Fast 100 Tage hat Ermittlungsrichter Eloy Velasco die Akten über die mutmaßlich kriminellen Machenschaften der Hells Angels unter Verschluss gehalten. Nun ist das rund 12.000 Seiten umfassende Dokument über die „Operation Casablanca", bei der im Juli auf Mallorca mehr als 25 Personen festgenommen wurden, von denen 17 immer noch in U-Haft sitzen, freigegeben. Und beim Durchblättern stößt man nicht nur auf die einschlägigen Namen von Rockerboss Frank Hanebuth, den Ermittlern zufolge der europaweite Strippenzieher, oder Khalil Youssafi, Vizepräsident des Mallorca-Chapters der Hells Angels, der de facto aber alle Aktivitäten mit Hanebuth habe absprechen müssen.

Auch ein Altbekannter, den man bisher gar nicht mit den ­Höllenengeln in Verbindung gebracht hätte, wird immer wieder erwähnt: Jürgen Prinz zu Hohenlohe, der 2012 neun Monate in Palmas Gefängnis einsaß, weil er zusammen mit seiner Frau Beatriz zig Anleger mit einem Schneeballsystem um rund neun Millionen Euro betrogen haben soll. Mit Hilfe der Hells Angels haben einige der Geschädigten offensichtlich versucht, ihr verlorenes Geld, das sie in Steuerparadiesen wie Dubai oder Gibraltar vermuten, zurückzuholen.

So hat beispielsweise Khalil Youssafi in einem im März 2013 von den Ermittlern mitgeschnittenen Telefonat mit Robert H., einem der Hohenlohe-Geschädigten, ausgehandelt, dass dieser 150.000 Euro dafür zahlen soll, dass die Hells Angels den Prinzen erpressen. Wobei Youssafi durchaus Überzeugungsarbeit leisten muss: „Das ist deine Gelegenheit, denn in einem Gerichtsprozess wirst du nicht einen Cent bekommen", rät er Robert H. Die Summe sei auch deswegen gut angelegt, da er möglicherweise ein Zehnfaches zurückbekommen könne. Denn in Gibraltar habe Hohenlohe eine Yacht, die 1,5 ­Millionen Euro wert sei, so Khalil Youssafi. „Da unten hat er sein Geld gelagert, ich bin 100 Prozent sicher, mir kann keiner erzählen, dass er die zehn Millionen innerhalb von ein paar Jahren verprasst hat."

Auch andere auf der Insel ansässige Deutsche tauchen in den ­Polizeiprotokollen auf. Etwa eine Unternehmerin aus Peguera, die Khalil Youssafi mit Informationen über Jürgen zu Hohenlohe versorgt und Kontakte zwischen dem Hells Angel und Dritten, die eventuell bereit wären, für Hohenlohes Erpressung zu zahlen, hergestellt haben soll. Daneben zeigt sich den Ermittlungen zufolge ein gewisser Michael F., der bei der Großrazzia am 23. Juli in seinem Anwesen in Establiments bei Palma verhaftet worden war, an einem Vorgehen der Hells Angels gegen Hohenlohe interessiert. Man müsse ihn stoppen, bevor er anfange zu reden, sagte Michael F. laut Gesprächsprotokoll - in Anspielung auf „Personen, die Schwarzgeld in die Geschäfte mit dem Prinzen investiert haben".

F. soll Khalil Youssafi zudem Aufnahmen zugespielt haben, die beweisen, dass der Prinz anderen im Namen der Hells Angels gedroht haben soll. Das kam bei dem Hells Angels-Boss laut einem Telefonmitschnitt von Februar 2013 gar nicht gut an: „Jürgen, du kannst unter deinem Namen betrügen, wen du willst, aber nicht in unserem." Denn am Ende werde man in Machenschaften hineingezogen und angezeigt, „ohne einen Cent daran verdient zu haben".

Anfang März schickte der Prinz Khalils Bruder Abdul Youssafi, ebenfalls eine zentrale Figur im mallorquinischen Rocker-Milieu, dann eine SMS mit folgendem Inhalt: Er und seine Frau hätten keine Lust mehr, von dessen Bruder unterdrückt zu werden. Khalil solle deshalb einfach tun, „was er für notwendig und gerecht" erachte. Khalil Youssafi, erklärt Hohenlohe auf Nachfrage der MZ, sei ihm durchaus auch zuvor schon bekannt gewesen. Man lief sich gelegentlich im Restaurant 12 Apostel über den Weg und fachsimpelte ein bisschen über Motorräder.

Allerdings betont der Prinz auch, dass er zu keinem Zeitpunkt von den Hells Angels bedroht worden sei. „Sie hatten einen Auftrag, aber sie standen nie vor meiner Tür, sie haben nie etwas getan." Bei einem Treffen im März sei kein einziger „erpresserischer Satz" gefallen. Die Annahme, er habe irgendwo noch mehrere Millionen Euro gebunkert, bezeichnet er indes als „puren Schwachsinn". Die Polizei habe damals seine gesamten spanischen Konten, rund 15 an der Zahl, überprüft, und nichts gefunden.

Am Donnerstag (31.10.) muss Jürgen zu Hohenlohe zu den Vorfällen bei der Guardia Civil aussagen. Die Ermittlungen gehen somit weiter, und bisher scheint auch in diesem sehr detailliert wiedergegebenen Fall allein der Vorwurf der Erpressung im Raum zu stehen. Doch ist tatsächlich etwas passiert? Dass kriminelle Pläne zu schmieden noch kein Verbrechen ist, dürfte auch an vielen anderen Stellen der Ermittlungsakten das Problem sein - wo es etwa um geplanten Hotel- oder Bordellübernahmen, freilich mit Schwarzgeld, geht.

Entlarvendes Telefonat: Beauftragte Hanebuth Bombenanschlag?

Auch was die Vorwürfe des Drogen- und Menschenhandels angeht, sind die Erkenntnisse teils sehr detailliert: Die Drogen etwa sollen aus Südamerika und der Dominikanischen Republik über Valencia nach Mallorca gelangt sein, um sie in Deutschland und Holland zu verkaufen. Von den Frauen, die die Brüder Youssafi zur Prostitution in ihren Etablissements nicht nur auf Mallorca gezwungen und ebenso für Kurierdienste missbraucht haben sollen, sind alle Namen bekannt. Doch ob es für all diese Straftaten am Ende auch genug Beweise gibt, ist weiterhin unklar.