Siegfried Aschfelder hat in seinen ersten vier Mallorca- Jahren schon viele Küchen durchlaufen. Der deutsche Koch begann mit einer vermeintlich langfristigen Stelle, die sich allerdings als Dreimonatsvertrag ohne Perspektive entpuppte – das Hostal machte im Herbst zu, ein Koch wurde nicht mehr gebraucht. Bei der zweiten Stelle bekam Aschfelder (Name v. d. Red. geändert) auch nach zwei Wochen keinen Vertrag – und wurde für 116 Arbeitsstunden mit 500 Euro abgespeist. Bei Stelle Nummer drei stimmte die Qualität der gelieferten Nahrungsmittel nicht, der Vertrag lief nach drei Monaten aus. Bei Stelle Nummer vier schließlich machte der Deutsche seine Erfahrungen mit der Schattenwirtschaft – ein Knochenjob, für den ein Anteil von 700 Euro des Gehalts schwarz ausgezahlt wurde. Als dann nach einem heißen Sommer in der Küche, in dessen Verlauf der Koch nach eigenen Angaben rund 20 Kilo Gewicht verlor, das Urlaubsgeld ausgezahlt werden sollte, wurde der Schwarzgeld-Anteil bei der Berechnung großzügig unterschlagen. Aschfelder: „Das muss ich mir nicht antun."

Michaela Kroll hat inzwischen viele solcher Geschichten gehört. Die frühere Immobilienmaklerin aus Santanyí sammelt Erfahrungen von deutschen Köchen, Küchenhilfen und Kellnern, die bei Landsleuten auf Mallorca anheuerten und sich ungerecht behandelt fühlen. Sie will Jobsuchende warnen. „Viele Arbeitgeber verheizen ihre Mitarbeiter nur zu gerne mit einer Sieben-Tage-Woche und ermöglichen mit ihren Dumping-Löhnen gerade mal ein Überleben", kritisiert die Deutsche. Außer Arbeit bleibe praktisch nichts vom Leben. Unter ihren Landsleuten gebe es mehr schwarze Schafe als bei spanischen Arbeitgebern.

Beim Verband der Gastronomen auf Mallorca will man das so nicht bestätigen. Von vermehrten Problemen bei der Behandlung deutscher Arbeitnehmer habe man bislang nichts gehört, sagt der zweite Vorsitzende, José Luis Sánchez-Cabezudo. Deutsche Arbeitgeber seien eher als besonders korrekt bekannt. Denkbar sei aber, dass es in Urlaubsgebieten wie der Playa de Palma mitunter Probleme gebe. „Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Angestellten ist uns sehr wichtig", so der Gastronom. Nicht zuletzt hätten Mängel in diesem Bereich auch Auswirkungen auf die Qualität, die dem Kunden nicht verborgen blieben.

In einem am Dienstag (15.6.) von der Vereinigung vorgestellten Handbuch mit guten Vorsätzen für die Gastronomie auf Mallorca finden sich im Kapitel Mitarbeiterführung nur die Punkte „Gleichberechtigung" und „Integration behinderter Mitarbeiter". Die Konfliktpunkte Schwarzarbeit, Ruhetage oder Überstunden werden nicht erwähnt. „Sie haben recht, das fehlt", sagt Sánchez-

Cabezudo.

„Man muss hier auf Mallorca eine Menge Lehrgeld zahlen", berichtet Tobias Simon. Der deutsche Koch (Name v. d. Red. geändert) wurde nach kurzer Zeit von seinem Chef entlassen – um das Angebot zu bekommen, schwarz weiterzuarbeiten. Ein Arbeitgeber habe sogar 200 Euro vom Lohn bis zum Ende der Saison einbehalten – um sicherzustellen, dass der Koch auch da bleibe. „Da ist oft nicht wirklich Geld vorhanden, und die Angestellten müssen es ausbaden", sagt Simon. Mehrere Betroffene berichten zudem von Angeboten, sieben Tage pro Woche mit Acht-Stunden-Tagen zu arbeiten.

