Verrammelte Fensterläden, wucherndes Unkraut, Schutthaufen, kein Mensch ist auf der Straße, Geschäfte gibt es nicht. Die Apartment­anlage „Sa Marina de Son Gual" mit 166 Wohnungen trotzt stumm der Hitze und Einsamkeit. Das Zirpen der Grillen hört man hier besonders laut. Die wenigen Autos, die auf der schmalen Zufahrtsstraße ab der Ausfahrt Son Gual (Manacor-Schnellstraße) unterwegs sind, verschwinden nach ihrer Ankunft sofort hinter den Toren der rot und beige gestrichenen Blocks mit zwei Pools und Spielplatz. Nur 40 bis 50 Apartments der Anlage, die an einen weiteren Block mit Sozialwohnungen grenzt, sind bewohnt. Der Bauträger Martinsa-Fadesa ging bereits im Jahr 2008 pleite, die unverkauften Immobilien auf Mallorca gehören heute Banken.

In einer Art Wärterhäuschen am Eingang sitzt eine junge Frau, die Angestellte einer Sicherheitsfirma. „Ich bin dafür zuständig, die sieben Wohnungen der Bank Santander zu bewachen, damit niemand einbricht", erklärt sie. In der Nähe ziehen sich weitere Straßen mit Bürgersteigen und Straßenlaternen durch das Niemandsland. Ein nicht mehr neues, riesiges Schild kündet von 2.000-Quadratmeter-Grundstücken für Einfamilienhäuser.

Son Gual sollte einmal eine aufstrebende Wohngegend Palmas werden. Jetzt ist die Siedlung ein Überbleibsel des Baubooms. Der ist schon seit Jahren vorbei, doch sein Vermächtnis verschwindet nicht. Die Auswirkungen auf dem spanischen Festland mögen deutlich größer sein, doch auch die Insel ist nicht verschont geblieben. Mal sind es fertig gestellte Wohnungen, die seit Jahren wie Sauerbier feil geboten werden. Mal sind es Rohbauten, die nach dem Konkurs der Bauträgerfirma als Zementmonster die Landschaft verschandeln. Was soll jetzt mit ihnen geschehen?

„Das ist eine große Gesetzes­lücke", sagt Bernat Amer. Als früherer Baustadtrat in Manacor kennt er das Problem gut. Im Verwaltungsbereich der Stadt befindet sich mit der Siedlung Terràpolis eine der beeindruckendsten Bauruinen. Ingesamt 200 gleichartig aussehende Einfamilienhäuser stehen dort in der sogenannten Cala Romantica (S´Estany d´en Mas) in fortgeschrittenem Rohbau in einer Talsenke Richtung Meer. Versprochen war auch einmal ein Golfplatz. Deutsche Anwohner nennen das surrealistisch anmutende Elf-Hektar-Konstrukt „Legoland".

Bereits vor vier Jahren verschwand der Bauträger, auch hier handelt es sich um Martinsa-Fadesa. Das Unternehmen leitete 2008 mit Schulden in Höhe von rund sieben Milliarden Euro das bis dato größte Konkursverfahren der spanischen Geschichte ein. Seitdem ist in Terràpolis kein Stein mehr bewegt worden. Auch dort bewacht ein Sicherheitsmann die leeren Häuser.

„Nach der Insolvenz ging die Siedlung an die Sparkasse CAM über, die inzwischen ebenfalls abgewickelt wird. Es gab Versuche, Terràpolis von anderen Bauträgern weiterbauen zu lassen. Aber daraus wurde nichts", berichtet Amer. Auch die Käufer von rund 80 Häusern, darunter einige Deutsche, schauen in die Röhre. Sie streiten vor Gericht um ihre bereits geleisteten Anzahlungen. „Natürlich würde die Stadtverwaltung es lieber haben, wenn die Häuser fertig gebaut würden. Aber das liegt nicht in unserer Gewalt", sagt Amer. Falls sich doch noch ein neuer Bauträger für Terràpolis finden sollte, wäre das Problem vermutlich nicht einmal gelöst. Denn: „Wenn ein Bau zu lange stillsteht, muss eine neue Baugenehmigung beantragt werden."

Während die ungenutzten, fast fertigen Häuser von Terràpolis dem Verfall preisgegeben sind, soll nun ausgerechnet in unmittelbarer Nachbarschaft auf 10 Hektar eine weitere Siedlung mit 77 Einfamilienhäusern hochgezogen werden. Der Raumordnungplan Mallorcas (PTM) sieht dort eine Wohn­bebauung vor. Deswegen genehmigte der Stadtrat von Manacor vor wenigen Wochen die Pläne der Firma Tuinar Plots & Houses aus Madrid. Im Falle einer Ablehnung könne eine Entschädigungszahlung auf das Rathaus zukommen, hieß es dazu. „Uns sind die Hände gebunden", sagte Bürgermeister Antoni Pastor.

