José Ramón Bauzá empfängt in seinem Amtszimmer im Consolat de Mar und ist wie immer die Ruhe in Person - zumindest äußerlich. Tonfall und Gesten wirken wohlüberlegt, sein Auftreten mal staatsmännisch, mal kumpelhaft. Der 44-jährige studierte Apotheker, der vor seinem Amtsantritt Bürgermeister in Marratxí war und seit 2009 der Volkspartei auf den Balearen vorsteht, regiert seit der Abwahl von Mitte-Links 2011 mit absoluter Mehrheit.

Herr Ministerpräsident, laut den Prognosen wird Ihre Partei am 24. Mai die absolute Mehrheit im Balearen-Parlament deutlich verfehlen. Haben Sie sich schon mit Xavier Pericay, dem Spitzenkandidaten der Ciudadanos, auf einen Kaffee getroffen?

Ich habe die vergangenen vier Jahre bei Treffen mit Bürgern viele Kaffees getrunken - das ist, was für mich zählt. Es war schon immer schwierig, eine absolute Mehrheit zu erzielen. Dass es jetzt neue politische Formationen gibt, sollte niemandem Sorgen bereiten - das ist nun mal Demokratie.

Halten Sie eine Koalition mit den Ciudadanos für möglich?

Wir werden bis zum Wahltag all das erklären, was wir in den vergangenen vier Jahren gemacht haben. Die Dinge haben sich zum Besseren gewandt, das muss man objektiv feststellen. Natürlich ist noch viel zu tun. Jetzt geht es um Stabilität für die Gesellschaft und die ­Institutionen. Nach dem 24. Mai werden wir sehen, welche Parteien in der Regierung oder auch in einer Koalition Verantwortung übernehmen und welche Parteien nicht im Parlament vertreten sein werden.

Bevor wir über Ihre Politik sprechen, würde ich gerne wissen, wie Sie Ihr eigenes Bild in der Bevölkerung einschätzen.

Das macht mir keinerlei Sorgen. Ich will meine Versprechen erfüllen, die Krise auf den Balearen meistern und Arbeitsplätze schaffen. Und das ist uns gelungen. Ich vergleiche das mit einem Arztbesuch: Da will man auch nicht vom schönsten und nettesten, sondern vom besten Arzt behandelt werden. Bei uns sinkt seit 29 Monaten die Arbeitslosigkeit, seit 23 Monaten entstehen neue Jobs. Das Wirtschaftswachstum auf den Balearen ist so groß wie in sonst keiner Region Europas.

Die Statistiken sagen aber auch, dass drei Viertel der neuen Jobs prekär sind. Kann man da von Erfolg sprechen?

Am prekärsten ist es, seinen Job zu verlieren. In der vergangenen Legislaturperiode sind fast 100.000 Menschen arbeitslos geworden. 40.000 Jobs haben wir wieder geschaffen. In Frage gestellt wird dieser Erfolg von der Opposition, aber von keiner Statistik, die ich kenne.

Sie bezweifeln die Zahlen über die Billig-Jobs?

Natürlich. Das sage nicht ich, sondern die Menschen auf der Straße. Ein Mann - kein PP-Wähler - meinte vor Kurzem zu mir, wie sehr es ihn ärgere, dass seine Arbeit als prekär geschmäht werde. Sein neuer Job sei eine Chance, die er vorher nicht gehabt habe. Drei von vier neuen Arbeitsverträgen sind unbefristet - das sind die wirklichen Zahlen.

Laut Recherchen der Zeitung „Diario de Mallorca" erhalten 30 Prozent der Arbeitslosen auf den Balearen keinerlei Unterstützung, sondern sind von der Familie und Sozialverbänden abhängig. Sehen Sie da Versäumnisse?

Wir verwenden alle Ressourcen darauf, die Menschen wieder in Arbeit zu bringen - mehr als je zuvor. Man schlittert sehr schnell in eine Krise, aber die Bekämpfung geht nicht von einem Tag auf den anderen. Ich bestreite nicht, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben.

Mallorca feiert ständig neue Rekorde bei den Touristenzahlen. Doch dieser Erfolg spiegelt sich nicht in einem steigenden Wohlstand des Großteils der Bevölkerung wider, im Gegenteil.

