Toni Ferrers Reich endet dort, wo in der Bierstraße die Stehtischreihen beginnen und die Gastronomen mit bunten „Happy Hour"-Plakaten werben. Der Mallorquiner ist Herr über vier Lokale, die sich aneinandergereiht fast bis zur Hälfte der Straße erstrecken. Sie heißen „Köpi", „Don Antonio", „Lugano" und „Anna´s". Wenn es einen König der Bierstraße geben würde, weil es auf Mallorca ja für fast alles einen König gibt, gebührte dieser Titel zweifellos ihm. Ferrer selbst sieht sich allerdings vielmehr als Pionier oder Gründer der Ausgehmeile. Am 11. Juli ist es 30 Jahre her, dass er auf der Höhe vom Balneario 8 das „Köpi" eröffnete. Es war sozusagen die Geburtsstunde der Straße, die in den Jahren darauf nicht nur für Tausende von durstigen Kegelbrüdern aus Deutschland ein Begriff wurde.

Im „Köpi" gibt es keine Stehtische und auch keine Happy Hour. „Und es wird sie auch nicht geben, solange ich etwas zu sagen habe", sagt Ferrer. Er zeigt auf ein Diplom, das eingerahmt an der Wand hinter der Theke hängt. Es wurde ihm vor einigen Jahren von der mallorquinischen Handelskammer verliehen – für seine Verdienste um den Tourismus. „Das bekommt man nicht, wenn man keine gute Qualität liefert", sagt der 65-Jährige. Seine Karriere ist exemplarisch für eine Generation, die in der Goldgräberzeit des Tourismus auf Mallorca aufgewachsen ist. Mit zehn Jahren schickte ihn sein Vater zum Geldverdienen, weil er in der Schule den nötigen Fleiß vermissen ließ. Mit 14 kam er an die Playa de Palma, wo er in der Bar Playa Golf als Cocktailmixer eingestellt wurde. Dort servierte er Getränke mit klangvollen Namen wie Tom Collins, White Lady und Alexander – einen süßen Café-Likör mit Zimt und Sahne, der insbesondere bei den Damen Anklang fand.

Dass heute an der Playa vorwiegend kühles Bier vom Fass serviert wird, ist auch zu einem großen Teil Ferrer geschuldet. Er war der erste Gastronom Spaniens, der Ende der 70er Jahre das Importverbot für Fassbier aus dem Ausland umging. „Jedes Gesetz hat seine Lücke. Ich fand sie", sagt er. Die ersten Lieferungen aus Deutschland wurden noch von der Guardia Civil überwacht. „Die Beamten sind mir bis in den Keller gefolgt."

Mittlerweile nennt Toni Ferrer sieben Lokale sein Eigen. 60 bis 70 Angestellte arbeiten für ihn. Die Gewinne investiert er längst nicht mehr nur allein auf der Insel, sondern auch in Immobilien in Kroatien. Ferrer selbst hat sich aus dem Geschäft immer mehr zurückgezogen, schaut an der Playa de Palma nur dann und wann noch einmal vorbei. Wenn er aber kommt, begrüßt er jeden seiner Mitarbeiter wie eh und je mit Namen und Handschlag. Manche arbeiten schon länger als 30 Jahre für ihn. Die Geschäfte führen mittlerweile seine vier Kinder, die im Gegensatz zu ihm studiert haben.

Den 30. Geburtstag hat Ferrer allerdings zur Chefsache erklärt. Das Jubiläum will er am kommenden Samstag (11.7.) ganz groß feiern – mit einem gegrillten Ochsen und König Pilsener vom Fass. Aus Deutschland kommen sogar Stammgäste eingeflogen, die zunächst auf seiner Finca in Costitx und später dann an der Playa verköstigt werden sollen.

Alle sollen mitfeiern – nur die unmittelbaren Nachbarn werden nicht dabei sein. Denn so sehr die Gastronomen nach außen hin mit einer Sprache sprechen – etwa wenn es gilt, gegen die Lärm­verordnung zu protestieren, die die Lokale dazu verpflichtet, ab 24 Uhr den Lautstärkeregler herunterzudrehen – so sehr ist die Bierstraße nach innen in zwei Lager gespalten: Da gibt es Ferrer. Und da gibt es die Lokale der anderen. Sie heißen beispielsweise „Palmeras", „Zapfsäule" und „Deutsches Eck". Letztere teilen sich auch den DJ, der in allen Bars die gleiche Musik spielt. Sie schmieden eine Art Allianz gegen den Pionier der Bierstraße. Es herrscht mehr als nur ein Verdrängungswettbewerb, es ist eine Art Generationenkonflikt, den die Gastronomen austragen.

Zu den jungen Wilden gehört der Düsseldorfer Michael Bohrmann, der vor fünf Jahren das „Deutsche Eck" übernahm und sich seither anschickt, ebenfalls einer der Großen im Gastronomiegewerbe an der Playa zu werden. Seit kurzem hat er den benachbarten Bierstadel angemietet. Kaum jemand habe geglaubt, dass er sich gegen die mallorquinische Konkurrenz durchsetzen würde, sagt Bohrmann, doch mit harter Arbeit habe er sich etabliert. Der Deutsche lässt seinen Laden auch den Winter über geöffnet und bietet morgens – wenn woanders die Scherben der vergangenen Nacht zusammengekehrt werden – Frühstück an. Er wirbt mit den Szenegrößen der Playa wie Jürgen Drews und Mickie Krause, die nach ihren nächtlichen Auftritten bei ihm ihren Kaffee schlürfen. Dass Ferrer den 30. Geburtstag der Bierstraße alleine feiert, sei ihm ziemlich einerlei, sagt Bohrmann: „Jeder macht doch sein Ding."

Auch im „Palmeras" gegenüber hat mittlerweile die zweite Generation das Heft in die Hand genommen. Juan Miguel Salas wehrt sich gegen den Vorwurf des Dumping-Angebots. Ferrer habe das Glück, das gehobenere Publikum unter den Touristen bewirten zu dürfen. „Bei mir trinken die Urlauber mit kleinerem Geldbeutel ihr Bier. Zu Happy Hour und Sonderangeboten werde ich quasi gezwungen. Das Angebot muss doch vielschichtig sein, das macht die Bierstraße aus", glaubt Salas.

Die Bierstraße habe halt mittlerweile ihre eigenen Traditionen entwickelt, sagt Bohrmann. Eine davon: Jeden Abend um elf Uhr gehen zum Song „Sierra Madre" in der Straße für eine Weile die Lichter aus. Dann gehört die Meile, die nicht zu Ferrer gehört, den Wunderkerzen schwenkenden Gästen. Anders als im Megapark oder in den Kneipen der Schinkenstraße tanzt in der Bierstraße niemand auf den Tischen. „Und wenn doch, holen wir ihn da schnell runter", sagt Kellnerin Monika, die im „Palmeras" arbeitet. Sie hat schon für beide Seiten der Bierstraße gekellnert und findet es schade, dass der 30. nicht gemeinsam begangen wird. „Irgendwie hätten wir doch alle Grund zum Feiern", sagt sie.