Für Mallorcas Umweltschützer ist das eine Hiobsbotschaft. Der GOB bezeichnet Siedlungen wie Terràpolis als „ökologisches ­Attentat". „Die Landschaft ist zerstört. Die Grundstückspekulation hat schreckliche Anblicke zurückgelassen", sagt Sprecherin ­Margalida Ramis. Sie weist auf eine weitere unrühmliche Hinterlassenschaft des Baubooms hin. „In Sa Ràpita sind in einer neuen Siedlung 112 Häuser auf einer Fläche von vier Hektar nicht zu Ende gebaut worden." Der verantwortliche Bauträger Urnova bestätigt, dass in der Siedlung „Las Casas de Es Trenc" bereits begonnene Bauarbeiten an Einheiten mit zwei bis vier Wohnungen (Preis: 240.000 bis 300.000 Euro) vor zwei Jahren gestoppt worden sind. Erst wenn es wieder Käufer gebe, die Kredite bekommen, solle weiter gebaut werden. Auch in der nahen Siedlung D´Alt de Sa Ràpita sei der Bau von Einfamilienhäusern eingestellt worden.

In der Küstensiedlung Es Puig de Ros (Gemeinde Llucmajor) hat der Bauträger Pronisa seine insgesamt 86 Häuser und Wohnungen zwar bereits 2009 zu Ende gebaut. „Aber nur 28 davon sind verkauft", wie ein Firmenmitarbeiter im eigens eingerichteten Verkaufsbüro sagt. Besonders auffallend sind zwei ­parallele Straßenzüge mit jeweils 14 identischen Reihenhäusern. Die verschlossenen Häuser verfügen über Mini-Gärten, in denen kein Gras wächst, und Mini-Pools ohne Wasser. Auf einer Haustür haben sich bereits Graffiti-Sprayer verewigt. In einem Haus sind jeweils zwei Wohnungen mit jeweils 160 Quadratmetern Wohnfläche auf drei Ebenen untergebracht. „Unser Startpreis im Jahr 2007 war 595.000 Euro, jetzt liegen wir bei 320.000 Euro plus Steuer", sagt der Verkäufer. Interessenten für die Wohnungen gebe es durchaus, behauptet er, doch die Banken würden den möglichen Kunden keine Kredite geben. Immerhin ist das Unternehmen an der Kaufflaute nicht zu Grunde gegangen. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass sich das Blatt wendet. „Irgendwann wird die Nachfrage steigen."

In kleinerem Maßstab sind auch an vielen anderen Orten neue, aber unbewohnte Wohnungen oder Bauruinen aus den Boomzeiten zurückgeblieben. „Deutlich sieht man das vor allem an den Wohnblocks in Campos, Sa Pobla und Inca. Aber auch im kleinen Mancor de la Vall gibt es leer stehende und unfertige Reihenhäuser", sagt GOB-Sprecherin Ramis. Im Bergdorf Bunyola steht eine Bauruine mitten im Ort. Seit der Insolvenz des Bauträgers verwittert dort das Projekt Can Gual. Es sollte einmal ein Multifunktionsgebäude mit Läden, Gesundheits- und Seniorenzentrum, und Parkplätzen werden.

Für den balearischen Verband der Bauträger Proinba sind das Ausnahmen. „Mallorca ist nicht das Symbol der Immobilienkrise", betont der Vorsitzende José Luis Guillén. Der aktuelle Bestand von rund 1.800 nicht verkauften Wohnungen auf der Insel sei normal (wobei die nicht fertiggestellten Wohnungen in dieser Statistik nicht enthalten sind). Doch auch Guillén gibt zu, dass Projekte wie Son Gual ein Fehlschlag sind. „Der Bauträger hat sich dort vertan. Die Siedlung steht mitten im Nirgendwo, ohne ­Einkaufsmöglichkeiten, und darüber brausen auch noch die Flugzeuge."

In „Sa Marina de Son Gual" geht das Tor auf, eine Frau in einem glänzenden schwarzen Audi fährt heraus. Wie sie es wohl erträgt, hier zu wohnen? „Es ist gut. Wir haben Platz, Ruhe und eine fantastische Aussicht", sagt sie. Bis in die Stadt seien es nur 15 Autominuten und die Mieten seien sagenhaft günstig. „Vier Zimmer, drei Bäder, 700 Euro."