Mehr als 800 Euro Miete können Juan Miguel und María nicht berappen. Um der wochenlangen Suche ein Ende zu bereiten, wird sich das Paar deshalb von der Idee, in Palmas Innenstadt zu wohnen, verabschieden oder mit einer deutlich kleineren Bleibe als der gewünschten Drei-Zimmer-Wohnung Vorlieb nehmen müssen. „Im Zentrum gibt es fast nichts Bezahlbares mehr, und wenn, dann musst du um 8 Uhr morgens auf der Matte stehen und am besten gleich unterschreiben", erzählt der Mallorquiner, der sich das Zusammenziehen mit seiner Freundin etwas einfacher vorgestellt hatte.

Die Hauptschuldigen an der Tatsache, dass die Wohnungssuche für immer mehr Einheimische zum aussichtslosen Unterfangen wird, sind schnell ausgemacht. Sie heißen Airbnb, Homeaway oder Wimdu. Über solche Internetportale können balearenweit geschätzt 50.000 Urlaubsunterkünfte gebucht werden - wobei Wohnungen, die sich in Mehrfamilienhäusern befinden, anders als frei stehende Fincas oder Reihenhäuser laut aktueller Rechtslage gar nicht touristisch vermarktet werden dürfen. Doch der bereits seit 2012 im balearischen Tourismusgesetz verankerte Passus lässt offenbar immer mehr Vermieter kalt: Während die Website von Marktführer Airbnb sogar für den Hochsommer noch mehr als 300 freie Ferienapartments in der Inselhauptstadt ausspuckt, hat das Suchportal Idealista aktuell gerade mal 148 Mietwohnungen in der Preisspanne bis 1.000 Euro im Angebot.

Biel Horrach, der die Abteilung Stadtplanung im Rathaus von Palma leitet, bestätigt diese Momentaufnahme. Mietwohnungen würden immer teurer und in manchen Gegenden immer rarer - inzwischen auch über die Altstadtgrenzen hinaus. „Ferienvermietung ist lukrativ und hat längst auch die äußere Innenstadt zwischen Avenidas und Vía Cintura erobert." Dass Mietwohnungen so umkämpft sind, hat seiner Ansicht nach aber noch einen anderen Grund: Weil die Banken während der Krise kaum Kredite gaben, erwarben die Mallorquiner jahrelang kaum Eigentumswohnungen, sodass nun deutlich mehr Menschen als früher zur Miete wohnten. „Die Immobilienblase hat sich auf den Mietmarkt verlagert." Dass die Geldhähne der Banken allmählich wieder tröpfeln, ist angesichts der über Palma hereinbrechenden Flut an Airbnb-Urlaubern kaum ein Trost. „Das ist eine Dynamik, die immer mehr an Fahrt aufnimmt, weil immer mehr Menschen so reisen wollen", sagt Horrach.

Wobei sich das Phänomen längst nicht mehr auf Palma beschränkt. In Pollença schlug vor einigen Wochen das Rathaus Alarm, weil zahlreiche Saisonarbeiter aus der Tourismusbranche keine Wohnung fanden. Viele hätten auf Nachbardörfer wie Sa Pobla oder Campanet ausweichen oder sich mit zum Teil menschenunwürdigen Bleiben abfinden müssen, erzählt Bürgermeister Miquel Ángel March. Auch jungen Menschen aus der Gemeinde, die gerne von zu Hause ausziehen möchten, bliebe oft keine andere Wahl, als Pollença den Rücken zu kehren. „Während früher vor allem Fincas außerhalb des Ortes an Touristen vermietet wurden, werden inzwischen auch Häuser und Wohnungen im Dorf und in Port de Pollença als Urlaubsunterkünfte genutzt", erklärt March. Zusätzlich verschärft werde das Problem dadurch, dass es in der Gemeinde gerade mal ein gutes Dutzend Sozialwohnungen gibt. Für Abhilfe sorgen soll eine Marktstudie zur Schaffung weiterer Sozialwohnungen. Zudem sei eine Wohnungsbörse geplant.

Eine gut durchdachte Wohnraumpolitik hält auch Biel Horrach für unerlässlich, deutlich wichtiger ist in seinen Augen aber die Regulierung der Ferienvermietung. „Es braucht klare Regeln und Kontrollen, wir können das nicht mehr länger ignorieren." Das weiß auch die Balearen-Regierung, die inzwischen an einem neuen Gesetz arbeitet - das die Vermarktung von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern wohl zulassen wird. Um die Situation auf dem Wohnungsmarkt und die damit verbundenen sozialen Probleme nicht weiter zu verschärfen, sollen jedoch über die touristischen Raumordnungspläne, kurz PIAT, Einschränkungen möglich sein - etwa Verbote oder Limits für bestimmte Viertel.

Was in der Theorie nicht schlecht klingt, kann in der Praxis allerdings noch dauern. Die Balearen-Regierung wird den gesetzlichen Rahmen nicht wie geplant im September, sondern wohl erst Anfang 2017 verabschieden. Und dann sind da noch die PIATs, die von den Inselräten erarbeitet und obendrein mit den Gemeinden abgestimmt werden müssen, wofür erfahrungsgemäß Jahre ins Land ziehen. Eine Lösung lässt also weiter auf sich warten.

