Der Kameramann steht auf einer Leiter direkt am Pool. Neben ihm der Tontechniker, ein weiterer Mann hält die Leiter. Der Regisseur hat seinen Kopf unter ein Handtuch gesteckt, um in der Sonne das Geschehen auf dem Bildschirm kontrollieren zu können. Der Darsteller kommt ins Bild. Ein junger, bärtiger Mann liegt auf einer Luftmatratze im Wasser. Plötzlich bricht die Gruppe in Gelächter aus.

Mit dieser Szene beginnt das Making-of des Films „Dusky Paradise". Es ist der Debutfilm des jungen Hamburger Regisseurs

Gregory Kirchhoff. Der 24-Jährige hat ihn Ende 2014 hauptsächlich auf dem familieneigenen Anwesen bei Esporles gedreht - mit einem 15-köpfigen Team und einem Budget von 20.000 Euro, das er im Vorfeld über die Plattform Kickstarter eingesammelt hatte. „Dusky Paradise" ist ein Beispiel dafür, dass man auch mit kleinem Budget und ohne die Hilfe­stellung örtlicher Institutionen großes Kino machen kann.

Der belgische Regisseur Valéry Rosier hatte anders als Kirchhoff zunächst weder Schauspieler noch Drehort, aber eine Idee. „Ich wollte meinen Film ´Parasol´ auf einer Insel drehen. Ich kannte aber keine. Also habe ich im Internet geguckt, welcher Flug ab Brüssel am billigsten war, und das Internet hat mir gesagt: Palma mit Ryan­air. Also bin ich hingeflogen. Ich wusste nichts über Mallorca." Als Startkapital für den Film hatte er 15.000 Euro, später konnte er das Budget aufstocken. „Als wir die ersten Bilder hatten, wurde es leichter, finanzielle Hilfe zu bekommen."

In „Parasol" geht es um drei einsame Menschen, die in den Urlaub fahren, damit sich in ihrem Leben etwas ändert. „Dusky Paradise" handelt von einem jungen Mann, der sich nach dem Tod seiner Eltern in einer Phase absoluter Emotionslosigkeit befindet und in das Elternhaus fährt, um auf deren Schildkröte aufzupassen. Beide Filme wurden auf Mallorca gedreht, spielen aber nicht auf der Insel. „Mir ging es darum, diesen emotions­losen Charakter in einer paradiesischen Umgebung zu beobachten. An einen Ort, an dem man meint, alles spüren zu müssen, die Figur es aber nicht tut", sagt Kirchhoff.

Drei Wochen habe das Team von „Dusky Paradise" zusammen in dem Haus bei Esporles gelebt und gearbeitet. „Es war allen Beteiligten klar, dass wir keine Gagen zahlen konnten. Aber ihnen wurde gutes Essen und eine gute Zeit auf Mallorca versprochen, das hat sie überzeugt." Die 20.000 Euro Budget gingen vor allem für Flüge und die Technik drauf. Der Kameramann hatte eine eigene Kamera, sodass die ­Kosten für die Miete wegfielen. „Wir haben aber die Speicherkapazitäten falsch berechnet. Wir dachten, wir würden gerade so hinkommen, aber bereits nach einer Woche Dreh war alles voll, sodass wir Speicherkarten nachkaufen mussten."

Valéry Rosier suchte sich seine Schauspieler über die Zeitungen der Insel. Auch die MZ veröffentlichte im August 2013 den Aufruf, dass Profis, aber auch Laien für einen „Episodenfilm" gesucht würden. „Laien bringen oft ein natürliches Element in den Film, das man ansonsten nicht so leicht hinbekommt", sagt Rosier und scherzt: „Man könnte auch sagen: Sie kompensieren mein schlechtes Drehbuch."

Die Drehorte fand Rosier in Bars und Hotels auf der Insel. Viele Gastwirte boten an, ihn kostenlos drehen zu lassen. „Häufig standen wir auch gar nicht im Weg. Der Film behandelt ja eher die melancholische Seite des Tourismus. Wir haben etwa in Hinterhöfen von Hotels gedreht. Oder außerhalb der Öffnungszeiten in den Bars. Das hat es natürlich erleichtert, an Orte zu kommen, an denen wir arbeiten konnten."

