Auf dem spanischen Immobilienmarkt ist die Krise noch lange nicht ausgestanden. Der Wirtschafts­wissenschaftler Pep Aguiló von der Balearen-Universität (UIB) geht davon aus, dass die Preise auch zwei Jahre nach Ausbruch der Wirtschaftskrise noch weiter fallen werden. „Spanienweit haben wir erst die Hälfte des Weges ­geschafft", sagt er. Auf den Balearen seien die Aussichten zwar dank des internationalen Marktes mit hochpreisigen und hochwertigen Immobilien etwas besser. „In diesem Segment kann man quasi am Horizont schon das Ende der Krise ausmachen." Ansonsten aber sei die Lage auch auf den Inseln weiter schwierig.

Wo früher Häuser und Wohnungen zweistellige Preissteigerungen pro Jahr hinlegten, mussten nach dem Platzen der Immobilienblase die Verkaufspreise auf breiter Front nach unten korrigiert werden. Es ist eine Korrektur, die ungleichmäßig verlief und je nach Segment unterschiedlich stark ausfiel. Aguiló geht davon aus, dass die Preise seit Ausbruch der Krise auf den Balearen um acht bis neun Prozent pro Jahr gefallen sind. Insgesamt liege das bisherige Minus bei den Preisen für Immobilien auf Mallorca und den anderen balearischen Inseln bei 16 bis 20 Prozent. Auch die Immobilienbewertungsgesellschaft Tinsa schätzt in einem am 9. November veröffentlichten Bericht, dass die Wohnungspreise auf den Balearen insgesamt um 17,7 Prozent seit Krisenausbruch zurückgegangen sind. Die spanische Regierung machte im Oktober das Minus auf den Inseln seit 2008 bei 15 Prozent fest.

Ende 2008 wurde noch versucht, die Preise zu halten, 2009 gerieten sie in Bewegung, 2010 ins Rutschen. Besonders dramatisch ging dieser Prozess bei Neubauwohnungen in Urbanisationen vonstatten. Hier fielen die Preise laut Aguiló im Schnitt zwischen 15 und 18 Prozent pro Jahr.

Für die begehrten Immobilien an der Küste hingegen hat der Wirtschaftswissenschaftler der UIB nur einen durchschnittlichen Preisrückgang von jährlich rund 5 Prozent ausgemacht. Vor allem die vorwiegend von Ausländern nachgefragten höherklassigen Objekte in guten Lagen wie zum Beispiel in erster Meereslinie seien nur geringfügig von der Preisanpassung betroffen gewesen. Aguiló bestätigt damit die Einschätzung bekannter ausländischer Immobilienunternehmer.

Entsprechend hat sich auch das Verhalten der Käufer verändert. Akzeptiert werden nur noch Objekte, bei denen der Interessent alle Wünsche erfüllt sieht (siehe Interview S. 6), andernfalls werden zuweilen hohe Preisnachlässe ausgehandelt. Dass die Statistiken mitunter ungenau ausfallen, liegt auch daran, dass der in offiziellen Zahlen nicht berücksichtigte Schwarzgeldanteil bei Immobiliengeschäften (Unterverbriefung) starken Schwankungen unterworfen war. Während vor der Einführung des Euros als Bargeld im Jahr 2000 die Käufer noch einmal kräftig unter die Matratze langten, um ihre Peseten loszuwerden und damit den Boom weiter befeuerten, dürfte danach der Anteil an dinero negro wegen der immer strengeren Kontrollen der Steuerbehörden kontinuierlich zurückgegangen sein.

Das bedeutet, dass ein Teil der Preissteigerungen der vergangenen Jahre „virtuell" war, aber auch, dass der derzeitige Preisverfall möglicherweise stärker ist, als die Statistik ausweist. Das würde auch erklären, warum man von massiven Preisnachlässen bei konkreten Verkäufen zu hören bekommt, während die offiziellen Zahlen einen relativ moderaten Verfall widerspiegeln.

Immerhin ist die Situation beim Wohnungsneubau laut Statistik inzwischen austariert. In den ersten neun Monaten wurden auf den Balearen nur 784 neue Wohneinheiten von der Bauleitung abgenommen - 2007 waren es im gleichen Zeitraum noch 8.355. Der Branchenverband der Bauträger hofft nun, den Bestand unverkaufter Neubauten reduzieren zu können, um dann schon im kommenden Jahr neue Bauvorhaben in Angriff nehmen zu können.

Wobei sich diese Hoffnung allerdings als voreilig entpuppen könnte. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Spanien geben wenig Anlass zu Optimismus, und die internationale Schuldenkrise könnte noch weiteres Unheil mit sich bringen. Die Arbeitslosenzahlen liegen stabil bei rund 20 Prozent, beim Wirtschaftswachstum bleibt voraussichtlich weiter eine Null vor dem Komma stehen, und die Sparprogramme schwächen den Konsum.

Immer mehr Spanier kommen zudem mit ihren Hypothekenzahlungen nicht mehr hinterher und sehen sich gezwungen, ihre Wohnungen und Häuser an die Banken und Sparkassen abzutreten. Die Kreditinstitute müssen diese Immobilien ihrerseits schnellstmöglich auf den Markt bringen und loswerden, um ihre Bilanzen zu sanieren (siehe rechts).