Mancherorts allerdings drängt die Zeit. Auf Ibiza ist die Lage mittlerweile mehr als bedenklich. Bei durchschnittlichen Mietpreisen von 1.600 Euro pro Monat müssten Beamte, Ärzte oder Lehrer, die auf die Insel kämen, Familienangehörige um finanzielle Unterstützung bitten und so schnell wie möglich eine Versetzung beantragen, heißt es bei einer Bürgerinitiative, in der sich inzwischen 7.500 Betroffene zusammengeschlossen haben. Saisonkräfte sehen sich laut Medienberichten immer unmoralischeren Angeboten ausgesetzt: 500 Euro für einen Balkon, 400 Euro für ein Stück mit Plastikfolie überspanntes Stück Terrasse, 300 Euro für eine Matratze im Wohnzimmer.

Um der Lawine an Ferienapartments und dem damit verbundenen Mietwucher Einhalt zu gebieten, hat Ibizas Inselrat vor einigen Wochen eine groß angelegte Kampagne gestartet. Sechs zusätzliche Inspektoren der Tourismusabteilung durchforsten seitdem die einschlägigen Internetportale und sollen bis zu 4.500 Ferienwohnungen überprüfen. Wer nicht über eine Lizenz aus dem ­Tourismusministerium verfügt - was de facto auf alle Besitzer der bisher nicht genehmigungsfähigen Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zutrifft -, dem drohen Strafen bis zu 40.000 Euro.

Obwohl auf Mallorca weiterhin nur punktuell kontrolliert wird, etwa auf die Anzeige lärmgeplagter Nachbarn hin, hat auch hier so mancher Vermieter inzwischen Muffensausen bekommen. Denn das Finanzministerium aus Madrid verschickt seit einiger Zeit Briefe mit dem Hinweis auf Einkünfte aus dem Ausland - und der dezenten Nachfrage, ob es sich dabei vielleicht um Mieteinnahmen aus der Ferienvermietung handle.

Irene Perelló, die Geschäftsführerin des balearischen Verbands der Ferienvermieter Aptur, hält diese Maßnahmen in erster Linie für Einschüchterungsversuche - die in der Praxis vermutlich nicht viel bewirken werden. „Es macht doch gar keinen Sinn, dass die Regierung so strikt ist, wenn sie die Vermietung von Apartments am Ende legalisiert", sagt Perelló - die als Lobbyistin die Freigabe der Ferienvermietung fordert, aber auch weiß, dass ein Verbot juristisch alles andere als einfach ist.

Das hat man mittlerweile auch in anderen Städten einsehen müssen. Barcelona bastelt nach wie vor an einer Lösung, um der weiteren Ausbreitung von Airbnb und Co. Einhalt zu gebieten. In Berlin dagegen dürfen Privatwohnungen seit 1. Mai nur noch mit Sondergenehmigung an Urlauber vermietet werden - bei Verstößen drohen Bußgelder bis zu 100.000 Euro. Doch Juristen haben längst Zweifel angemeldet: Die Bestimmungen, wann eine Sondererlaubnis zu erteilen ist und wann nicht, seien viel zu vage, heißt es. Außerdem verstoße das Verbot möglicherweise gegen die Verfassung. Und wie um Himmels willen soll es in der Praxis kontrolliert werden?

Arnau Muñóz, Spanien-Portugal-Chef von Airbnb, spricht indes von einem Phänomen, das nicht mehr zu stoppen ist - und glaubt deshalb auch nicht, dass die Balearen-Regierung dies vor hat. „Wenn ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung ein Produkt nutzt und damit zufrieden ist - wer wird das dann verbieten", sagte Muñóz vor Kurzem in einem Interview mit der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca".

Rückendeckung bekam das sogenannte Homesharing auch von der spanischen Markt- und Wettbewerbskommission, die der touristischen Nutzung von Privatwohnungen in einem Ende März veröffentlichten Bericht einen Freifahrtschein erteilte. Die Einschränkungen und bürokratischen Hürden, die es in vielen spanischen Regionen gibt, sind in den Augen der Kommission nur schwer umsetzbar, nicht mit dem freien Markt vereinbar - und sollten deshalb abgeschafft werden.

Über die Unvereinbarkeit mit den EU-Richtlinien des freien Marktes ist auch Biel Horrach beim Austarieren möglicher Beschränkungen immer wieder gestoßen. „Aber stehen die über allem, auch wenn das Grundrecht auf würdigen und bezahlbaren Wohnraum verletzt wird? Ich finde nicht." Wie eine künftige Regelung für Palma aussehen könnte, vermag aber auch er nicht zu sagen.

Juan Miguel und María dagegen haben eine Lösung gefunden. Sie ziehen in eine Wohnung von Marías Mutter, die nächsten Monat frei wird. Sie liegt etwas außerhalb, bei Cala Blava. „Das war uns eigentlich zu weit", sagen die beiden. „Aber bevor sie sie über Airbnb vermietet, nehmen wir sie."