Die Felsen, von denen aus man die Cala s´Almonia mit ihren Fischerhäuschen und Mallorcas schroffe Südküste überblicken kann, sind einer von Uwe Ochsenknechts Lieblingsplätzen auf der Insel. Früher sei er oft mit Musikerkollegen hergekommen. „In Vollmondnächten tranken wir ein Glas Wein und schauten aufs Meer", erzählt der Schauspieler. In einem Porträt über Ochsenknecht, das Arte vor gut sieben Jahren drehte, sollte der Ort deshalb nicht fehlen - und so rückten die Kameras auf dem paradiesischen Fleckchen Erde an.

Hans-Peter Oehm tat damals, was er immer tat, wenn mal wieder jemand ohne zu fragen in seinem Garten zugange war: Er wies freundlich darauf hin, dass man sich auf privatem - genauer gesagt: seinem - Grund befinde und eigentlich vor den Dreharbeiten um Erlaubnis hätte fragen müssen. Ochsenknecht und das Fernsehteam reagierten erstaunt. Wie vor und nach ihnen auch andere - Badegäste, Picknicker, Liebes­pärchen oder Wildcamper -, die sich Sommer wie Winter auf seinem Anwesen tummeln.

Und so klärte Oehm, wieder einmal, auf: Caló des Moro und Cala s´Almonia seien natürlich wie alle Strände Mallorcas öffentlich. Doch das weitläufige Gelände um die Moro-Bucht gehöre ihm - was an sich überhaupt nicht verwunderlich ist: Fast die gesamte Insel befindet sich schließlich in Privatbesitz. Der Unterschied ist nur, dass der ­deutsche Unternehmer, der zusammen mit seiner Frau Maren die Firma „Piedra de Santanyí" für Architektur, Bauleitung und Inneneinrichtung betreibt, sein 40.000 Quadratmeter großes Grundstück nicht hermetisch abriegelt. Statt nur den gesetzlich vorgeschriebenen Strandzugang offen zu lassen, ist praktisch das ganze Areal frei zugänglich. Mit allen Konsequenzen: Die Leute werfen ihren Müll weg, hinterlassen ihre Notdurft und Klopapier in den Büschen, reißen Pflanzen aus und zertrampeln mühsam aufgepäppelte Triebe.

Doch das sei allemal noch besser als ein Hotel samt Tennisplätzen, Minigolfanlage und Lustschlösschen auf den Klippen, das ursprünglich auf dem Halbinselchen entstehen sollte, sagt Hans-Peter Oehm - der das Bauprojekt abwenden konnte, indem er das gesamte Grundstück 1998 selbst erwarb.

Die Gegend nahe Cala Llombards kannten Oehm und seine Frau bereits, da sie seit einigen Jahren ein Ferienhaus - ohne Strom und fließend Wasser - in Cala s´Almonia besaßen. Weil sie sich schnell in die Ecke verliebt hatten, sagte Oehm einmal zu einem mallorquinischen Bekannten: „Gib Bescheid, wenn du mitbekommst, dass hier was verkauft wird." Und so trudelte eines Tages ein Fax ins Haus, das den gelernten Schreiner und Innenarchitekten gleichermaßen überraschte wie reizte. „Ich wusste ja selbst nicht, dass das Gelände einer Privatperson gehörte", erzählt Oehm. Der Besitzer, der es nun los werden wollte, war ein gewisser Earl of Bradford, mit dem er umgehend Kontakt aufnahm. Der Haken: Der Brite suchte einen Käufer, der das geplante Hotelprojekt verwirklichte. Ein halbes Jahr lang reiste Oehm deshalb immer wieder nach England, redete auf die Adels­familie ein, bitte, bitte von dem Vorhaben abzulassen.

Als die Tochter des inzwischen verstorbenen Earls endlich einwilligte, fehlte nur noch das Geld. Über die Verkaufssumme will Oehm nicht sprechen, doch mit dem Verkauf einer seiner Firmen in Deutschland konnte er schließlich zuschlagen - und seinen Lebensmittelpunkt fortan nach Mallorca verlagern. Das frühere Urlaubschalet sollte nun gegen ein richtiges Haus getauscht werden, das die Familie - inzwischen waren zwei Töchter geboren - oben am nördlichen Grundstücksrand und mit traumhaftem Blick über das Halbinselchen und die Moro-Bucht errichtete.

