Wenn Joan Gual nach einem positiven Beispiel für derzeit erfolgreiche Unternehmer auf Mallorca gefragt wird, muss er nicht lange überlegen. "Warum ein Beispiel?", entgegnet der Vorsitzende der Handelskammer auf Mallorca. ?Ich kann Ihnen zahllose positive Beispiele nennen." Viele Unternehmen investierten gerade jetzt, um nach dem Ende der Krise richtig durchstarten zu können. Doch es liege leider in der menschlichen Natur, dass vor allem über die schlechten Nachrichten gesprochen werde - ein Teufelskreis, der kaum Platz für Optimismus lasse.

Doch während jeden Tag neue Hiobsbotschaften aus der Finanz- und Wirtschaftswelt vermeldet werden, gibt es auch auf Mallorca Unternehmer, die sich von der Krise nicht erschrecken lassen, neue Nischen entdecken und Geschäftsmodelle aus einfachen, aber originellen Ideen entwickeln. Ihr Motto lautet: Krise? - Ohne uns! Ein Musterbeispiel liefert etwa die Unternehmerin Beatriz Borrás, die die MZ zum Start einer neuen Serie vorstellt (siehe Printausgabe): Mit einer innovativen Verpackung für Mallorca-Souvenirs kommt sie groß heraus.

Ihre Geschäftsidee ist in einer Branche angesiedelt, die nach Ansicht von Handelskammer-Präsident Gual die besten Chancen bietet, auch in schwierigen Zeiten Erfolg zu haben - dem Tourismus. Gefragt seien jedoch nicht althergebrachte Rezepte, sondern neue Ideen. ?Tourismus ist nicht nur ein Produkt, sondern eine ganze Produktpalette", so Gual. ?Auch in Zukunft werden erfolgreiche Unternehmer auf Mallorca am Tourismus kaum vorbeikommen." Und ob Nautik, Kreuzfahrten oder Geschäftsreisen - überall gäbe es Möglichkeiten.

Davon müssen viele Joblose allerdings erst überzeugt werden. ?Viele Arbeitssuchende brauchen erst einen Schubs", sagt Joana Maria Alorda, die bei der Gewerkschaft UGT für den Bereich Weiterbildung zuständig ist. In einem Umfeld, in dem die Zahl der Arbeitslosen auf den Balearen auf 75.000 gestiegen ist - das ist rund die Hälfte mehr als im Vorjahr - seien viele zunächst demotiviert. Doch die starke Nachfrage nach Um- und Weiterbildungsangeboten zeige, dass immer mehr die Krise auch als Chance sehen, sich neu zu orientieren.

In Mallorcas bislang vernachlässig­tem Bildungsbereich beginnt eine Aufholjagd: 2.947 Kursangebote werden im balearischen Arbeitsministerium für dieses Jahr gezählt, das Budget wurde auf 25,2 Millionen Euro aufgestockt. In den nächsten Monaten sollen zudem weitere Subventionen für Kursangebote ausgeschrieben werden. ?Die Ausbildung ist für uns ein Schlüssel, um die Probleme auf dem Arbeitsmarkt in den Griff zu bekommen", sagt Arbeitsministerin Joana Barceló gegenüber der MZ. ?Die Menschen müssen sich fortlaufend weiterbilden, um sich den Bedürfnissen des Marktes anzupassen."

Es heißt also, sich umzuorientieren: Arbeitslose aus Krisensektoren recyceln sich zu Bewerbern in Hoffnungsbranchen. ?Der Bausektor wird niemals wieder so sein wie früher", warnt Gual. ?Er hat 15 Jahre lang den Ton angegeben, aber sein Potenzial war beschränkt."

Flexibilität ist gefragt. So sitzen beispielsweise in den Kursen der Heilpraktikerschule in Llucmajor inzwischen auch eine ehemalige Bankkauffrau sowie eine Immobilienmaklerin. ?Der Beruf des Heilpraktikers strahlt in der krisengeschüttelten Zeit Beständigkeit aus", sagt Mitbetreiber Hendrik Lührssen, ?es ist der Gegenpol zu Gewinnoptimierung und Börsenspekulation." Gerade die Krise biete eine gute Gelegenheit zur Neuorientierung und zur Entdeckung des eigenen Potenzials.

Vergleichsweise gut stehen die Chancen für qualifizierte Kräfte nach Ansicht von Gewerkschafterin Alorda im Bereich Gastronomie - ausgebildetes Küchenpersonal werde auf Mallorca immer gesucht - sowie im Sozial- und Pflegesektor, da der Bedarf durch die Umsetzung der spanischen Pflegeversicherung weiter steigen werde. Im Arbeitsministerium wird vor allem dem Tourismus und der Gastronomie Priorität eingeräumt, aber auch der Umwelttechnologie, der Luftfahrt und der IT-Branche.

Damit Kursteilnehmer nach Ende des Unterrichts nicht wieder auf der Straße landen, möchte das Arbeitsministerium die Unternehmen in die Pflicht nehmen. ?Wir wollen Kurse zusammen mit Firmen anbieten. Diese müssen sich verpflichten, im Anschluss 60 Prozent der erfolgreichen Kursteilnehmer zu beschäftigen", sagt Arbeitsministerin Barceló.

Die spanische Regierung versucht indessen, zahlreiche Jobs durch öffentliche Subventionen zu retten. So bekommen die Kommunen zusätzliche Mittel in die Hand, um verstärkt öffentliche Bauaufträge zu vergeben. Hinzu kommen zinsverbilligte Darlehen für Unternehmer, speziell auch für die Modernisierung von Hotels.

Am Kapital soll es nicht fehlen, benötigt werden aber vor allem Ideen. Die Hoffnung ruht auf Arbeitslosen, die nicht nur Lebensläufe verschicken und auf einen Anruf warten, sondern ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und beispielsweise eine Firma gründen. ?Das kann auch ein Ein-Mann-Betrieb sein", sagt Alorda von der UGT.

?Fantasie ist der einzige Weg, um mit der Krise fertig zu werden", sagt Handelskammer-Präsident Gual. Er bescheinigt vor allem solchen Initiativen Erfolgsaussichten, die nach neuen Absatzmärkten jenseits der Grenzen Mallorcas und Spaniens suchen, auf Qualität setzen und vorhandene Stärken zu nutzen wissen. Womit Gual wieder beim Thema Tourismus wäre: ?Eine IT-Firma wird auf Mallorca beispielsweise dann großen Erfolg haben, wenn sie Anwendungen für den Tourismus entwickelt."

In der Printausgabe lesen Sie außerdem

- Eine Kiste voller Ideen: Wie eine Unternehmerin der Krise spottet