Laurent Bastianelli schüttelt nur mit dem Kopf. Nein. Angst, dass einer seiner Schüler mit dem Surfbrett draußen auf dem Wasser verloren gehe, habe er nicht. „Dass ist hier doch gar nicht möglich", sagt der Franzose und zeigt hinaus aufs Meer. Rund 200 Meter von der Playa s´Estany und seiner Surfschule entfernt liegen an diesem Sonntagvormittag mehr als zwei Dutzend Segelyachten und Motorboote vor-, hinter-, und aneindergereiht vor Anker. „An denen kommt so schnell keiner vorbei", sagt Laurent Bastianelli.

Kein Einzelfall. An vielen Küsten­abschnitten Mallorcas ähneln ganze Flotten von ankernden Freizeityachten zwischen Juli und Ende August schwimmenden Barrieren. Nach Schätzungen des regionalen Seenotrettungsdienstes sind an einem Hochsommertag zwischen 10.000 und 15.000 Yachten, Boote und andere Wasserfahrzeuge in den Gewässern rund um die Balearen unterwegs. Maritime Rushhour herrscht vor allem an Sonn- und Feiertagen, wenn sich zu den Scharen ausländischer Bootseigner und Charterurlauber auch Tausende einheimischer Hobbyskipper gesellen.

An den Stränden selbst hält sich die Kritik an den schaukelnden Masten-Wäldern in Grenzen. Für viele Chiringuito- und Restaurant-Betreiber entlang der Küsten sind vor Anker liegende Yachten vielmehr zu einer lukrativen Einnahmequelle geworden.

Weniger erfreut über das hochsommerliche Verkehrsaufkommen auf dem Meer ist man dagegen bei den Umweltschützern. „Die zunehmende Massifizierung von Booten und Yachten an den Küsten ist ökologisch unhaltbar geworden", sagt Neus Prats, Meeresbiologin und Sprecherin der Umweltschutzorganisation Gob. Ihrer Meinung nach fehle es an jeglicher Kontrolle hinsichtlich der gesetzlichen Vorgaben für Freizeitskipper auf den Balearen. „Die meisten Bootsführer ignorieren das Ankerverbot über den Seegraswiesen der Posidonia. Dabei kann bereits eine einzelne Yacht mit dem Anker knapp einen Hektar Seegras zerstören."

Unrat im Wasser €

Ebenfalls außer Kontrolle geraten sei die unter Hobby-Kapitänen seit eh und je gängige Verklappung von Fäkalien. „Es ist unbegreiflich, dass es nach internationalem Seerecht immer noch erlaubt ist, den Inhalt der Bordtoilette auf hoher See einfach ins Meer zu leiten. Viele Skipper tun das auch in küstennahen Gewässern. Sie scheren sich nicht darum, wo und wie die Fäkalien entsorgt werden können. Einige Buchten auf Mallorca gleichen im Sommer Kloaken", prangert Prats an. Dazu käme Plastikmüll, der aus Unachtsamkeit oder Ignoranz über Bord geworfen werde und Playas und Calas verschmutze. Die Umweltschutzorganisation fordert aus all diesen Gründen eine drastische Reduzierung der Zahl von Freizeityachten auf den Balearen. „Zudem muss das Ankern vor Stränden und in Buchten massiv eingeschränkt oder ganz verboten werden", so Prats. Die Landesregierung stehe in der Pflicht, das illegale Treiben vieler Skipper entlang der Küsten viel stärker als bisher zu kontrollieren und mit hohen Bußgeldern zu bestrafen.

Bei der Kreuzer-Abteilung des deutschen Segelverbandes, mit rund 18.000 Mitgliedern eine der größten Organisationen für Freizeitskipper in Europa, hält man die Forderungen des Gob für vollkommen überzogen. „Die Zeiten, in denen man Boote und Yachten als Umweltsünder hätte anprangern können, sind auf den Balearen doch längst vorbei", meint Martin Muth, Mittelmeer-Experte für die Kreuzer Abteilung. Mallorca und die Nachbarinseln seien aufgrund klarer Vorschriften, die auch beachtet würden, ein ökologisch sauberes und vorbildliches Revier in Europa. „Dass Ankern über Posidonia-Wiesen verboten ist, dürfte jedem Charterurlauber und Freizeitskipper dank jahrelanger Info-Kampagnen in Häfen und Marinas bekannt sein. Außerdem wurden in den vergangenen Jahren an einigen Küsten­abschnitten Bojenfelder ausgebracht, um die Seegraswiesen vor Ankerschäden zu schützen."