Da muss ich widersprechen, das ist keine Information, sondern eine Meinung. Nirgendwo werden so viele Jobs geschaffen wie bei uns, nicht nur im Tourismus, sondern auch in der Baubranche - und das, ohne dass wir auch nur einen Zentimeter mehr bebauen. Vielmehr sanieren wir viele Hotels dank des neuen Tourismusrahmengesetzes. Auch der Geschäftsklima-Index und die Verbraucherstimmung haben sich deutlich verbessert.

Sie bestreiten, dass sich die ­soziale Schere in der balearischen Bevölkerung weiter geöffnet hat?

Das Gegenteil ist der Fall, die Unterschiede werden durch die Schaffung neuer Jobs geringer. Um diesen Weg fortzusetzen, brauchen wir jetzt vor allem Stabilität.

Bleiben wir einen Moment bei der Tourismuspolitik. Ihre Regierung erlaubt zwar die Ferienvermietung von Häusern, nicht aber von Apartments. Wie soll man sich das erklären, wenn nicht mit der starken Lobby der Hoteliers?

Das ist falsch. Jeder der möchte, kann sein Apartment vermieten.

Aber nicht auf einem Tourismusportal anbieten.

Wir dürfen nicht etwas als touristische Dienstleistung verkaufen, was es nicht ist. Das würde das Image der Balearen beschädigen. Es ist leichter, Kunden zu verlieren, als neue zu gewinnen. Bei einer touristischen Dienstleistung muss man eine Rezeption haben, Betten beziehen oder im Fall eines Pools auch einen Rettungsschwimmer stellen. Wer das nicht bietet, betrügt seinen Kunden. Die Vermietung ist ­jederzeit im Rahmen des spanischen Mietgesetzes möglich, wenn das Apartment nicht als Ferienwohnung deklariert wird.

Neben der Wirtschaftskrise hat der Streit um das von Ihnen an den Schulen eingeführte Drei-Sprachen-Modell (TIL) die Legislaturperiode beherrscht. Wie fällt nach den Massendemonstrationen, Streiks und Gerichtsurteilen Ihre Selbstkritik aus?

Letztendlich haben wir das neue Modell angewandt. Wir müssen es verbessern, und das geht nur, indem man aus den Fehlern lernt.

Die da wären?

Alle, die man sich denken kann. Wären wir perfekt, hätten wir einige Probleme vermieden. Bedenken Sie, dass hinter diesen Demons­trationen eine politische Ideologie steht. Die Nationalisten wollen eine hundertprozentig katalanisch­sprachige Erziehung. Diese Einstellung respektiere ich. Ich würde mir aber wünschen, dass auch sie andere Meinungen respektieren. Unsere Politik ist schließlich legitimiert durch die demokratische Mehrheit.

Einer der Hauptvorwürfe lautet, dass der TIL unzureichend vorbereitet wurde, etwa bei der Ausbildung der Lehrer.

Wir haben dieses Vorhaben auf der Basis aller Anregungen des Bildungs­sektors vorbereitet - das heißt derjenigen, die das Drei-Sprachen-Modell befürworten. Die andere Gruppe, die von mangelnder Vorbereitung spricht, ist in Wahrheit gegen das Projekt. Den ­Nationalisten gefällt der TIL nicht, sie wollen nichts außer Katalanisch. Gerade auf den Balearen, wo bei sechs von zehn Arbeitsstellen Englisch verlangt wird, brauchen wir mehr Fremdsprachen-Unterricht.

Halten Sie die Englischkenntnisse der Lehrer für ausreichend?

Die Kenntnisse der Lehrer, die derzeit unterrichten, sind ausreichend. Aber wir haben Angebote zur Weiterbildung bereitgestellt und wollen das weiter ausbauen. Es ist doch traurig, wie hier durch Ideologien Ungleichheit geschaffen wird - Kinder, die in Palma auf eine nicht öffentliche Schule gehen, sprechen perfekt drei Sprachen. Und direkt nebenan gibt es eine öffentliche Schule, deren Lehrer auf Katalanisch pochen. Diese Diskriminierung darf nicht sein.

Sie haben gegen das Urteil, das den TIL in Frage stellt, Einspruch eingelegt. Wie soll es weitergehen, falls Sie weiterregieren?

Genauso wie bislang - Spanisch, Mallorquinisch und Englisch sollen absolut gleichberechtigt sein. Wir müssen das Projekt kontinuierlich verbessern, mit den Ratschlägen von Experten und allen, die dazu etwas beizutragen haben.

Ihre Sprachpolitik sorgt für enormen Konfliktstoff - rächt sich das nun bei der Suche nach Koalitions­partnern?

