Wenn ein deutscher Urlauber bei seiner Ankunft am Flughafen von Palma ins Taxi steigt und dem Fahrer sein Ziel nennt, könnte dieser schon durch diese Information einiges über seinen Passagier wissen. Denn jeder Urlauber-Typ auf Mallorca hat sein eigenes Revier. Und wo dessen Grenzen verlaufen, hat Helmut Wachowiak mit seinem Team erforscht. Ein Strand-Liebhaber? Ein Natur-Genießer? Ein Partytiger? Steigt er im Hotel ab, bei Freunden oder in seinem Zweitwohnsitz? Der Fachbereichsleiter Tourismusmanagement an der Internationalen Fachhochschule Bad Honnef/Bonn nimmt den deutschen Mallorca-Urlauber schon seit mehreren Jahren in all seinen Facetten unter die Lupe – seine Vorlieben, Kenntnisse, sein Verhalten und sein soziales Umfeld. Der vorläufige Abschluss dieses mehrjährigen Forschungsprojekts ist nun eine Art Landkarte des Mallorca-Urlaubers.

Im Rahmen seiner Abschlussarbeit ging der Student Johannes Luberichs der Frage nach: „Wo finde ich welche Art von deutschen Urlaubern?" Die Ergebnisse der zahlreichen, in den vergangenen Jahren entstandenen Teilstudien wurden mit Hilfe eines Datenverarbeitungsprogramms auf der Inselkarte verortet. Grundlage der Analyse, deren Ergebnisse demnächst auf Englisch in der Fachzeitschrift „Advances in Hospitality and Leisure" erscheinen, ist das geografische Informationssystem GIS (Geographic Information System). Mit diesem Programm verknüpfte Luberichs die Ergebnisse von bisherigen Umfragen nicht nur untereinander, sondern auch mit den wichtigsten Urlaubsregionen auf Mallorca.

Alter, Geschlecht, Aufenthaltsdauer, Reisebegleitung, Art der Unterkunft, Landschafts- und Freizeitpräferenzen – und jetzt auch die geo­grafische Ortung: das Ergebnis ist eine Art gläserner Mallorca-Urlauber. Auch wenn es in jeder Region natürlich noch zahlreiche andere Urlauber-Typen gebe, habe man sehr wohl eine dominierende homogene Gruppe bestimmen können, betont Wachowiak.

Am wenigsten überraschen sicherlich die Erkenntnisse zur ­Playa de Palma: Dort hat der young and quick, nocturnal sun-and-sand tourist sein Revier. Das heißt: Die Urlauber sind besonders jung, vorwiegend männlich, bleiben eher kurz auf Mallorca und verbringen ihren Urlaub mit Partnerin oder den Kumpels. Hier ist das Preis-Leistungs-Verhältnis gefragt wie sonst nirgendwo auf Mallorca. So sehr sich die Urlauber der Playa de Palma für das Nachtleben und den Strand interessieren und damit zufriedenzustellen sind, so wenig Lust haben sie auf Erkundungstouren in Sachen Natur und Kultur.

In Can Pastilla, im engeren Einzugsgebiet von Palma, steigen die stop-over-at-the-beach-tourists ab. Es sind vor allem Paare, die zwar auch die Nähe zu den Stränden der Playa de Palma schätzen, aber lieber auf Abstand zur berüchtigten Partymeile gehen. Natur und Kultur stehen bei ihnen schon etwas höher im Kurs. Und ganz wichtig: die Nähe zum Flughafen – der Mallorca-Urlaub ist schließlich kurz.

Nichts mit dem Ballermann zu tun haben wollen die Urlauber im Norden Mallorcas. Der relaxing nature-loving gourmet genießt die Idylle des Tramuntana-Gebirges. „Das kann sich im Wandern ausdrücken, aber auch im entspannten Naturerlebnis", sagt Wachowiak. Hier gebe es viele Mallorca-Urlauber, die einfach genießen wollten – vorzugsweise allerdings nicht die Sonne am Strand, sondern das typisch mallorquinische Essen.

Die jüngsten Mallorca-Urlauber hat die Studie an der Ostküste im Touristenort Cala Ratjada (Gemeinde Capdepera) und Umgebung geortet. Statt mit Partner und Familie sind sie häufiger mit Freunden im Urlaub, jedoch sehr viel weniger auf das Nachtleben fokussiert als die Touristen der Playa de Palma. Relaxen und Naturerlebnis siedeln die young friends on vacation in ihrer Prioritätenliste höher an. Nach einer Woche geht es meist schon wieder zurück in die Heimat.

Die Senioren unter den ­Mallorca-Urlaubern finden sich vor allem an der Costa de Llevant. Im Gegensatz zu den Youngsters von Cala Ratjada bleiben sie deutlich länger, nehmen ihren Partner mit in den Urlaub und schätzen ganz besonders die Strände. Sie genießen zwar auch die Natur Mallorcas. Die Gebirgslandschaft im Norden ist dem old couple from next door on holiday aber wohl zu anstrengend, vermutet Autor Luberichs.

Noch eine Spur wichtiger sind die Strände den deutschen Urlaubern, die an der Playa de Sa Coma absteigen. Das sind meist Pauschaltouristen, die in einer Woche oder einem noch kürzeren Zeitraum möglichst viel mitnehmen wollen: aktiv sein am Strand, relaxen in der Natur, ein bisschen Kultur und Shopping. Wegen dieser Mentalität erhalten sie das Etikett all-interested, twosome package tourist.

Die leidenschaftlichsten Sonnenanbeter finden sich in Cala d´Or. Die dortigen beach-lying ­tourists zeigen praktisch kein Interesse an der Kultur Mallorcas, haben einen geringen Bewegungsradius und wollen einfach nur relaxen. Am liebsten im Kreis der Freunde oder der Familie.

Überrascht zeigt sich Tourismus-Experte Wachowiak über das Verhalten der Urlauber in den Gemeinden Andratx und Calvià im Südwesten Mallorcas. Hier ist der residential tourist zu Hause, also solche Urlauber, die um die Hotels einen großen Bogen machen und stattdessen im Zweitwohnsitz oder zu Hause bei Freunden und Bekannten absteigen. Ihr Anteil beträgt laut der Studie immerhin 50 Prozent. „Das hätte ich eigentlich stärker an der Ostküste erwartet, aufgrund der dortigen Ferienapartment-Anlagen", sagt Wachowiak. Die Urlauber an der Südwestküste sind außerdem vergleichsweise jung, reisen mit Familie oder Partner und verfügen über die größte Kaufkraft. Sie sind zudem Wiederholungstäter: 90 Prozent sind nicht zum ersten Mal auf Mallorca.

Auch wenn das Forschungsprojekt Mallorca nun erst einmal abgeschlossen ist – denkbar wäre eine Aktualisierung in zehn Jahren, so Wachowiak. Und auch die britischen Urlauber wären da noch ein interessantes Studienobjekt.

Eine ausführliche Mallorca-Karte finden Sie in unserer Printausgabe (MZ 529, 24. Juni 2010) sowie hier.