Wobei die Nachbarn sie anfangs ganz schön schief beäugten, erinnert sich der Kölner. „Die dachten, ich hätte bestimmt den Bürgermeister bestochen und würde nun doch ein riesiges Hotel in die Landschaft stellen." Während der Bauarbeiten haben Unbekannte die Wände beschmiert, einmal sogar mit Hakenkreuzen. Doch Hans-Peter Oehm ließ sich nicht abschrecken. „Ich bin ein ziemlich gefestigter Typ", sagt der 56-Jährige. Außerdem habe man ursprünglich ja eine andere Lösung angestrebt, nämlich dass die rund 40 Anwohner, größtenteils Mallorquiner, zusammenlegen, um das Anwesen gemeinsam zu erwerben und damit jegliche Bebauung zu verhindern. „Aber die Resonanz war gleich Null", sagt Maren Oehm. Also kauften sie alleine - nahmen sich dann aber zumindest die Freiheit heraus, künftig selbst auf dem Grundstück zu wohnen. Irgendwann muss es ja auch mal gut sein mit dem Altruismus.

Als das Haus stand, fing Hans-Peter Oehm an, sich über seinen nicht gerade kleinen Garten herzumachen. Als Erstes pflanzte er drei Kiefern, denen er die Namen seiner Frau und der beiden Töchter Marie und Alice gab, heute 16 und 14 Jahre alt. „Die haben schon als kleine Mädchen mitgeholfen, den ganzen Müll hier aufzusammeln", berichtet der stolze Vater. Sie hätten das Anwesen schließlich in erbärmlichem Zustand vorgefunden: übersät mit illegalen Grillplätzen, die Büsche voller Unrat, die Steinmauern eingefallen, das Erdreich abgetragen und die Vegetation längst nicht mehr so artenreich wie früher. Es gab also viel zu tun - und die Oehms packten an. In ihrer Freizeit, und ohne eine Heerschar an Gärtnern, die man problemlos auf dem Areal beschäftigen könnte. „Ich schlug die Löcher in den felsigen Boden, meine Frau und die Kinder setzte die Bäumchen ein." Damit diese überhaupt eine Chance hatten zu gedeihen, hätten sie zudem säckeweise Erde hinunterschleppen müssen.

Die Geschichte beeindruckte einst sogar den cool und abgebrüht wirkenden Uwe Ochsenknecht - der bis zu seiner ersten Begegnung mit Hans-Peter Oehm überzeugt davon war, dass nur ein unsympathischer russischer Oligarch es geschafft haben konnte, an so exponierter Stelle eine Traumvilla zu errichten. Nachdem er den wahren Haus­herren kennengelernt hatte, änderte er seine Meinung. Die beiden Männer freundeten sich an, und bald saß der Schauspieler während seiner Inselaufenthalte nicht mehr nur auf seinem Lieblingsfelsen, sondern ab und zu auch bei den Oehms auf der Terrasse.

Von dort aus wurde der Blick über das weitläufige Grundstück von Jahr zu Jahr besser. Die Familie erneuerte Treppen und Wege, brachten Geländer, Absperrungen und Hinweisschilder an, installierten eine unterirdische Bewässerungsanlage. Und pflanzten nach und nach an die 2.000 größtenteils einheimische Bäume und Sträucher: Etwa sabinas, eine Wacholderart, die dort seit Jahrhunderten wuchs, aber auch Steineichen, Zwergpalmen, Kakteen und Mastix-Sträucher. „Wir haben schon alles ausprobiert und zig Garten­experten um Rat gefragt", erzählt Hans-Peter Oehm. Doch auf dem erdarmem, steinigem Untergrund nah am salzigen Meerwasser wachse nicht viel, mehr als die Hälfte der Setzlinge geht wieder ein.

Auch der Rest wurde zur reinsten Sisyphos-Arbeit: Skrupellose Besucher rissen Pflanzen, die der Hausherr morgens eingesetzt hatte, am Nachmittag wieder heraus. Noch dreistere Ausflügler, die verbotenerweise auf dem Grundstück zelteten, sägten obendrein Kiefernäste ab, um Feuer zu machen - was aufgrund der Waldbrandgefahr streng verboten ist. Und die Seile, die Passanten eigentlich daran hindern sollten, von den Wegen abzugehen, wurden immer wieder abgerissen oder zerschnitten. Ja, sogar die Ventile der Bewässerungsschläuche konnte mancher offenbar gut gebrauchen.

