Francina Armengol ist ein alter Hase im politischen Betrieb auf den Balearen: Vor und nach ihrer Zeit als Präsidentin von Mallorcas Inselrat (2007-2011) war sie Fraktionssprecherin der Sozialisten im Balearen-Parlament. Bei Vorwahlen im Frühjahr vergangenen Jahres setzte sie sich knapp gegen Aina Calvo, die frühere Bürgermeisterin Palmas, als Spitzenkandidatin durch. Mit ihrem politischen Kontrahenten José Ramón Bauzá verbindet die 43-Jährige das Pharmazie-­Studium.

Frau Armengol, ein neues Linksbündnis könnte wohl nur unter Beteiligung der neuen Partei Podemos zustande kommen. Haben Sie sich schon mit deren Spitzenkandidat Alberto Jarabo auf einen Kaffee getroffen?

Jetzt macht erst einmal jede Partei ihren Wahlkampf. Wir glauben, dass die Balearen einen Machtwechsel brauchen, und den können wir Sozialisten am sichersten bewerkstelligen. Unsere Partei kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, steht aber auch für die Zukunft. Wir sind eine ernsthafte Partei mit Regierungs- und Oppositionserfahrung und kompetenten Politikern - das ist es, was wir angesichts der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme brauchen.

Das heißt, Podemos wäre kein ernsthafter Bündnispartner?

Nein, das meine ich nicht, ich erkläre nur die Unterschiede. Es ist auch einfach so, dass Podemos bislang vor allem einen spanienweiten Fokus hatte.

Die regierende Volkspartei hatte mit unzähligen Problemen zu kämpfen - Korruptionsfälle in ganz Spanien, soziale Konfrontation, Sprachen-Streit. Warum ist es den Sozialisten nicht gelungen, vor diesem Hintergrund an Popularität zu gewinnen?

Derzeit kennen wir nur die Umfragen, das Wahlergebnis bleibt abzuwarten. Viele Menschen sind aber in der Tat politikverdrossen und enttäuscht. Es lief aber auch eine intensive Medienkampagne gegen das Zwei-Parteien-System - ohne dass wirklich klar geworden wäre, welche Vorteile ein anderes System hätte. Ich respektiere ganz klar alle neuen politischen Optionen, die demokratisch zustande kommen. Aber auch wir haben unseren politischen Stil geändert. Ich habe mich Vorwahlen gestellt, an denen 15.000 Personen teilnahmen - 12.000 davon waren nicht Mitglieder unserer Partei. Auch das Programm wurde auf einem offenen Parteitag erarbeitet. Jetzt wollen wir die Früchte ernten.

Spanienweit wurde der Wandel der Sozialisten mit der Wahl des neuen Vorsitzenden Pedro Sánchez sichtbar. Ist die Botschaft der Erneuerung auch auf den Balearen angekommen?

Auch auf den Inseln haben wir uns in den Formen und Inhalten gewandelt. Wie gesagt: Ich habe mich erstmals Vorwahlen gestellt. Und von den zehn Erstplatzierten auf meiner Liste sind nur drei zuvor angetreten. Die Erneuerung ist umfassend.

Eines der beherrschenden ­Themen des Wahlkampfs ist die Wiedereinführung der Touristen­abgabe Ecotasa. Bekennen Sie Farbe!

Die Balearen sind unterfinanziert, wir werden von der Regierung Rajoy behandelt wie ein Entwicklungsland. Die Landes­regierung von Bauzá hat dem nichts ­entgegengesetzt. Für unser ehrgeiziges Sozialprogramm brauchen wir finanzielle Mittel. Deswegen wollen wir eine Ecotasa einführen, falls keine bessere Finanzierung zustande kommt. Der Tourismus erfordert umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur. Allerdings haben sich die Dinge seit der Ecotasa vor zehn Jahren stark verändert, deswegen muss man die Details jetzt überdenken.

Das heißt?

Für Details ist es noch zu früh, wir sprechen von einer Möglichkeit. Klar ist aber, dass die Einnahmen dem Tourismus zugute kommen müssten, um die Balearen als Reiseziel attraktiver zu machen. Klar ist auch, dass nicht nur die Hotels einbezogen werden dürften. In Katalonien ist übrigens bei der Einführung einer Tourismussteuer auch nichts Schlimmes passiert.

Die Hoteliers haben sich im Wahlkampf gegen die Steuer positioniert. Halten Sie das für legitim?

Ich würde nicht von den Hoteliers sprechen, sondern einem bestimmten Verband. Ich halte diese Positionierung für einen Fehler.

Die Konzessionsvergabe für Palmas Kongresspalast wurde erneut verschoben. Haben Sie eine Lösung für die verfahrene Situation anzubieten?

Das ist das Erbe der PP und ein Beweis des schlechten Managements. Nachdem so viele Millionen Euro in das Projekt investiert wurden, müssen wir alles Mögliche und Unmögliche tun, damit der Kongresspalast schnell und mit allen rechtlichen Garantien in Betrieb gehen kann, und der Konzessionär den fälligen Betrag zahlt.

Schauen wir uns die Arbeitsmarktpolitik an. Einer Ihrer Vorschläge ist, 5.000 Jobs bei den Gemeinden zu schaffen. Sind Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung der richtige Weg zur Lösung der Jobkrise?

