Es ist windig in Campos. Graue Wolken ziehen über den Himmel, vor dem sich die Silhouetten der Windmühlen abzeichnen. Hier, im Zentrum von Mallorca an der Landstraße von Campos nach Santanyí, stehen sie besonders dicht beieinander. Antonio Ballester steigt die steilen Steinstufen nach oben, die ins Innere seines Mühlenturms aus Marés-Blöcken führen. Der Wind rüttelt am Eisengestänge und lässt es quietschen. Am Ende der Apparatur ist der Rotor befestigt. Doch dort oben bewegt sich nichts: Das Windrad mit seinen 18 Metallflügeln steht still.

„Das ist nicht gut, so wie die Mühle jetzt ist“, sagt Ballester. Seit Herbst vergangenen Jahres tut sich nichts mehr. Von außen sieht das Windrad noch intakt aus. Doch im Innern setzen Feuchtigkeit und Rost der Apparatur zu. An einigen der umliegenden Mühlen ist der beginnende Verfall auch schon weiter vorangeschritten - mehrere Windfahnen sind abgebrochen.

Dabei sollte hier doch alles anders aussehen, dabei sind doch sieben Millionen Euro in die Instandsetzung und Umrüstung der Mühlen von Campos geflossen. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie schwer sich die Insel damit tut, das Potenzial der mehr als 3.000 Windmühlen auf der Insel zu nutzen - obwohl sie doch das Symbol Mallorcas schlechthin sind. Auch wenn der Inselrat die Eigentümer seit 2004 bei der originalgetreuen Restaurierung mit Know-how und Arbeitskraft unterstützt, zeugen die zahlreichen Ruinen am Wegesrand vom vernachlässigten Kulturerbe.

In Campos wurde das Kulturerbe nicht nur vernachlässigt, sondern gleich vermurkst: Früher pumpten die Mühlen über eine Kolbenstange, die die Dreh- in eine Auf- und Abwärtsbewegung umwandelte, Wasser aus einer Tiefe von bis zu 35 Metern. Das Projekt von Campos sah dagegen eine Umrüstung vor, um mit den Mühlen elektrischen Strom zu erzeugen und ins Netz einzuspeisen. Dieser Plan ist gescheitert. Und weil jetzt auch noch das Geld für die Wartung gestrichen wurde, sind die Mühlen zum zweiten Mal dem Verfall preisgegeben.

Das Projekt hatte der frühere balearische Ministerpräsident Jaume Matas in seiner Zeit als spanischer Umweltminister auf den Weg gebracht. Für seinen damaligen Parteikollegen und Bürgermeister von Campos, Andreu Prohens (Volkspartei, PP), machte er im Jahr 2002 von Madrid aus das Geld locker. Nach und nach sollte so ein Großteil der rund 500 Mühlen im Gemeindegebiet restauriert und umgerüstet werden.

„Ich hatte damals einen sehr guten Eindruck von dem Projekt“, sagt Ballester. Der 72-Jährige hatte noch erlebt, wie die Windräder für die Landwirtschaft genutzt worden waren, bevor dann Dieselmotoren die Windkraft ersetzten. Nun sollte er sein Windrad wieder laufen sehen. Zudem bekam er wie auch die anderen Eigentümer Einnahmen durch den Verkauf des Stroms an den Energieversorger Gesa-Endesa in Aussicht gestellt.

Das Projekt lief jedoch alles andere als glatt. Immer wieder kam es zu Verzögerungen, erst 2009 gingen die ersten rund zwei Dutzend Mühlen ans Netz. Die Bilanz ist verheerend, wie im Rathaus von Campos unumwunden zugegeben wird. Die umgerüsteten Windmühlen seien zusammen auf einen Strom-Ertrag im Gegenwert von 9.000 bis 12.000 Euro im Jahr gekommen, sagt Guillem Ginard, stellvertretender Bürgermeister und Gemeinderat für Kulturerbe der Partei +Acció. Die Wartungskosten hätten sich im gleichen Zeitraum auf 200.000 Euro belaufen. Hinzu kamen außerdem die Beiträge für eine Rechtsschutzversicherung in Höhe von 50.000 Euro.

„Das Projekt war von Anfang schlecht konzipiert“, so Ginard, der in der vergangenen Legislaturperiode der Regionalpartei Unió Mallorquina (UM) und damit der Opposition angehörte. Die älteren Bewohner der Gemeinde seien von Anfang an skeptisch gewesen. Denn während die Bauern früher bei Sturm kurzerhand Lamellen aus ihren Windrädern entfernten und das Rad aus dem Wind drehten, sollte nun alles elektronisch gesteuert werden: Wird es zu stürmisch, stoppt die Anlage automatisch. So weit die Theorie.

