Zusammenschlüsse, Entlassungen, versteckte Streiks, Flugausfälle. Im europäischen Flugverkehr fliegen die Fetzen. Und der Airport Palma liegt mal wieder mitten im Getümmel. Seit Tagen überschlagen sich die Nachrichten rund um Air Berlin, Tuifly, Eurowings, Lufthansa und Etihad. Nur langsam legt sich der aufgewirbelte Staub und die ersten Umrisse einer Neuordnung ab kommendem Frühjahr werden erkennbar. Die MZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was wird nun aus Air Berlin?

Der Versuch, sich als eine Art Hybrid-Fluggesellschaft zu behaupten, ist gescheitert. Die Marktnische zwischen den traditionellen Netzwerk-Carriern (wie Lufthansa und Iberia) auf der einen und den Billigfliegern (wie Ryanair und Easyjet) auf der anderen Seite ist zu eng. „Air Berlin ist da weder Fisch noch Fleisch. Als Hybrid blieb sie gegenüber den spezialisierten Geschäftsmodellen überall nur Zweitbester", analysiert Aviation-Management-Professor Christoph Brützel gegenüber der MZ.

Man könnte sagen: Der Hybrid Air Berlin wird jetzt aufgespalten. Nur das Fleisch, das direkt am Knochengerüst der beiden Drehkreuze Berlin und Düsseldorf hängt, bleibt vorerst unter dem Namen Air Berlin bestehen. Der Rest wird ins Haifischbecken der Konkurrenz geworfen. Ein Teil der Air-Berlin-Maschinen wird samt Besatzung und Slots an die Lufthansa vermietet. Die Flieger werden vermutlich zumindest teilweise der neuen Basis der Lufthansa-Tochter Eurowings auf Mallorca zugeordnet.

Ein weiterer Teil von Air Berlin soll zusammen mit Tuifly in eine neue Gesellschaft einfließen. Air Berlin bestätigte am Mittwoch (5.10.), dass man mit dem eigenen Großaktionär Etihad aus Abu Dhabi und den Hannoveranern von Tui über einen „gemeinsamen Airline-Verbund" verhandelt.

Was passiert dann mit den bereits gebuchten Flügen bei Air Berlin oder Tuifly?

Die Fluggesellschaften versichern, dass sich für bereits gebuchte oder in Zukunft verkaufte Flüge keinerlei Veränderungen ergeben. Air-Berlin-Chef Stefan Pichler verspricht wörtlich: „Ich verstehe, dass Passagiere, die einen Flug gebucht haben oder buchen möchten, Fragen haben. Ich möchte jedem Kunden versichern, dass wir alle Flüge wie geplant durchführen."

Warum fallen dann ausgerechnet dieser Tagen mehrere Flüge von und nach Mallorca aus oder verspäten sich zumindest?

Dafür gibt es eine offizielle und eine inoffizielle Erklärung. Offiziell sind plötzlich ganz viele Tuifly-Mitarbeiter krank geworden. Das führte zu einem kurzfristigen Personalnotstand und damit zu Verspätungen und Ausfällen von Flügen. Am Mittwoch (5.10) musste Tuifly 24 von 99 Flügen streichen, teilte die Gewerkschaft Cockpit mit. Air Berlin musste jeden 20. Flug absagen. Davon waren mehrere Strecken nach Mallorca betroffen.

Inoffiziell zweifelt keiner daran, dass die plötzlichen Krankschreibungen eine Reaktion auf die geplanten Umstrukturierungen sind, um Druck auf das Unternehmen in Hannover auszuüben. „Es kann schon sein, dass einige Mitarbeiter aus Trotz nicht zur Arbeit kommen", sagte dazu Nicoley Baublies, Vorstandsmitglied der Flugbegleitergewerkschaft Ufo, gegenüber „Spiegel Online". „Die meisten aber verspüren echte Existenzangst. Das macht sie unsicher - und dann können sie an so verantwortungsvoller Stelle nicht arbeiten."

Warum sind Flüge von Air Berlin betroffen, wenn die Mitarbeiter von Tuifly protestieren?