Insgesamt, rechnet Rosier, seien es wohl 200 Menschen gewesen, die ihm bei der Produktion des Filmes behilflich gewesen sind. „Wir haben im Grunde einen Spielfilm mit einem Dokumentarfilm-Team gedreht." Neben dem Regisseur waren ein Tontechniker, ein Kameramann und eine Assistentin dabei. Insgesamt fünfmal reiste Rosier für jeweils etwa zehn Tage auf die Insel, um die verschiedenen Episoden des Films zu drehen. Geld verdient hat bei dem Film niemand, auch nicht der Regisseur. Und alles ohne Unterstützung von offizieller Seite.

So hat zwar die spanische Regierung im vergangenen Jahr ein Gesetz erlassen, dass Filmproduktionen eine Steuervergünstigung von 15 Prozent erlaubt. Allerdings greift diese erst ab einem Produktionsaufwand von einer Million Euro. „Dusky Paradise" und „Parasol" hätten von dieser Regelung nicht profitieren können.

Dass auch Filme mit kleinem Budget von offizieller Seite unterstützt werden können, zeigt der Kurzfilm „Martha". Die teils in Bremen, teils auf Mallorca lebende deutsche Schauspielerin und Produzentin Carmen Molinar hat das Drehbuch geschrieben. Für den Low-Budget-Film, der insgesamt 25.000 Euro kostete, konnte sie den Regisseur Florian Gottschick gewinnen, der beim letztjährigen Evolution! Film Festival für seinen Film „Nachthelle" ausgezeichnet wurde.

Wie auch „Parasol" und „Dusky Paradise" spielt die Handlung von „Martha" nicht auf Mallorca, sondern „an einem Ort, an dem die Menschen gut leben", so Molinar. Bevor die Aufnahmen zu dem Drama um eine Frau, die nach dem Tod ihres Mannes ihr Leben neu ordnet, im Januar 2016 begannen, wandte sich Molinar an die 2014 gegründete Illes Balears Film Comission. „Es war eine großartige Erfahrung", sagt Molinar. „Die haben uns bei allen Schritten begleitet und unterstützt."

Das Beispiel „Martha" zeigt aber auch, wie viel schiefgehen kann, selbst wenn es Unterstützung gibt und alles penibel geplant ist. So hatte Molinar einen privaten Sponsor gefunden, der für Flüge und Unterkunft der Crew aufkommen wollte, sowie zusätzlich 10.000 Euro versprach. „Mit diesem Geld konnten wir natürlich ganz anders arbeiten. So haben wir eine 4K-Kamera gemietet." Die Miete für so eine Kamera kann für anderthalb Wochen schon mal 2.500 Euro oder mehr kosten. Das mit den Flügen und dem Hotel klappte, das mit den 10.000 Euro nicht. So mussten Molinar und ihre Ko-Produzentin das Geld selbst aufbringen. Die Postproduktion konnten sie dann über die Förderagentur Nordmedia in Bremen finanzieren.

Kurzfilm Trailer MARTHA from carmen molinar on Vimeo.

Für Rosier und Kirchhoff war die Hilfe der Film Comission keine Option. Als Rosier 2013 anfing „Parasol" zu drehen, gab es weder die Mallorca- noch die Illes Balears Film Comission. Und Kirchhoff sagt, er habe eigentlich gar nicht erst daran gedacht, da er die Hilfe nicht benötigte. „Auf Mallorca zu drehen, ist ja ohnehin ein Privileg", sagt er. „Man kann die Kamera praktisch in jede Richtung halten und bekommt ein hochwertiges Bild."

Es sei sehr wichtig, nicht nur die großen Produktionen auf die Insel zu holen, sondern auch den Low-Budget-Film zu fördern, sagt Pedro Barbadillo von der Mallorca Film Commission. „Insbesondere jene Filme, die einen hohen künstlerischen und kulturellen Anspruch haben und jene, die das Image Mallorcas fördern."

Valéry Rosier hat es trotz der etwas mühsamen Produktion geschafft, „Parasol" auf einigen Festivals zu zeigen. Als er 2015 den Film beim Internationalen Festival in San Sebastián zeigte, erhob sich ein Zuschauer bei der Fragerunde. „Mir ist das Herz in die Hose geruscht, als er mir sagte, er sei Mallorquiner. Immerhin kommt die Insel in ´Parasol´ nicht gerade schön daher." Doch der Mann hatte etwas anderes zu sagen: „Ich möchte Ihnen danken. Es ist der erste Film, der die Insel so zeigt, wie ich sie erlebe."