Es war im vergangenen Frühsommer, Luis Riu hatte seine Frau zu einer Reise auf die Malediven eingeladen. Man schipperte ein paar Tage im türkisblauen Meer zwischen jungfräulichen Eilanden umher, die von weißem Sand und Kokospalmen gesäumt und mit üppigen Tropenwäldern bewachsen sind. Zwei der kleinen Inselchen gefielen dem Mallorquiner besonders gut - und so zückte er sein Portemonnaie und kaufte ein Stück vom Paradies.

Noch in diesem Jahr sollen auf Kedhigandu und Maafushi die Bauarbeiten für die ersten beiden Hotels der mallorquinischen Riu-Kette in dem Inselstaat beginnen. Mitten im Indischen Ozean. Es sei das schwierigste Unterfangen, das er Zeit seines Lebens in Angriff genommen habe, sagte Vorstandschef Luis Riu kürzlich in einem Interview mit dem Branchendienst „Reportur". „Das sind zwei Inseln, auf denen gibt es nichts, null, nada." Noch weniger als einst in Punta Cana, von wo aus man Anfang der 90er-Jahre die Karibik zu erobern begann. Da sei wenigstens die Hauptstadt Santo Domingo in drei Autostunden erreichbar gewesen. Nun müsse vom Bagger über die Ziegelsteine bis zu den Liegestühlen alles mit dem Schiff herangeschafft werden, vom nächstgelegenen Hafen, acht Stunden entfernt. In zwei Jahren soll die logistische Meisterleistung vollbracht sein. Ein Riu Palace mit 174 und ein Riu Classic mit 248 Zimmern sollen 2018 eröffnen.

Die mindestens 140 Millionen Euro teure Malediven-Mission ist der Paukenschlag im Asienfeldzug des mallorquinischen Unternehmers - aber nicht sein erstes Manöver auf dem größten Kontinent der Erde. Mit 40 Prozent ist Riu bereits an einem 500-Zimmer-all-inclusive-Hotel an einem einst unberührten Strand von Sri Lanka beteiligt, das im Juli die ersten Gäste empfangen wird. Längst in Planung ist außerdem ein riesiges Strand-Resort in Dubai, das bis 2019 auf den Deira-Inseln entstehen soll. Für den Bau des 750-Zimmer-Komplexes ist Riu ein Joint Venture mit Nakheel, einem der größten

Baulöwen im Mittleren Osten, eingegangen.

Pionierarbeit im Jahr 1985

Der Erste in Asien war allerdings ein anderer mallorquinischer Hotelier: Gabriel Escarrer, der Gründer des Meliá-Imperiums. Auf einer Indonesien-Reise vor mehr als 30 Jahren lernte er einen einheimischen Geschäftspartner kennen, mit dem er bereits 1985 das erste Resort auf Bali eröffnete. Schnell kamen drei weitere Hotels in Indonesien, eines in Malaysia und eines in Vietnam hinzu. „Unser Präsident hat damals schon das Potenzial des asiatischen Kontinents erkannt, das war seine Vision", sagt Bernardo Cabot, der seit 2010 von Schanghai aus das Asien-Pazifik-Geschäft von Meliá leitet.

Allerdings war das damals nur ein punktuelles Engagement. Richtig Fahrt aufgenommen hat die Fernost-Expansion erst mit Cabots Umzug nach China und der damit einhergehenden Eröffnung der ersten Asien-Dependance. Inzwischen stehen auf dem Kontinent 13 Meliá-Hotels - zwei davon auf der Arabischen Halbinsel, in Doha und Dubai. Mit einigen der 21 anvisierten Neueröffnungen bis 2019 - derzeit liegt der Rhythmus bei einer alle sechs Wochen - will Meliá außerdem nach Myanmar, Thailand, in den Iran und die Mongolei vordringen.

Sein Comeback in Asien plant indes der Barceló-Konzern - nach einem ersten Intermezzo im Jahr 2000, als das mallorquinische Unternehmen ein Hotel in Schanghai übernommen hatte, sechs frustrierende Monate später aber bereits wieder aus dem Management­vertrag ausgestiegen war. Diesmal soll es besser laufen - mit potenzierter Schlagkraft: Mit einem einheimischen Partner - die Verhandlungen gehen gerade in die heiße Phase - will Barceló zunächst chinesisches Großstadt-Terrain erobern und mittelfristig mehrere Dutzend Hotels in der Volksrepublik eröffnen. Wer nach China gehe, brauche ausreichend kritische Masse, sonst rechne sich das Unterfangen nicht, erklärte vor Kurzem einer der Vorstandschefs - der auch Thailand und dessen Nachbarstaaten auf dem Radar hat.