Mit dem Reinemachen kam die Familie ebenfalls kaum hinterher. Die Vier konnten gar nicht so viel wegräumen, wie die Besucher liegen ließen. 2009 hatte eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe auf dem Anwesen sogar einen Brand ausgelöst, den Oehm mithilfe einiger Nachbarn zum Glück schnell unter Kontrolle bringen konnte. „Bis der Löschhubschrauber kam, dauerte es nämlich eine halbe Stunde, da wäre alles zu spät gewesen."

Der Ärger stieg mit der Anzahl der Badegäste, die Jahr für Jahr ­größer wurde. Die versteckte Bucht, die einst nur Ortskundige kannten, wird inzwischen in jedem besseren Reiseführer und Internetforum beworben. Das Magazin „Eltern" pries Caló des Moro als besonders kinderfreundlichen Strand an, die Zeitschrift „Geo" widmete dem Landstrich vor einigen Jahren eine mehrseitige Reportage - ohne auch nur mit einem Wort zu erwähnen, dass es sich um ein Privatgrundstück handelt. Weil dank Navi und GPS auch jeder Mallorca-Neuling problemlos dorthin finden kann, ist der Traumstrand in der Hoch­saison, wenn vor lauter Sonnen­schirmen und Handtüchern kaum mehr ein Sandkorn zu sehen ist, längst zum Albtraum geworden. Zumindest für die Oehms.

2012 platzte den Eigentümern schließlich der Kragen. „Meine Töchter hatten an einem Tag 135 Tampons aufgesammelt", erzählt Hans-Peter Oehm - der daraufhin im Rathaus von Santanyí vorstellig wurde. Mit einem Ordner voller notariell beglaubigter Fotos unterm Arm, die dem damaligen Bürgermeister Miquel Vidal das Ausmaß des Übels vor Augen führen sollten. Der Rathauschef hatte dem somit kaum etwas entgegenzusetzen - und größtes Verständnis für den Unmut des Deutschen.

Guter Rat war allerdings zunächst teuer. Den Gedanken, in den Felsenhöhlen über der Moro-Bucht eine Strandbar zu eröffnen, dessen Betreiber - wie auch in der nahen Cala Llombards - zugleich das Gelände und den Strand sauber halten sollte, verwarf man schnell wieder. Zum Glück, sagt Oehm heute. „Sonst wäre hier auch noch abends alles voller Leute."

Die Gemeinde versprach stattdessen anderweitig Hilfe - und spätestens seit Vidals Nachfolger Llorenç Galmés im Rathaus das Sagen hat, kommt sie auch tatsächlich an. Der junge PP-Bürgermeister spendierte den Oehms eine Häckselmaschine und bat die Chefin der Ortspolizei, dem Parkchaos an der Cala s´Almonia und Caló des Moro Einhalt zu gebieten. Seitdem schaue regelmäßig eine Streife vorbei und verteile Strafzettel, sagt Oehm. Daneben seien weite Teile der schmalen Zufahrtsstraße in Halteverbotszonen verwandelt worden, nachdem vor einigen Jahren bei einem Badeunfall nicht mal mehr der Krankenwagen durchkommen konnte. Auch wenn er illegale Zeltgäste in seinem Garten ausfindig gemacht habe, seien die Beamten nun umgehend zur Stelle.

Auf eigene Kosten haben die Oehms inzwischen einen Mitarbeiter angestellt, der im Sommer zehn Stunden und im Winter vier Stunden täglich im Einsatz ist. Der Mallorquiner namens Toni hält aber nicht nur das Anwesen samt Strand sauber, sondern muss vor allem zur Hauptsaison auch immer wieder unachtsame Besucher in die Schranken weisen: Nicht die Wege verlassen, kein Klopapier wegschmeißen, bitte nicht rauchen. Er habe gut zu tun. „Aber es wird jeden Tag besser." Nach und nach werde den Leuten eben doch bewusst, dass man dieses Naturparadies schützen müsse, damit es nicht für immer ­verloren geht.

