringt stattdessen der Tourismus bei.

Erkenntnisse aus Sachsen

Wenn Berbiela den Deutschen dankbar ist, liegt das nicht nur an den Urlaubern. Denn die für die Forstwirtschaft so wichtige Escuela Técnica de Ingenieros de Montes wurde 1848 in Madrid gegründet, nachdem zwei Spanier die Königliche-Sächsische Forstakademie in Tharandt besucht hatten. Die damals eingeführten Standards seien wegweisend gewesen, sagt Berbiela und zeigt ein Beil, mit dem noch heute Bäume markiert werden, die ein Fincabesitzer schlagen darf.

Auch wenn mehr als 95 Prozent von Mallorcas Wäldern in Privatbesitz sind, dürfen die Besitzer nicht schalten und walten, wie sie wollen. Ein Mitarbeiter des Umweltministeriums markiert stattdessen Bäume, die gefällt werden dürfen. Denn in Sachen Wald hat auf Mallorca das Ministerium das Sagen. Unter seiner Obhut steht auch die Baumschule Menut bei Lluc, in der pro Jahr rund 300.000 heimische Pflanzen herangezogen werden, angeschlossen ist auch eine Samenbank. Unter Schutz stehen inzwischen Exemplare der Feldulme (Ulmus minor), der Korkeiche (Quercus suber), der Europäischen Eibe (Taxus baccata) sowie der See-Kiefer (Pinus pinaster).

Ein Herz für die ?pinos"

Herangezogen werden in Menut aber auch die auf Mallorca so häufigen Aleppo-Kiefern, die Berbiela bei aller Wertschätzung der Steineiche vehement verteidigt. Die Kiefer sei keineswegs ein Eindringling, der sich auf Kosten der Steineiche ausgebreitet habe, sondern wachse seit Urzeiten auf Mallorca. Das sei mit der Radiocarbonmethode eindeutig nachzuweisen. Der pino sei aus Mallorcas Geschichte nicht wegzudenken und habe auch in zahlreichen Ortsnamen - von Cala Pi bis Porto Pi - seine Spuren hinterlassen.

Auch wenn es dem Wald der Insel heute vergleichsweise gut geht, drohen doch Gefahren. Der prognostizierte Klimawandel könnte bewirken, dass im Zuge zunehmender Hitze und Trockenheit Waldflächen versteppen. Und was Waldbrände anrichten können, zeigte die Feuerkatastrophe auf den Kanaren im Juli 2007, die Zehntausende Hektar Wald vernichtete.

Ein größeres Risiko als Brände stellen inzwischen nach Einschätzung des Umweltministeriums allerdings verwilderte Ziegen dar, die gnadenlos alle Triebe abfressen (MZ berichtete). Hinzu kommen Schädlinge wie die Prozessionsspinnerraupe, die in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts eingeschleppt wurde - die Fallen mit Sexuallockstoffen in Form von Plastikbeuteln an den Bäumen überall auf der Insel zeugen vom Aufwand der Bekämpfung.

Bei aller Sorge um den Wald werden die Bäume heute nicht mehr einzeln durchgezählt. Exakte Zahlen liefern stattdessen statistische Methoden - Parzellen aller Ausprägungen werden per Zufall ausgewählt, die Zahlen anschließend hochgerechnet. ?Heute zählen wir anders", sagt Berbiela, der auch hier dankend auf das Vorbild der Deutschen verweist. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

Deutscher züchtet Insel-Steineichen

Kiefer und Co.: Die vier Typen der Vegetation