Für einen Globalplayer Pflicht

Die Gründe für den Ostdrall der mallorquinischen Hoteliers, die allesamt mit dem Tourismusboom auf der Insel groß und mächtig geworden sind, liegen für Helena Burstedt auf der Hand: „Asien wird als internationales Reiseziel immer wichtiger", sagt die auf die Hotelbranche spezialisierte Partnerin der Unternehmensberatung Ernst?&?Young. Und die Statistiken geben ihr recht: Allein zwischen 2012 und 2015 ist die Zahl der internationalen Touristenankünfte im Asien-Pazifik-Raum von 234 auf 277 Millionen gestiegen. Einen Markt mit derart großem Potenzial könne sich ein Hotelier nicht entgehen lassen. „Man braucht heutzutage Präsenz in Asien, wenn man ein Globalplayer sein will."

Ein starkes Standbein in Fernost schaffe zudem ein Gleichgewicht, falls es mal in anderen Erdteilen krisenbedingt nicht so gut laufe, erklärt Bernardo Cabot von Meliá - der allerdings bei Weitem nicht nur die internationalen Touristen im Visier hat. „Wir reden hier von einem Kontinent mit 4,4 Milliarden Einwohnern und Ländern, deren wirtschaftliche Entwicklung im Eiltempo voranschreitet." Anders als in der Karibik, wo der Fokus lange fast ausschließlich auf ausländischen Urlaubern lag, und auch anders als bei den ersten Asien-Eröffnungen in den 80er-Jahren, die ganz klar für Kunden gedacht waren, die Meliá bereits aus anderen Destinationen kannten, dreht sich der Spieß nun um. „Jetzt spielen in dieser Region die asiatischen Kunden selbst die Hauptrolle", sagt Cabot. Allein China wandle sich gerade zum wichtigsten Quellmarkt weltweit, Prognosen zufolge werden bereits 2020 mehr als 200 Millionen Chinesen im Ausland Urlaub machen. Auch Japaner, Südkoreaner und Indonesier würden immer reisefreudiger - letztere allerdings vor allem innerhalb der eigenen Landesgrenzen.

Für ausländische Hoteliers sei dieses Potenzial nicht nur vor Ort interessant, sagt Helena Burstedt von Ernst & Young. „Das ist die Chance schlechthin, um sich in diesem Markt einen Namen zu machen, eine Marke zu schaffen." Egal ob der asiatische Gast die Kette in Schanghai oder Kuala Lumpur kennengelernt habe - auf späteren Reisen nach Spanien, Europa oder auf einem anderen Kontinent komme er vielleicht auf die bereits vertraute Hotelmarke zurück.

Hallo, Freund aus China!

Um das Potenzial dieses Marketinginstruments besonders effi­zient zu nutzen, hat Meliá eigens ein Konzept namens „Pengyou by Meliá" kreiert. Pengyou bedeute Freund auf Chinesisch, das Programm richte sich somit spe­ziell an Kunden aus dem Reich der Mitte, erklärt Bernardo Cabot. In mittlerweile 80 Hotels weltweit - nicht nur in Asien - fänden chinesische Gäste an der Rezeption stets einen Angestellten, der ihre Sprache spricht, in der Mini-Bar einige Becher mit Instant-Noodeln und im Fernsehen mindestens einen chinesischen Kanal. „Außerdem achten wir darauf, dass sie niemals ein Zimmer im vierten Stock oder mit einer Nummer, die die Ziffer vier enthält, bekommen. Die Vier gilt doch in China als Unglückszahl", sagt Cabot.

Von der Unternehmensberaterin gäbe es hierfür vermutlich ein Fleißbildchen. Wer in Asien investiere, müsse zwangsweise auf den einheimischen Markt setzen, sagt Helena Burstedt. Denn mit der halben Million Spanier, die jährlich nach Asien reisen, könnte man höchstens ein paar Tausend Hotelzimmer füllen - wobei die Zahl sicherlich steigen dürfte, je mehr Hotels die einschlägigen Ketten in Fernost eröffnen. „Spanier bevorzugen Unterkünfte, wo man ihre Sprache spricht und sie alles wie gewohnt vorfinden."