€und am Strand

Dass Fäkalien direkt vor den Küsten verklappt würden, sei eine pure Unterstellung. „In jedem Hafen gibt es Abpumpstationen, die auch in Anspruch genommen werden", so Muth. „Außerdem gibt es an den meisten Badestränden nicht einmal Toiletten", geht der erfahrene Segler zum Gegenangriff gegenüber, „die Leute gehen stattdessen in die Dünen". Das zu ändern, wäre ein besseres Betätigungsfeld für den Gob.

Falsch sei ebenfalls die Behauptung, dass Freizeitskipper auf den Balearen im rechtlichen Niemandsland schippern würden. „Die Kontrollen in Buchten und an den Küsten sind scharf. Die 200-Meter-Sicherheitszone zum Ufer ist an den meisten Playas durch Bojenketten abgesichert." Auch könne von einer angeblichen Massifizierung von Freizeityachten an den Küsten keine Rede sein. „Wir sprechen hier doch lediglich von einem Zeitraum von sechs bis acht Wochen, in denen der Andrang vor den Stränden etwas größer ist. Und dann sind die Playas selbst ebenfalls brechend voll. Es ist eben Hochsommer!"

Umfrage: Nehmen die Yachten an den Badestränden Mallorcas überhand?

So wie beispielsweise in Portals Vells. Die zur sogenannten Dreifinger-Bucht zählende Cala südwestlich von Palma zählt dank ihrer geschützten Lage neben der Playa Es Trenc und den Buchten im Nordosten Mallorcas zu den beliebtesten Anker- und ­Liegeplätzen im Hochsommer. Bis zu 200 Boote und Yachten liegen an einem Tag dicht aneinandergereiht in der türkisfarbenen Cala.

Ohne Paco Tous würde hier das reinste Chaos herrschen. Der Angestellte des direkt an dem kleinen Sandstrand gelegenen Restaurants „Es Recó" arbeitet seit mehreren Jahren als inoffizieller Strand- und Parkwächter. „Im August platzt die Bucht aus allen Nähten - wie overbooking ist das", sagt Tous. Dann muss er gleich mehrmals am Tag mit seinem Schlauchboot rausfahren, um für Recht und Ordnung zu sorgen. „Es kommt ständig vor, dass Yachten beim Verlassen ihres Liegeplatzes die Ankerkette eines Nachbarn mitreißen. So dicht liegen die hier nebeneinander."

Rentable Bojen

In anderen stark frequentierten Buchten der Insel wie beispielsweise an der Punta de l´Avançada bei Pollença versuchte die Gemeinde vor ein paar Jahren, den Andrang von ankernden Booten mit Liegebojen in den Griff zu bekommen. Ankern wurde dort generell verboten. Doch der anfangs kostenlose, später gebührenpflichtige Service stieß insbesondere bei einheimischen Skippern auf harsche Kritik. Aufgrund des zunehmenden öffentlichen Drucks musste die Gemeinde dem für die Vermietung der Bojen zuständigen Konzessionsunternehmen im vergangenen Jahr vorübergehend die Lizenz entziehen.

Mit Unterstützung der Landesregierung und der spanischen Küstenbehörde plant die Gemeinde nun, im kommenden Jahr, mehr als 260 Liegebojen in der Bucht von Pollença auszulegen - und zu vermieten. Eine Idee, die auch anderswo Schule macht. So liegen dem zuständigen spanischen Umwelt­ministerium in Madrid auch Anträge zur Auslegung von Liegebojen an der Küste von Campos und Llucmajor vor.

Gob-Sprecherin Neus Prats hält Bojenfelder als maritime Parkplätze auf den Balearen für die beste Möglichkeit, dem Ansturm von Freizeityachten an den Küsten endlich einen Riegel vorzuschieben. „So können dann in einer Bucht oder vor einem Strand nur so viele Boote liegen, wie es Bojen gibt."

Und wer soll da noch kommen?

In der von der Wirtschaftskrise eh schon arg gebeutelten Charterbranche auf den Balearen hingegen will man von solchen Vorschlägen nichts hören. „Wenn die Leute auch noch für das Liegen in Buchten und an Playas abkassiert werden, kommt hier keiner mehr", fürchtet Cristina Sastre, Präsidentin des balearischen Yachtcharterverbandes APEAM. Sie könne die ganze Aufregung um eine angebliche Belästigung durch Freizeityachten an den Stränden sowieso nicht verstehen. „Yachten und Boote, die im Sommer auf dem Wasser schaukeln, gehören doch bereits genauso zum Urlaubsbild von Mallorca wie Sonne und Strand."