Nein, das ist nur ein kleiner Teil unseres Programms. Es gibt eine Entwicklung hin zu immer prekäreren Jobs - auch bei einer Anstellung reicht das Einkommen oft nicht bis zum Monatsende, und die Arbeitslosenrate beträgt mehr als 22 Prozent. Wir wollen erreichen, dass die spanienweite Arbeitsmarktreform zurückgenommen wird. Nur so kann der verfassungsmäßig vorgeschriebene Ausgleich zwischen Arbeitgebern und -nehmern wieder hergestellt werden. Auf den Balearen wollen wir vier Prozent des Haushalts in aktive Arbeitsmarktpolitik investieren. Das Arbeitsamt wurde quasi seiner Funktion beraubt, 30.000 Personen haben sich nicht mal mehr arbeitssuchend gemeldet. Wir wollen, dass das Arbeitsamt die Menschen weiterbildet, etwa die in der Krise arbeitslos gewordenen Bauarbeiter. Wir brauchen ­qualifizierte Mitarbeiter für die Pflegeversicherung, deren Umsetzung wir endlich vorantreiben wollen. Ähnliches gilt für die Früherziehung oder erneuerbare Energien. Die 5.000 Jobs in den Gemeinden sind dagegen für Langzeitarbeitslose über 45 gedacht. Ihre Vermittlung ist sehr schwierig, ihnen wollen wir in einer verzweifelten Situation eine Brücke bis zum Renteneintritt bauen.

Wenn es mit der besseren Regionen­finanzierung nicht klappt, können Sie dann einen Großteil Ihres Programms abschreiben?

Nein, ein großer Teil dreht sich auch um Rechte und Freiheiten. Ich möchte aber betonen, dass wir während der Regierung der Sozialisten eine Gleichbehandlung mit anderen Regionen und bedeutende Direkt­investitionen erreicht haben.

Das für die Playa de Palma versprochene Geld floss niemals €

2011 war unser letztes Regierungsjahr, das hätte bereits Bauzá mit der Zentralregierung klären müssen. Pedro Sánchez hat versprochen, die Nachteile unserer Insellage ­finanziell zu berücksichtigen.

Sie haben in dieser Legislatur­periode gemeinsam mit den Lehrern gegen den von der PP eingeführten dreisprachigen Unterricht an den Schulen (TIL) protestiert. Ihr Einsatz für die katalanische Sprache ist klar. Aber wo in Ihrem Wahlprogramm kommt der dringend zu verbessernde Englisch-Unterricht vor?

Zunächst einmal: Ausbildung ist nicht nur Sprache. Die Schulabbrecherquote etwa ist noch einmal um zwei Punkte gestiegen. Zur Bildungspolitik gehören zudem auch Schulspeisung, Schulmaterial und Schultransport. Natürlich sind wir für besseren Englisch-Unterricht. Aber dafür braucht es die nötigen Mittel, die nötige Weiterbildung der Lehrer und den Respekt vor der Eigenverantwortung der Schule. Man kann das Drei-Sprachen-Modell doch nicht ohne Weiterbildung der Lehrer und ohne ausreichendes Vorwissen der Schüler pauschal auf alle Schulen anwenden. Das Ergebnis ist, dass die Schüler letztendlich weniger Englisch und weniger Mathematik lernen.

Die Lösung kann aber doch auch nicht sein, dass die ideologischen Gegensätze auf den Balearen auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden.

Wir brauchen Dialog und Konsens, auch mit der PP. Ich habe Bauzá zehnmal um ein Treffen gebeten, um über Bildung zu sprechen, und ich habe keine einzige Antwort bekommen. Noch niemals gab es solche Konflikte. Die Grundlage der Sprachpolitik hatte einst die PP gelegt, und wir haben sie nicht angerührt. Bauzá hat also einseitig den Konsens aufgekündigt. Nicht umsonst rebellieren auch PP-Bürgermeister gegen Bauzá. Er wollte nicht auf 100.000 Demonstranten hören, letztendlich mussten ihm die Richter Einhalt gebieten.

Jetzt haben Sie mit Ihren Argumenten vielleicht viele Leser überzeugt. Auf einem anderen Blatt steht aber, ob diese nach den Erfahrungen mit Antich noch einmal ein wackliges Mitte-Links-Bündnis haben wollen.

Die PP hatte in dieser Legislaturperiode die absolute Mehrheit und beinahe absolutistisch regiert. Es gab drei Gesundheitsminister, drei Bildungsminister, zwei Tourismuspolitiker, drei Minister für öffentliche Verwaltung, zwei Wirtschaftsminister, drei Regierungsumbildungen. Die Volkspartei hat gezeigt, dass sie nicht wirklich für eine stabile Regierung steht.

Wenn die PP schlecht regiert, macht das Ihre Regierung nicht automatisch besser €

Die PP hat aber gezeigt, dass sie auf keinen Fall besser als eine Koalitions­regierung ist. Der andere Punkt ist: Wir werden im neuen Parlament voraussichtlich ein zersplittertes Parteienspektrum haben. Es wird auf jeden Fall ein neues Bündnis nötig sein, sei es Mitte-Rechts oder Mitte-Links. Wer kann da am besten mit Konsenspolitk einer Koalitionsregierung vorstehen? Wer steht für Dialog, Bauzá oder ich? Ich denke, die Antwort liegt auf der Hand.