„Ein bisschen Angst hatten wir damals schon", erinnert sich María Teresa Gago. Damals, an jenem 5. Juni 1986, erschien die heute pensionierte Rezeptionistin zwar an ihrer Arbeitsstelle, einem Apart­hotel in der Gegend von Palmanova. Allerdings nicht in Uniform. Gearbeitet wurde an dem Tag nicht. „Wenn die Urlauber ihren Zimmerschlüssel brauchten, dann haben sie ihn sich selbst an der Rezeption heraussuchen müssen", erinnert sich die 67-Jährige. Auch der grimmige Blick der Streikposten, die über die Beteiligung der Angestellten am Ausstand wachten, ist ihr gut in Erinnerung geblieben.

Es ist nicht so, dass der Betrieb in den Hotels auf Mallorca beim legendären Streik vor 30 Jahren stillgestanden hätte - schon allein wegen des gesetzlich festgeschriebenen Mindestbetriebs. Aber die Kraftprobe der Gewerkschaften in der damaligen Hauptsaison zeigte, wie groß der Unmut mit den Arbeitsbedingungen war. Es dauerte nicht lange und die Arbeitnehmervertreter hatten weitreichende Konzessionen der vorher unnachgiebigen Hoteliers und Wirte auf dem Tisch - der Streik war eine Zäsur in der balearischen Tourismuswirtschaft. Von den Errungenschaften zehren die Angestellten noch heute, auch wenn die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre und zwei umstrittene Arbeitsmarktreformen ganz andere Probleme aufgeworfen haben.

Was damals auf Mallorca eskalierte, hatte auch mit der weltwirtschaftlichen Lage zu tun. Es waren die Zeiten von Margaret Thatcher und harter Einschnitte, die das Urlaubsbudget der Briten - damals die Mehrheit der Mallorca-Urlauber - schrumpfen ließ. Ausbaden mussten das vor allem die Angestellten. „Man wurde nach Bedarf Woche für Woche oder Monat für Monat einbestellt", erinnert sich Antonio Copete, damals Kellner in einem Hotel in Peguera, heute Generalsekretär der Gewerkschaft UGT. Und wer nicht auf mindestens sechs Monate Beschäftigung im Jahr kam, hatte kein Anrecht auf Arbeitslosenhilfe.

Das traf vor allem die fijos discontinuos, fest angestellte Saisonarbeiter, die während der Nebensaison auf staatliche Hilfen angewiesen sind. „Ihre Arbeitsbedingungen waren das Hauptmotiv für den Streik", so Copete. Aber auch die Festangestellten standen praktisch immer Gewehr bei Fuß. Gewerkschafter José García - damals Kellner - berichtet von Sechstagewochen mit bis zu zwölf Stunden täglich, verteilt auf Frühstück, Mittagessen und Abend­essen - man habe während der Saison praktisch im Hotel gelebt.

Wie viele Angestellte wirklich am Streik teilnahmen, war schon damals eine Frage der Perspektive. Der Ausgabe der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" vom 6. Juni 1986 ist zu entnehmen, dass die Gewerkschaften von inselweit 10.000 Streikposten und 3.000 Demonstranten an der Playa de Palma sprachen. 80 Prozent der Hotels seien vom Ausstand in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Hoteliersvereinigung dagegen gab je nach Gebiet einen Anteil zwischen ein und 40 Prozent an.

Klar ist: Der Betrieb in den Hotels wurde massiv gestört, aber nicht lahmgelegt. Urlauber konnten trotz allem Urlaub machen. „Die Abteilungsleiter arbeiteten wie immer", erinnert sich García, der damals in einem Hotel an der Playa de Palma beschäftigt war. „Sie hatten Angst, ihre Stellung zu verlieren." Die Küche habe damals am Vortag belegte Brötchen und kaltes Buffet vorbereitet sowie Saft- und Wasserflaschen zur Selbstbedienung auf die Tische gestellt. Die Zimmer blieben ungeputzt, „auf Nachfrage hielten wir aber Handtücher an der Rezeption bereit", so Gago.

Die frühere Rezeptionistin wie auch die befragten Gewerkschafter beschreiben die Reaktionen der Gäste, die über Flugblätter auf Englisch und Deutsch informiert wurden, als überwiegend positiv und solidarisch. Schließlich sei man im Vergleich zum europäischen Ausland nur nachgezogen. „Das habt ihr uns doch beigebracht!", erinnert sich Gago an die Antwort eines Kollegen, als sich doch ein Urlauber beschwerte.

Weniger Verständnis dürften die Touristen am Ballermann 6 an der Playa de Palma gehabt haben, als Streikposten an der dortigen Strandbude Tische und Stühle umschmissen. „Die Urlauber flüchteten in Richtung Meer", erinnert sich García. Hier, im wichtigsten Tourismusgebiet Mallorcas, flogen mancherorts die Fetzen, Lampen gingen zu Bruch, Essen landete auf dem Boden. „Viele Restaurants schlossen, bevor sich unser Demonstrationszug näherte", so García.

Der damals 26-Jährige war auch mit von der Partie, als es darum ging, die Angestellten der Hotels nebenan zu überreden, die Arbeit niederzulegen. García berichtet zudem von Zusammenstößen mit der damaligen Policía Armada, der Vorgängerin der Nationalpolizei. Die grises, wie die Beamten wegen ihrer grauen Uniform genannt wurden, seien schnell mit dem Schlagstock zur Hand gewesen und hätten per Jeep Jagd auf Demonstranten gemacht. Verletzte gab es nicht: „Wir waren jung und konnten zum Glück schnell rennen."

Angesetzt waren sechs Streiktage, verteilt auf zwei Monate. Doch schon nach dem 5. Juni kehrte nach und nach wieder Normalität ein - und die Mitarbeiter konnten bald von neuen Arbeitsbedingungen profitieren (Kasten). Aber nicht nur sie: Die damalige Regelung der fijos discontinuos sei Vorbild für andere saisonabhängige Branchen und viele Regionen in Spanien geworden, heißt es übereinstimmend.

Das Datum für die nächste Kraftprobe steht fest: Am 31.3.2017 läuft der derzeit gültige Mantel­tarifvertrag aus. Bei den letzten Verhandlungen mit den Hoteliers vor drei Jahren sei es vor allem darum gegangen, negative Auswirkungen der Arbeitsmarktreformen einzudämmen, im Zuge des Tourismusbooms sei nun eine kräftige Gehaltserhöhung überfällig, betont Gewerkschafter García. Er rechnet mit einer unnachgiebigen Haltung der Hoteliers - sowie mit einer hohen Beteiligung der Mitarbeiter an einem eventuellen Ausstand. Schließlich gehe es im Gegensatz zu den Generalstreiks in Spanien, die zuletzt kaum befolgt wurden, um den eigenen Geldbeutel. Und auch García wäre dann wieder in der ersten Reihe mit dabei, wie er sagt. „Nur rennen kann ich leider nicht mehr so schnell." /fk