Während die CASA-235 mit dröhnenden Propellern auf ihren Start wartet, sind nebenan auf der Startbahn erst einmal die Urlauber an der Reihe: Ein Ryanair-Flieger rollt vorbei. Und noch einer. Und noch einer. Im Fünf-Minuten-Takt rauschen die Ferienflieger auf der nördlichen Start- und Landebahn von Son Sant Joan vorbei. Die Militärmaschine, die von allen nur Delta 4 genannt wird, wartet noch auf das Okay vom Tower, während sich ein Puma AS-330 aus der Luft nähert, auf dem Boden aufsetzt und der gelben Linie zur Parkposition folgt. Die Worte von Kommandant Víctor Mejías gehen im Lärm der rotierenden Rotorenblätter des Hubschraubers unter.

Voller Betrieb auf dem Militärflughafen Son Sant Joan bei Palma: Ein Flugzeug ist am Galatzó abgestürzt - so lautet zumindest die Vorgabe für den heutigen Übungseinsatz. Während der Tankwagen anrollt, um den Hubschrauber aufzutanken - er schluckt immerhin 600 Liter pro Stunde -, steht am Rande der Piste ein Einsatzwagen der Feuerwehr bereit. So wie es vorgeschrieben ist.

Wie eine kleine Stadt Dass der Name Son Sant Joan nicht nur für Palmas zivilen Großflughafen steht, auf dem jährlich mehr als 23 Millionen Passagiere ankommen und abfliegen, sondern auch ein Luftwaffenstützpunkt mit ­jährlich mehr als 2.000 Flugbewegungen ist, wissen selbst viele Insel-Residenten nicht. Von hier werden Rettungseinsätze geflogen, hier kommen Mitglieder der Königsfamilie und internationale Staatsgäste an, von hier starten Löschflugzeuge genauso wie Militärmaschinen zu Einsätzen in der ganzen Welt.

Son Sant Joan gilt deswegen auch, ein wenig hochtrabend, als „Flugzeugträger des Mittelmeers". Rund 500 Personen arbeiten auf dem Militärgelände zwischen den beiden großen Landepisten, nordöstlich des Hauptterminals von Son Sant Joan. Es sind Piloten, Rettungssanitäter, Techniker und Feuerwehrleute, aber auch Wachsoldaten, Verwaltungsangestellte und Köche.

„Das ist hier wie eine kleine Stadt", sagt Kommandant Mejías. Auch hier gibt es einen zentralen Platz, die Plaza de Armas. Und genauso wie der zweite Luftwaffenstützpunkt auf Mallorca, EVA-7 auf dem Puig Major in der nördlichen Tramuntana, verfügt das 125 Hektar große, militärisch streng bewachte Gelände über Schlafsäle, Kantine, Kranken­station sowie Fitnesszentrum und ist dafür ausgelegt, autonom zu funktionieren, falls zum Beispiel der Strom ausfallen sollte.

Während jedoch der Zivilflughafen in den vergangenen Jahren stetig ausgebaut und modernisiert wurde, sieht der Militärflughafen fast noch aus wie anno dazumal - seit der Gründung im Jahr 1950 hat sich an den Gebäuden, die mit ihren weißen Fassaden denen auf dem Sportflughafen Son Bonet in Pont d´Inca ähneln, nicht viel verändert. Auf Satellitenbildern wirkt das Gelände wie die grüne Lunge des Flughafenkomplexes. Eine dringend nötige Grundsanierung der Gebäude soll in Kürze in Angriff genommen werden.

Wenn Königs kommen

Die Landepiste, ein inzwischen für manche Flugzeuge zu kleiner Hangar und der alte Tower, der nur noch die Dienstwohnung vom Oberstleutnant beherbergt, ist das erste, was hochrangige Vertreter aus Politik und Gesellschaft von Mallorca zu sehen bekommen. An prominente Besucher ist man hier gewöhnt. Hier landen die Mitglieder der spanischen Königsfamilie, aber auch internationale Staatsgäste, denen somit auch die langen Wege in den Terminals des Zivilflughafens erspart bleiben. Die Liste reicht von Felipe und Letizia plus Verwandtschaft über Staatsoberhäupter aus Südamerika bis hin zu Angela Merkel, die im Januar 2008 zu Regierungskonsultationen nach Mallorca kam. Von hier aus geht es dann mit dem Auto nicht zur Flughafen-Autobahn, sondern an Sa Casa Blanca vorbei auf die Manacor-Schnellstraße.

Um die prominenten Gäste macht man hier kein großes Aufheben. Groß geschrieben werden aber Tradition und Geschichte. Die Basis der Einheit 801 Escuadrón de Fuerzas Aéreas stand schon hier, als rundherum nur Acker- und Brachland war. Ebenso aus- wie abgestellt sind hier historische Flugzeuge, darunter auch die Coronado Convair CV-9900 30-05, das letzte Zeugnis der legendären spanischen Airline Spantax. So mancher Raum wirkt wie ein Museum - Wappen, Urkunden, Gedenktafeln und Zeitungsausrisse beschwören alte Zeiten. „Wir könnten hier alle Wände vollhängen", sagt Kommandant Mejías. Das Wappen zeigt einen Feuerschweif hinter der 801 in den Farben der spanischen Flagge, inklusive Flügeln und Fackel.

Inzwischen gehören Einheit und Basis organisatorisch zur Luftwaffengruppe Ala 49, und diese wiederum ist eine von drei Einheiten des spanischen Such- und Rettungsdienstes (Servicio Aéreo de Rescate, SAR) mit Koordinationszentren in Madrid, auf den Kanaren und eben den Balearen. In ihre Zuständigkeit fallen Einsätze bei Flug- und Schiffsunfällen oder auch bei Naturkatastrophen. Son Sant Joan ist dabei nicht nur für Mallorca zuständig, sondern für die sogenannte FIR (Flight Information Region) Barcelona, die auch einen beträchtlichen Teil des Mittelmeers bis hin zur marokkanischen Küste umfasst.