Das liegt daran, dass bei vielen Flügen, auf denen Air Berlin - oder Air Düsseldorf - draufsteht, in Wahrheit Tuifly drin ist. Rund ein Drittel der Tuifly-Flotte fliegt im Auftrag, in den Flugzeugfarben und Uniformen von Air Berlin. Diese Dienstleistung kaufte Air Berlin bereits 1999 ein, und zwar mit für die Tuifly und ihre Mitarbeiter sehr günstigen Vertragsbedingungen, die zudem nicht einseitig kündbar sind. „Air Berlin kam aus diesem Vertrag nicht mehr raus. Das sind Konditionen, wie sie in den heutigen Zeiten kaum vorstellbar sind", weiß Brützel.

Das erklärt auch, warum die Belegschaft von Tuifly wegen der jetzigen Umstrukturierungen doppelt besorgt ist: erstens wegen der Streichungen bei Air Berlin - dadurch fallen von Tuifly durchgeführte Flüge weg -, zweitens durch die Ausgliederung von Tuifly in eine neue Gesellschaft im Verbund mit Etihad und Air Berlin.

Weiß man schon Konkretes zu diesem geplanten neuen Verbund zwischen Tuifly, Air Berlin und Etihad?

Nicht wirklich. Hier wird anscheinend noch wild verhandelt. Und deswegen sehen die Tuifly-Mitarbeiter vermutlich auch ihre Chance darin, durch die vermehrten Krankschreibungen Druck auf die Konzernleitung auszuüben. Schließlich gibt es Gerüchte, der neue Verbund solle in Österreich angesiedelt werden. Konkret warnt die Gewerkschaft Verdi vor eine Eingliederung der Tuifly in den Betrieb der bisherigen Air-Berlin-Tochter Niki in Österreich. Dort seien die Löhne rund 20 Prozent niedriger als bei den Verträgen der Tuifly in Hannover.

Tuifly-Geschäftsführer Jochen Büntgen bestreitet das und versucht, die Gemüter zu beruhigen. In einem in deutschen Medien zitierten Brief an seine Angestellten versichert er: „Gerüchte über eine Verlagerung des Sitzes der Gesellschaft sind falsch. Tuifly ist eine deutsche Gesellschaft, die auch in Zukunft weiter am Standort Hannover operieren wird." Gegen Ende der Woche soll es ein Treffen zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitervertretern geben. Bis dahin heißt es bei der Gewerkschaft kämpferisch: „Wenn Air Berlin und Tuifly klar ansagen, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird, wird sich alles beruhigen. Sollten die Beschäftigten aber weiter im Unklaren bleiben, könne die Situation noch deutlich schlimmer werden - mehr Krankmeldungen, mehr Flugausfälle."

Was wird aus den Arbeitsplätzen auf Mallorca?

Auch nach der Aufgabe des Mallorca-Drehkreuzes im Jahr 2016 ist Air Berlin - direkt oder indirekt - ein wichtiger Arbeitgeber auf der Insel. Im bis Ende Oktober laufenden Sommerflugplan ist die Berliner Airline noch immer der größte Anbieter am Flughafen Son Sant Joan.

Dort arbeiten allerdings nur 14 sogenannte Supervisoren, die direkt bei Air Berlin angestellt sind. Ihre Aufgabe besteht darin, die Arbeit all derjenigen zu beaufsichtigen, die in Air-Berlin-Uniformen die Abfertigung übernehmen - also zum Beispiel das Einchecken, die Gepäckversorgung oder auch das Umbuchen im Fall von Ausfällen. Dieser gesamte Bereich des sogenannten „Handlings" ist an den Dienstleister Acciona outgesourct. Seit vergangenem Jahr gilt das auch für die zwölf Angestellten am ehemaligen großen Ticketschalter von Air Berlin auf dem Flughafen, die von Acciona übernommen wurden. Air Berlin beschäftigt zusätzlich Mitarbeiter in der Geschäftsstelle im Gewerbegebiet Son Castelló sowie etwa 50 Mitarbeiter in einem für die Fluglinie arbeitenden Callcenter.