Bei der Hotelkette Riu, die zu 50 Prozent dem deutschen Reise­veranstalter TUI gehört, denkt man insbesondere an die europäische Stammkundschaft. Vor allem Deutsche und Briten wolle man in Zukunft auch für die Hotels in Asien begeistern - nicht umsonst wird das beliebte All-inclusive-Konzept gleich mit exportiert. Daneben spiele natürlich auch die asiatische Klientel eine wichtige Rolle, heißt es aus der Riu-Presseabteilung. Auf seinen jüngst erworbenen Inseln differenziert Luis Riu deshalb nur nach Dicke des Geldbeutels: die gut Betuchten kommen ins Vier-Sterne-, die High-End-Gäste ins Fünf-Sterne-Resort auf dem Nebeneiland. Ansonsten wolle er beide Zielgruppen kombinieren - wobei man zu 80 Prozent mit europäischen Gästen rechne, während den Rest vor allem Japaner und Chinesen ausmachen

dürften. Die fänden nämlich immer mehr Gefallen daran, ihre Flitterwochen auf den Malediven zu verbringen. „Wenn auch nur für drei oder vier Tage, mehr Zeit haben die ja nicht", wie Luis Riu im März gegenüber „Reportur" erklärte.

Dieser Feldzug ist billiger

Asien ist die neue Karibik, liest man in letzter Zeit immer öfter - allerdings ist es keinesfalls so, dass Mallorcas Hoteliers den Expan­sionsfeldzug, mit dem sie sich ab Mitte der 80er-Jahre die Karibik einverleibten, nun einfach eins zu eins in Fernost wiederholen. Statt Grundstücke zu erwerben und in Eigenregie zu bauen, bedienen sie sich nun zumeist des in Asien weit verbreiteten Geschäftsmodells, Betreiberverträge mit örtlichen Investoren zu schließen. Ein Partner vor Ort sei in manchen Ländern obligatorisch, um sich überhaupt ansiedeln zu können, erklärt Unternehmensberaterin Burstedt, und helfe zudem beim Überwinden sprachlicher und kultureller Hürden - die es in der Karibik in dieser Form nicht gab. Andererseits erfordere diese Strategie wesentlich weniger Kapital und ermöglicht somit schnelleres Wachstum. Dass Luis Riu da bisher die einzige Ausnahme bildet, dürfte vor allem der Rückendeckung durch den Branchenriesen TUI geschuldet sein - und vielleicht auch ein kleines bisschen seinem narzistisch-kreativen Schaffensgeist.

Wobei angesichts der Größe des Kontinents, mit all seiner kulturellen sowie klimatischen Vielfalt, längst auch die Mitbewerber ihre kreativen Zellen kräftig anstrengen mussten. Mit einer Ferienanlage nach Schema F, mit der man einst jeden beliebigen Strand zwischen Panama und Mexiko zukleistern konnte, sei es hier nicht getan, sagt Bernardo Cabot von Meliá. Die Konzepte würden deshalb je nach Land maßgeschneidert. Zudem fahre man in Asien zweigleisig - und setze parallel zu den Ferienresorts auf Großstadthotels. „Im Resort-Bereich sind wir Pioniere, da haben wir mit unserer Erfahrung einen klaren Wettbewerbsvorteil", sagt Cabot. Doch in großen Metropolen wie Tokio, Seoul oder Singapur sei der Markt hart umkämpft. Einheimische Investoren verlangten aufgrund des erhöhten Risikos Erfolgsgarantien - oder ließen einen direkt Mietverträge unterschreiben. „Dort muss man inzwischen viel Kapital mitbringen und mehr bieten als einen simplen Betreibervertrag", sagt Cabot. Nach der ersten Meliá-Eröffnung in Schanghai in diesem Oktober sei deshalb erst mal wieder Schluss in diesem Bereich.

Achtung, Lokalmatador!

Die mallorquinische Iberostar-Gruppe hat wegen der starken Konkurrenz in den asiatischen Metropolen sogar einen Rückzieher gemacht. Weil US-amerikanische Unternehmen, aber auch Lokalmatadoren den Markt fest im Griff hätten, wolle man seine Expansionsenergien lieber in andere Regionen stecken, hieß es bereits vor ein paar Jahren. Dabei denkt Iberostar-Präsident Miquel Fluxá vor allem an die Arabischen Emirate, auch wenn es bisher keine konkreten Projekte gibt. Endlich Realität werden soll hingegen ein seit Langem geplantes Resort in Cartagena, an der Küste Kolumbiens.

Luis Riu liebäugelt unterdessen bereits mit Thailand, Indonesien, Singapur oder Kambodscha, während Bernardo Cabot auch Indien, die Malediven oder gar Australien auf dem Schirm hat. „Das sind alles interessante Märkte, aber wir wollen nachhaltig wachsen und nichts überstürzen", sagt der Meliá-Mann in Schanghai. Zumal ja keine Eile geboten sei - der Asien­feldzug habe schließlich gerade erst begonnen.