„Das ist illegal", sagt Ginés Díaz von der Gewerkschaft CCOO. Der Tarifvertrag der Branche schreibe bei einer 40-Stunden-Woche zwei aufeinanderfolgende Ruhetage pro Woche vor. Das Problem bei den deutschen Angestellten sei oft, dass sie mit ihrem ebenfalls deutschen Chef gesetzlich nicht abgesicherte Verträge aushandelten und sich auf sein Wort verließen. „Wenn es dann später Probleme gibt, hat der Angestellte keine Handhabe." Das sei besonders ein Problem, wenn ein Teil des Gehalts unversteuert ausgezahlt werde. Diese ohnehin allgemein verbreitete Praxis habe im Zuge der Wirtschaftskrise noch weiter zugenommen.

„Ich wusste nicht, wohin ich mich mit meinen Problemen wenden kann", meint Angestellter Simon. Bei vielen Kollegen in der Gastronomie-Branche sei die Einstellung verbreitet, dass man sich schon einen Anwalt nehmen müsste, um zu seinem Recht zu kommen. Davor schreckten aber viele zurück, und man versuche sein Glück lieber in einem anderen Lokal.

Die deutschen Angestellten hätten oft keinen Kontakt zur örtlichen Mitarbeitervertretung, hat Gewerkschaftler Díaz festgestellt. Gerade Insel-Neulinge seien zudem in der Regel noch stärker von ihren Chefs abhängig – zumal dann, wenn er zum Beispiel auch die Wohnung stellt und soziale Kontakte noch Mangelware sind, so Díaz. „Wir wollen die deutschen Angestellten gerne vertreten, aber sie müssen es auch wollen." Antonio Copete von der UGT verweist auf die Gewerkschaftsbüros in vielen Orten Mallorcas, die auch auf der Website aufgeführt seien (s. Interview Print-Ausgabe).

Bewerber sollten sich unbedingt vor Jobantritt informieren, mit wem sie es zu tun haben, rät Jobvermittlerin Doris Stangier. Das gelte besonders bei Angeboten in Betrieben der Urlauberhochburgen auf Mallorca während der Hochsaison. Stangier empfiehlt zudem, Arbeitgebern aufgrund der gleichen Nationalität keinen Vertrauensvorschuss einzuräumen.

Die Jobvermittlerin warnt aber auch vor Pauschalurteilen – professionelle Betriebe könnten es sich ohnehin nicht erlauben, ihre Mitarbeiter auszunutzen. Das spreche sich auf Mallorca schnell herum, und für solche Betriebe suche sie dann auch kein Personal. Manchmal ließen allerdings auch die Bewerber zu wünschen übrig, oder die Chemie stimme einfach nicht, so Stangier. Vorsicht sei in jedem Fall geboten, wenn ständig neue Mitarbeiter gesucht würden.

Eine Orientierung will den Jobsuchenden nun auch Michaela Kroll bieten. Die Deutsche hat eine Website (www.tam.de.tv, externer Link) ins Leben gerufen, um Transparenz in die Branche zu bringen, wie die Deutsche sagt. Und um rechtliche Probleme zu vermeiden, sollen nicht schlechte Arbeitgeber abgestraft, sondern vorbildliche lobend erwähnt werden. Voraus gehe eine Prüfung und Befragung in den Betrieben vor Ort. Das Ziel: die Kür einer Top Ten der besten Arbeitgeber in Mallorcas Gastronomie.

www.ugtbalears.com

www.ib.ccoo.es

www.tam.de.tv

www.restauracio.org

In der Printausgabe (Nr. 528) lesen Sie außerdem:

- Interview mit einem Gewerkschaftsvertreter: "Deutsches Essen, spanische Rechte"

- Neues Qualitätssiegel: Gute Vorsätze für mehr Qualität

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