Ob nun bei Air Berlin oder bei Acciona: Wenn die Zahl der Air-Berlin-Flüge ab März 2017 drastisch sinkt, stehen eine Menge Jobs auf der Kippe. „Nicht nur die Angestellten bei Air Berlin, auch wir von Acciona machen uns natürlich jetzt Sorgen", erklärt eine Mitarbeiterin gegenüber der MZ. Denn die Abfertigung der Flüge von Eurowings und Tuifly wird vom Konkurrenz-Dienstleister Groundforce durchgeführt. „Natürlich hoffen wir, dass wir in diesem Fall von Groundforce übernommen werden, aber meist fallen bei diesen Übernahmen die dienstältesten und damit bestbezahlten Mitarbeiter raus, weil sie für das neue Unternehmen zu teuer sind", erklärt eine andere langjährige Flughafen-Mitarbeiterin.

Jetzt mal ganz platt gefragt: Wer bringt uns künftig überhaupt noch auf die Insel?

Da besteht nun gar kein Grund zur Sorge. Die Flugverbindungen nach Mallorca werden unter den Veränderungen wohl kaum zurückgehen, versichert Branchenexperte Brützel. Die Flüge, die bislang von Air Berlin und Tuifly durchgeführt wurden, übernehmen ab März wohl teils Eurowings und teils der neue - wie auch immer geartete - Verbund aus Tuifly, Air Berlin und Etihad. Da die Nachfrage für Flüge auf die Insel wächst, werden die Unternehmen auch die Kapazitäten für Mallorca-Flüge ausbauen.

Der im Jahr 2015 aufgestellte Rekord von 11,6 Millionen Urlaubern wird im laufenden Jahr aller Voraussicht nach deutlich übertroffen. Nicht nur Eurowings wird mit der neuen Basis auf der Insel und den übernommenen Air-Berlin-Flügen den Marktanteil deutlich ausbauen. Auch die niederländische Low-Cost-Airline Transavia - eine Tochtergesellschaft der französischen Air France-KLM - wolle verstärkt auf den Ferienflieger-Markt drängen, prophezeit Brützel.

Wie wirkt sich das alles auf die Preise aus?

Der Konkurrenzdruck wird steigen, die Preise eher sinken, glaubt Brützel. Die Konsolidierung des Marktes - und damit wohl auch das Wegfallen weiterer Fluglinien - erwarte er erst „in zwei oder drei Jahren". Aber auch die Tendenz, immer mehr Leistungen als kostenpflichtigen Zusatzangebote zu verkaufen, setze sich nach und nach bei allen Unternehmen durch.

Air Berlin galt schließlich bei vielen regelmäßigen Mallorca-Besuchern oder Residenten lange Jahre als diejenige Fluglinie, die gegenüber den Billigfliegern einen gewissen Service-Standard hochhielt. „Wenn ich mit Kindern geflogen bin, konnte ich bei Air Berlin früher gratis die vorderen Plätze reservieren, wo die Kinder auch auf dem Boden spielen konnten", erinnert sich eine Mutter an vergangene Jahre zurück. „Heute muss man als stillende Mutter oft sogar für ein Glas Wasser Geld bezahlen, und manche Airlines überlegen gar, wie man für den Gang aufs Klo kassieren kann."

Und was ist mit den Tiertransporten?

Auch die Tierfreunde stehen vor neuen Herausforderungen. Denn anders als bei Air Berlin dürfen bei Eurowings nur Hunde und Katzen bis acht Kilogramm inklusive Transporttasche in der Kabine mitgenommen werden. Einen Transport im Frachtraum bietet die Airline nicht an. Lufthansa, Condor und Tuifly befördern Tiere im Frachtraum. Bei den letzten beiden beträgt das Maximalgewicht in der Kabine inklusive Tragetasche nur sechs Kilo.

Das stellt nicht nur Tierbesitzer vor Probleme, die ihr Haustier gern mit im Urlaub dabei haben. Gerade für Tierschützer auf der Insel ist nun ein wichtiger Alliierter bei der Vermittlung ausgesetzter Tiere weggefallen. So war Air Berlin über Jahrzehnte die erste Anlaufstelle für Patenprogramme, bei denen Urlauber ohne Zusatzkosten Hunde und Katzen mit nach Deutschland begleiteten, wo sie dann weitervermittelt wurden.