Der Haken an der Sache: Die Windräder müssen intensiv gewartet werden. „Das Projekt war so angelegt, dass es immer von öffentlichen Geldern abhängig gewesen wäre“, so Ginard. Warum, wird bei einem Blick in die Anlage klar. Der Mechanismus, der mithilfe eines Kompressors die Windfahne ausfahren sollte, ist ungefettet und verrostet. Angetrieben wird der Kompressor mit Strom aus der Steckdose. Dreht sich jedoch das Windrad horizontal um seine Achse, wickelt sich allmählich auch das Stromkabel um den Mast auf. Durch eine Öffnung im Dach können Regen und Ratten eindringen und den sinnlos gewordenen Kabeln und Stromkreisen weiter zusetzen. Ein Experte, der das Projekt gut kennt, könnte noch eine lange Liste weiterer Mängel erstellen. Um sich keinen Ärger einzuhandeln, will er aber lieber nicht mit Namen genannt werden.

Die letzte Wartung liegt schon länger zurück: Ein Protokoll an der Wand weist den letzten Eintrag im Juli 2010 auf. Zu diesem Zeitpunkt gingen die Gelder aus, die das balearische Umweltministerium nicht nur für die Wartung, sondern auch für den Anbau einheimischer Pflanzen rund um die Mühlen bereitgestellt hatte. Schon früher eingestellt wurden Führungen zu den Windrädern, die Ingenieure bis vor drei Jahren durchführten. Das Geld sei für die Wartung und die Gartenarbeiten gebraucht worden, so Gemeinderat Ginard, „wir wollten auch nichts vorführen, was nicht funktioniert.“

Wegen der klammen Haushaltslage wurden für 2011 bislang noch gar keine neuen Mittel genehmigt. „Ich habe vor einem Monat mit Ministerpräsident Antich gesprochen“, so Ginard. Er hoffe nun, zumindest einen Teil der 200.000 Euro jährlich zu retten. „Man will uns einen Vorschlag machen.“

Besitzer Ballester kann allein wenig ausrichten - hier ist ein Fachmann gefragt. Nicht einmal die Flügel kann er bei Sturm aus dem Windrad entfernen, da jede Lamelle mit 14 Schrauben befestigt ist. Geld für die Einspeisung habe er nie bekommen - im Gegenteil: Der Kompressor der Mühle habe seine Stromrechnung belastet, so Ballester.

Die Besitzer fürchten außerdem das nächste Unwetter und mögliche Schäden durch herabstürzende Bauteile. Bei Bernd Schrieber, der einen Reiterhof mit Mühle in der Gemeinde führt, durchschlug ein Mühlblatt das Dach eines Schuppens. Bei einem weiteren Sturm vor rund einem Jahr brach dann die Windfahne ab, seitdem habe sich sowieso niemand mehr um die Wartung gekümmert, so der Deutsche. Im Turm haben sich nun Tauben eingenistet und die Hightech-Apparatur verkotet. Schön anzusehen sei die sich drehende Mühle ja schon gewesen. Aber „Ingenieure haben mir gleich gesagt, dass das ein Schuss in den Ofen ist“, so Schrieber. „Ich habe den Eindruck, dass sich da irgendwelche Leute die Taschen gefüllt haben.“

Sieben Millionen Euro für ein unrentables und wartungsintensives Projekt des heute unter Korruptionsverdacht stehenden Jaume Matas - und bislang fragt keiner laut nach, wie das sein kann. „Wir wollen keine schmutzige Wäsche waschen“, sagt Gemeinderat Ginard. Er verweist zudem darauf, dass es ein Projekt des Madrider Ministeriums gewesen sei. „Uns ist vor allem wichtig, dass die Investition nicht ganz umsonst gewesen ist.“

Die Firma Sampol, die für die Umrüstung der Mühlen verantwortlich war, stellt erst einmal auf Durchzug. Nach mehrmaligen Nachfragen leitet die zuständige PR-Agentur schriftliche Fragen an den Unternehmenschef weiter. Antworten blieben bis Redaktionsschluss aus.

Jede Menge Verwendungsmöglichkeiten für die investierten sieben Millionen Euro fallen nicht nur Gemeinderat Ginard ein, sondern auch Bürgermeistern anderer Gemeinden, die gerne mehr aus ihren Windmühlen machen würden (S. 6.). Und auch im Inselrat, wo Mallorcas Mühlen im Gegensatz zu Campos so originalgetreu wie möglich restauriert werden, kann man von einem solchen Budget nur träumen: Für das laufende Jahr stehen den Mühlen-Spezialisten des Consell knapp 450.000 Euro zur Verfügung (s. rechts.).

Auch wenn das Thema Energiegewinnung ad acta gelegt sei, wolle man die molinos als Landschaftsschmuck, ethnologisches Erbe und touristische Attraktion so gut wie möglich erhalten, sagt Ginard. Wie wäre es mit einem Kompromiss - einen Teil der Mühlen zu erhalten und mit den Ersatzteilen der restlichen einst 54 funktionierenden Mühlen zu reparieren? „Das wäre zumindest ein würdiges Ende für dieses Projekt.“

Darauf hofft auch Mühlenbesitzer Ballester - dass sich die Windräder wieder drehen und somit Touristen wie Einheimische erfreuen. „Es war ein so schönes Bild.“

In der Printausgabe lesen Sie außerdem:

- Neue Arbeit für die Restaurateure des Inselrats

- Montuïri: Eine Windmühle macht noch keinen Tourismus

- Kulisse mit Schönheitsfehler: Die verzwickte Lage der Mühlen von Es Jonguet in Palma