Jeweils eine Flugzeug- und eine Hubschrauberbesatzung halten sich rund um die Uhr bereit, um in weniger als einer Stunde in der Luft zu sein. Zur Hubschrauber­besetzung etwa gehören erster und zweiter Pilot, Mechaniker, Bordwart, zwei Rettungsassistenten sowie ein Flugrettungssanitäter. Weil gerade kein Alarm ist, haben Stabsgefreiter Morán und Soldat Gómez Zeit, dem MZ-Reporter die Ausrüstung zu zeigen. Rotorenlärm dringt von draußen in den Umkleideraum, in dem in engen Reihen Jacken und Helme für den Einsatz hängen. Hinzu kommen Bojen oder Ortungsgeräte. Mit dem Schlüssel weggesperrt sind teure Utensilien wie Nachtsichtgeräte.

Über die bislang geflogenen Einsätze wird Buch geführt: Rund 3.500 Alarmmeldungen, 1.150 Suchaktionen, 990 Bergungen von Kranken und Verletzten, 185 Begleitflüge, 340 Rettungs­aktionen, 1.500 Überwachungsflüge, 575 Übungen sowie acht internationale Militäreinsätze wurden demnach während der Jahrzehnte ausgeführt. Eine Plakette erinnert zudem an das Jahr 2012, als die Zahl von 100.000 Flugstunden erreicht wurde.

Nächster Einsatz: Dschibuti

Die Art der Einsätze hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Hatten früher die Militärs von Son Sant Joan den einzigen Rettungshubschrauber weit und breit, sind heute andere Einheiten wie Guardia Civil, National­polizei oder Feuerwehr ebenfalls gut ausgerüstet. Wenn es darum geht, verunglückte Wanderer aus der unzugänglichen Tramuntana-Schlucht Torrent de Pareis zu retten, kommt in der Regel die Bergwacht der Guardia Civil zum Einsatz, die zudem über einen wendigeren Hubschrauber als den mächtigen Super Puma verfügt.

Viel stärker gefordert sind die Piloten bei internationalen Einsätzen. „Unser Aktionsradius ist sehr viel größer geworden", erklärt Kapitän und Flugzeugpilot Tolo Deudero, der seit inzwischen 15 Jahren dabei ist. Statt in die Tramuntana geht es jetzt in den Hindukusch oder ans Horn von Afrika.

Deudero hat vor drei Jahren mehrere Wochen lang im Rahmen der EU-Operation Atalanta dabei geholfen, Piraten vor der Küste von Somalia in Schach zu halten. „Es gab einige Übergriffe, bei denen wir mit den Fregatten kooperiert haben." Die Flugzeuge - sie verfügen über keine Angriffswaffen - sind dabei zwar in der Regel außerhalb der Reichweite der von den Piraten eingesetzten Feuer­waffen. Trotzdem ist ein solcher Einsatz gefährlicher als Rettungsaktionen vor der Haustür, etwa wenn man außerplanmäßig landen müsse, so Deudero. Aber es sei ein schönes Gefühl, seine Pflicht zu tun, Menschen zu helfen und sich dabei als Teil eines Ganzen zu fühlen. Bereits im Mai brechen wieder Einsatzkräfte von Palma nach Dschibuti auf.

Von 2005 bis 2014 waren die Piloten von Son Sant Joan zudem in Afghanistan im Einsatz. Kommandant Mejías - selbst Hubschrauberpilot - wurde in dieser Zeit zweimal entsandt. Auch er tat gerne Dienst im Ausland, wie er sagt - wenn nur die Sorgen der in der mallorquinischen Heimat zurückgelassenen Familie nicht wären.

Opfer der Sparzwänge

„Wir wären am liebsten immer in der Luft", so Pilot Deudero. Doch im Zuge der Sparmaßnahmen der spanischen Regierung wurde die Zahl der zulässigen Flugstunden außerhalb der Such- und Rettungseinsätze stark beschränkt. Kein Wunder - so ein Super Puma, dessen Rotorblätter 7,4 Tonnen aus dem Stand in die Luft heben müssen, schlucke wie ein alter Mercedes, meint Kommandant Mejías.

Auch sonst macht sich die angespannte Haushaltslage bemerkbar. Einen Dienstwagen gibt es nur noch für Coronel Julio Ayuso Miguel, dem Oberbefehlshaber von Son Sant Joan. Alle anderen kommen im Privatwagen auf das Gelände. Wer in der Kantine essen will, muss sich am Morgen anmelden. Vor allem aber verzögert sich die Auslieferung neuer Fluggeräte. Zwar konnte 2009 die Delta 4 in Son Sant Joan in Empfang genommen werden. Doch für die Puma-Hubschrauber müsse dringend Ersatz her, so Mejías. „Wir haben inzwischen Schwierigkeiten, die nötigen Ersatzteile zu bekommen."

Abgelöst werden sollen sie durch den NATO-Helikopter 90, einen Transporthubschrauber der 10-Tonnen-Klasse. Das Fluggerät, das auch bei der deutschen Luftwaffe im Einsatz ist, verfügt über ein elektronisches Flugsteuerungssystem. Statt der manuellen Steuerung ist die Besatzung dann vor allem mit der Überwachung beschäftigt, so der 54-jährige Kommandant. „Ich hoffe, die Auslieferung erlebe ich noch."