Die einzigen Einnahmen, die die Oehms neben ihrer herkömmlichen Arbeit erzielen, stammen von Fernseh- oder Filmteams, von denen sie inzwischen Gebühren verlangen, wenn sie auf ihrem Grundstück drehen wollen. Günther Jauch etwa war im Rahmen der SKL-Show da, Christine Neubauer stand für den Fernsehfilm „Die Lebenslüge" vor der Kamera, sogar manche Szene aus „Verbotene Liebe" entstanden an der Südostküste Mallorcas. Und der Sender Vox ist besonders gern auf dem Landstück zwischen den beiden Traumbuchten zu Gast, weil die Kulisse gleichermaßen für Karibik, Malediven oder griechische Inseln taugt. „Das Geld, das wir damit verdienen, ist aber natürlich nicht für uns, sondern kommt dem Anwesen zugute", betont das Paar. Einer der Schecks sei beispielsweise in eine Steinmauer geflossen, die infolge der Erosion eingestürzt und nun neu aufgebaut wurde. „So etwas ist nämlich richtig teuer", sagt Oehm.

Um weitere - nicht nur ideelle, sondern auch finanzielle - Unterstützer zu gewinnen, haben Hans-Peter und Maren Oehm im Mai 2014 eine Stiftung gegründet. Von Anfang an mit an Bord waren der frühere Lufthansa-Vorstand Stefan Lauer und seine Frau Bettina, die ganz in der Nähe ein Feriendomizil besitzen, sowie Oehms Steuerberater Miquel Nadal. Mittlerweile bringen sich weitere Mallorquiner ein, etwa ein Schreiner, mit dem der deutsche Unternehmer seit Jahren zusammenarbeitet und der unter anderem die Infotafeln entlang der Wege zur Moro-Bucht anfertigte. Oder ein befreundeter Grafiker, der das Stiftungslogo entwarf.

Dass er damit endlich auch die Einheimischen auf seiner Seite hat, macht Hans-Peter Oehm besonders froh. „Man darf sich hier als Ausländer schließlich nicht aufführen wie die Axt im Walde." Besser sei es, sich um die Gunst der Inselbewohner zu bemühen - selbst wenn das viel Kraft und Ausdauer erfordern könne. Am Ende aber lohnt es sich, und misstrauisch beäugt werden die Oehms von ihren mallorquinischen Nachbarn längst nicht mehr. Mittlerweile scheinen sie viele eher zu bewundern - oder sich zu wundern, warum sie sich das alles eigentlich antuen und Tausende Menschen pro Jahr auf ihrem Privat­grundstück dulden. Man könnte es ja auch einfach, wie so viele, absperren und fertig.

„Man muss auch jönne könne", sagt Oehm, der sich selbst als Kölner Frohnatur bezeichnet. Und manchmal eben nicht alles ganz so ernst sehen. Wobei es manchmal schon zum Verzweifeln ist, wenn ein fotofreudiger Urlauber nicht mal vor dem familieneigenen Pool Halt macht oder man vom Balkon aus beobachten kann, wie Besucher ihre Picknick-Tische und Kühltaschen weit jenseits der markierten Wegen aufbauen. „Da schreie ich dann auch mal direkt runter", sagt Maren Oehm.

Mit Uwe Ochsenknecht hat die Stiftung inzwischen auch einen ­prominenten Fürsprecher gefunden. „Ich unterstütze das gerne, denn dieser Ort hat mir selbst so viel gegeben", sagt der Schauspieler, der in der Nähe wohnt und es sich nicht nehmen ließ, während des MZ-Besuchs persönlich vorbeizukommen. Auch Mallorca-Residentin Esther Schweins habe sich schon vor Ort umgesehen und sei ganz begeistert gewesen von dem Projekt, berichtet Hans-Peter Oehm - der zudem mit der Resonanz auf die erste Stiftungsparty vergangene Woche mit rund 60 Gästen höchst zufrieden ist. „Unser Ziel ist es zunächst, unseren Mitarbeiter Toni langfristig bezahlen und versichern zu können", sagt er.

Bitter nötig wäre allerdings auch zusätzliche Aufklärungsarbeit. An den Schildern, egal ob sie auf die Tatsache, dass es sich um Privatgrund handelt, oder auf das strikte Rauch- und Feuerverbot hinweisen, laufen schließlich immer noch zu viele Menschen einfach vorbei. „Wir müssten wahrscheinlich oben am Eingang ein Häuschen aufstellen mit einem Freiwilligen drin, der den Leuten all das erklärt", sagt Maren Oehm. Den Anfang könnten ja ihre Töchter während ihrer Sommerferien machen, überlegt sie. Vielleicht fände sich außerdem ein Student, der nicht am Ballermann jobben, sondern sich für den Erhalt von Mallorcas Natur engagieren möchte?

Uwe Ochsenknecht jedenfalls ist von dem Vorschlag sofort angetan. „Da würde ich auch die ein oder andere Schicht übernehmen."