Der TIL ist eine absolute Notwendigkeit. Und wer das nicht so sehen will, distanziert sich nicht nur von der PP, sondern auch von der Gesellschaft.

Gerichtsanhängig ist auch die Apotheken-Frage: Das Oberlandesgericht hat angeordnet, wegen der verspäteten Genehmigung von Apotheken strafrechtlich gegen Sie zu ermitteln. Befürchten Sie eine Vorladung?

Nicht im Geringsten. Ich weiß nicht, wie viele Anzeigen schon gegen mich erstattet wurden. Ich finde es traurig, dass in der Politik dieser Weg eingeschlagen wird.

Ihr politischer Stil wird durch die Bank als autoritär kritisiert - nicht nur von der Opposition, sondern auch in Ihrer Partei.

Wer das sagt, kennt mich nicht oder hat sich nicht richtig informiert. Ich gebe Ihnen nur ein Beispiel. Ich habe den Sozialisten eine Koalition angeboten - etwa so wie in Deutschland. Und was antwortet Frau Armengol? Dass sie niemals mit der PP regieren werde. Wie soll man zu einem Kompromiss kommen, wenn die andere Seite dies von vornherein ausschließt?

Zum Konsens gehören immer zwei. Mit Ihrer Mehrheit im Parlament hatten Sie es leicht, einsame Beschlüsse zu fassen.

Ich habe bei allen Gesetzen versucht, eine Einigung zu finden. Aber immer bekam ich die gleiche Antwort. Ich habe die Opposition dreimal hier in mein Amtszimmer eingeladen, damit wir uns über eine Verkleinerung des Parlaments einig werden und so Kosten sparen. Man hielt es nicht mal für nötig, abzusagen.

Die Kürzungen der vergangenen Jahre hatten vor allem Folgen für das Gesundheitssystem. Fast nirgendwo in Spanien wird so wenig pro Einwohner aufgewendet wie auf den Balearen. Der Ausschluss von Ausländern ohne Aufenthaltsgenehmigung aus dem staatlichen Gesundheitssystem wurde hier besonders streng gehandhabt, einem an Tuberkulose erkrankten Senegalesen wurde die Behandlung verweigert. Sind Sie übers Ziel hinausgeschossen?

Als wir die Regierung antraten, stand das Gesundheitssystem vor dem finanziellen Kollaps, Rechnungen wurden zum Teil mit drei Jahren Verzögerung bezahlt. Nach unseren Effizienzanstrengungen trägt sich das System wieder, wir zahlen unsere Rechnungen innerhalb von 30 bis 50 Tagen. Die Grundversorgung wurde vollständig aufrechterhalten. Wir haben sogar Gehaltszulagen wieder eingeführt, die vor unserer Zeit gestrichen wurden. Es stimmt, die Balearen sind die Region mit den geringsten Pro-Kopf-Ausgaben in der Gesundheitsversorgung. Das ist die Folge des Systems der Regionen­finanzierung, das die spanische Regierung in der kommenden Legislaturperiode reformieren will.

Sie sprechen von Haushaltssanierung - allerdings betrug das Defizit im vergangenen Jahr 1,7 Prozent, der Schuldenberg verdoppelte sich auf 9 Milliarden Euro.

Das mit den 9 Milliarden Euro ist eine Lüge der Opposition - auf diesen Wert kommt kein Ökonom. Es sind 7,888 Milliarden. Warten Sie, ich werde es Ihnen vorrechnen (holt Stift und Zettel). Schulden, die wir vorfanden: 5,25 Milliarden Euro. Plus 1,6 Milliarden Euro Lieferanten-Schulden. Auch das muss bezahlt werden. Wir haben uns deswegen Geld von der Bank geholt, um die Lieferanten zu bezahlen. Die Differenz zwischen diesen insgesamt 6,85 Milliarden Euro und den jetzigen Bankschulden in Höhe von 7,888 Milliarden Euro beträgt also etwa 1 Milliarde. In der vergangenen Legislaturperiode lag die Neuverschuldung bei einer Milliarde Euro pro Jahr, heute ist es in vier Jahren eine Milliarde. Und wenn wir bei der Bank anklopfen, bekommen wir Kredit - das war früher nicht so.

PP und Sozialisten ist gemein, dass sie von den neuen Parteien als Establishment angesehen werden. Fühlen Sie sich der ´Kaste´ zugehörig, wie es Podemos formuliert?

Schauen Sie, das sind Argumente von Parteien, die angetreten sind, um selbst zur Kaste zu werden.