Erschwerend kommt hinzu, dass ab Januar nur noch Geringverdiener den Wohnungskauf steuerlich absetzen können. Die großzügigen Steuervorteile für Immobilienkäufer waren einer der wichtigsten Antriebskräfte für den spanischen Immobilienboom. Wer diese Absetzungsmöglichkeiten noch nutzen wollte, hat in den vergangenen Monaten zugegriffen. Wenn damit Schluss ist, wird Anfang 2011 die Nachfrage „mit Sicherheit" einbrechen, wie Ökonomen etwa in der Wirtschaftszeitung „Cinco Días" prognostizieren - eine Entwicklung, der nur mit weiteren Preisnachlässen gegengesteuert werden könne.

Schwache Nachfrage bei gro-ßem Angebot - auch 2011 dürfte somit im Zeichen der Preisanpassung stehen. Spaniens Immobilienmarkt und somit auch seine Wirtschaft leide noch immer unter den Folgen der geplatzten Spekulationsblase, hat erst unlängst die EU-Kommission wieder festgestellt.

Alles muss raus: Wie die Geldinstitute versuchen, Immobilien loszuwerden

Wer die Internetseiten spanischer Sparkassen besucht, kann schnell den Eindruck gewinnen, in den Schlussverkauf geraten zu sein. „Vorher: 205.000 Euro, jetzt 160.000" steht zum Beispiel auf der Startseite von Netmobilia, der Immobilien-Agentur der Sparkasse Sa Nostra. „Bis zu 25 Prozent Rabatt, bis zu 100 Prozent Finanzierung sowie Steuervorteile", heißt es: „Nutze die Gelegenheit bis zum 31. Dezember."

Richtig bunt werden die Angebote bei der Sparkasse La Caixa. Die Argumente lauten: Bis zu 60 Prozent Rabatt, Zuschuss für anfallende Notar- und Grundbuchkosten, bis zu 100 Prozent Finanzierung, steuerliche Vorteile bis Jahresende - und als Sahnehäubchen gibt es fünf Prozent Rabatt für Kunden des Programms MultiEstrella obendrauf: „Jetzt ist der beste Moment zum Kaufen."

Komfortable Suche, Schnäppchen-Alerts, Facebook-Seiten - die Immobilien-Portale vor allem der Sparkassen machen deutlich, dass es die spanischen Kreditinstitute extrem eilig haben, ihren im Zuge der Wirtschaftskrise angehäuften Wohnungsbestand loszuwerden, nachdem sich zahlreiche Immobilien- und Baukredite als faul erwiesen haben. Angesichts der Angst vor einer Ausweitung der europäischen Schuldenkrise von Griechenland über Irland auch auf die Iberische Halbinsel müssen die Bilanzen dringend in Ordnung gebracht werden. Dazu gehören auch die von der spanischen Notenbank erzwungenen Sparkassen-Fusionen: die balearische Sa Nostra etwa musste sich mit Instituten aus Andalusien, Murcia und Katalonien zusammentun.

Mit Informationen über die tatsächliche Höhe des Immobilienbestands halten sich die Kreditinstitute zurück. Während des laufenden Jahres hätten sich die Verkäufe vervierfacht, sagt Margarita Seguí, Leiterin der Immobilien-Abteilung bei Sa Nostra. Doch beim Blick in die Internet-Portale der Institute ist die Auswahl in den Suchmaschinen nach wie vor groß. Wer Balearen anklickt, findet beispielsweise bei Servihabitat (La Caixa) 118 Objekte, bei Bancaja Habitat 131, bei Netmobilia von Sa Nostra 250, bei der Sparkasse CAM 253 und bei der Bank BBVA 200, in vielen Fällen direkt unter Anpreisung großer Preisnachlässe.

„Malle wird verramscht", titelte die „Bild"-Zeitung angesichts solcher Angebote. Die Banken böten Wohnungen wie Sauerbier an, es herrsche Hochsaison für Schnäppchenjäger. Freilich handelt es sich bei den angebotenen Wohnungen nicht gerade um die erste Wahl. Immobilienunternehmer Lutz Minkner spricht in seinem Newsletter von „Grabbeltischen" der Banken, die zumeist zum Hypothekenwert zurückgenommene Wohnungen minderer Qualität aus Baupleiten loswerden wollten.

Bei den zum Verkauf stehenden Objekten handle es sich vorwiegend um kleinere, günstigere Wohnungen, sagt Seguí von Sa Nostra, „sie lassen sich derzeit am leichtesten verkaufen". Die Nachlässe lägen in der Regel zwischen 10 und 25 Prozent. Bei Servihabitat von La Caixa bestätigt die Presseabteilung Rabatte von bis zu 60 Prozent - und nutzt die Nachfrage, um weiter die Werbetrommel zu rühren. Es gebe einen „Fächer interessanter Möglichkeiten zum Immobilienkauf von Neubau- und Altbauwohnungen".

Unglücklich über die neue Konkurrenz sind die Immobilienmakler. „Wenn Interessenten zur Bank gehen und eine Hypothek beantragen, werden sie von dieser gleich als potenzielle Kunden abgefangen", berichtet einer von ihnen. „Und gleichzeitig werden ihnen auch gleich bessere Konditionen geboten." Seguí von Sa Nostra bestätigt diese Praxis: „Das machen alle Geldinstitute, die eigene Immobilien im Angebot haben."

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