Dass sich im Seniorenheim Huialfàs etwas grundsätzlich geändert hatte, merkten die Bewohner spätestens zu Weihnachten. Statt der früheren Einheitsgeschenke gab es diesmal individuelle Präsente: Die Leiterin arbeitete erstmals eine Wunschliste der Bewohner ab und kaufte die Geschenke einzeln ein.

Die Neuerung ist mehr als eine Geste, eher ein Symbol für den neuen Kurs in der Sozialpolitik für Alte und Pflegebedürftige auf Mallorca. „Das Angebot soll mehr auf die Personen eingehen, anstatt dass sich die Personen auf den bestehenden Service einstellen müssen", sagt Regina Moll. Die Deutsch-Mallorquinerin, die bis vor einem Jahr die Seniorenresidenz Es Castellot in Santa Ponça leitete und jetzt im Sozialinstitut IMAS verantwortlich ist für die Versorgung

Pflegebedürftiger, setzt derzeit ein ehrgeiziges Reformprojekt des Inselrats um. Es umfasst neue Konzepte, Umbauten von Senioren­heimen, aber auch den schrittweisen Aufbau eines inselweiten häuslichen Pflegedienstes, der über die staatliche spanische Pflegeversicherung (Ley de Dependencia) finanziert werden soll - ein Angebot, von dem prinzipiell auch Mallorca-Deutsche profitieren können (siehe Kasten).

So funktioniert das System

Die Sozialpolitik fällt vor allem in die Zuständigkeit des Inselrats (Consell). Er verwaltet die vier vom IMAS getragenen Seniorenheime auf der Insel sowie weitere Plätze in privaten Heimen, auf die der Consell in Form von Abkommen mit den privaten Trägern Zugriff hat. Dennoch reichen die inselweit rund 2.000 Plätze nicht aus. Anrecht auf sie haben Senioren ab der Pflegestufe zwei. Insgesamt erhalten derzeit mehr als 14.000 Balearen-Bewohner Leistungen durch die Ley de Dependencia. Das sind 2.500 mehr als zum Zeitpunkt der Abwahl der konservativen Vorgängerregierung 2015.

Die Warteliste für einen Pflegeplatz, die die Landesregierung verwaltet, umfasst derzeit rund 1.000 Antragsteller. Die Liste sei noch mal angewachsen, nachdem man nach dem Regierungswechsel 2015 jede Menge unbearbeiteter Anträge zur Einstufung in den Schubladen gefunden habe, kritisiert die balearische Sozialministerin Fina Santiago. Dank der Verstärkung durch 15 Gutachter und Sachbearbeiter werde dieser Stapel nun abgebaut. Wahr ist aber auch, dass viele Angehörige von Senioren den Pflegeheimplatz prophylaktisch beantragen, während diese noch ohne Probleme zu Hause gepflegt werden - die Wartezeit beträgt nun einmal rund zwei Jahre.

Zum einen will sich der Inselrat daran messen lassen, inwieweit es gelingt, die Warteliste zu verkürzen. Zum anderen soll auch die Versorgung in den Heimen, die derzeit noch eher an Krankenhäuser denn an Wohnungen erinnern, individueller werden. Nach Jahren der Haushaltskrise hat das Budget des IMAS in diesem Jahr wieder deutlich zugelegt, um 8 Millionen auf jetzt 62 Millionen Euro. Vorrang haben bei den Investitionen die direkt verwalteten Pflegeplätze, nicht die Abkommen mit privaten Einrichtungen. „Wir kommen zwar nicht ohne das private Modell aus, wollen es aber nach Möglichkeit vermeiden", so Moll - auch wenn die oppositionellen Konservativen die Privatisierung für günstiger halten.

Nun wird investiert

Die jetzigen Pläne umfassen den Bau zweier neuer Heime sowie die Modernisierung der zwei ältesten und größten Seniorenresidenzen auf Mallorca, Llar d´Ancians (wörtlich: Zuhause für Senioren) und La Bonanova in Palma. Die beiden Anlagen sind mit jeweils 400 bzw. 500 Bewohnern kleine Dörfer - Mega-Heime, wie sie vor knapp 40 Jahren spanienweit konzipiert wurden. Die Arbeiten im Llar d´Ancians beginnen in diesen Tagen, ein Gebäude des Komplexes wird für rund 1,5 Millionen Euro komplett modernisiert, erweitert und für Bewohner mit weiter gehendem Pflegebedarf umgestaltet, um mehr Einzelzimmer und mehr Platz zu haben.

Geld, aber noch kein Datum gibt es für eine Teilrenovierung im neunstöckigen Seniorenheim Bonanova. Das Konzept: statt großer Gemeinschaftsräume mehrere kleinere Räume; auf jedem Stockwerk ein eigener Physiotherapieraum; Zimmer mit persönlicher Note. Das reicht vom Streichen der Wände bis hin zu eigenen Möbeln, was bislang in staatlichen Heimen in Spanien eher unüblich ist.

Außerhalb Palmas ist der Inselrat mit eigenen Heimen kaum ­präsent, die einzigen zwei sind mit Bartomeu Xetglas in Felanitx (100 Bewohner) und Huialfàs in Sa Pobla (47 Bewohner) eher klein. Hinzu kommt voraussichtlich ab 2018 ein Seniorenheim in Marratxí (100 Bewohner) sowie hoffentlich noch vor Ende der Legislaturpe­riode 2019 ein weiteres in Palma - sobald die Stadtverwaltung ein laut Flächennutzungsplan dafür geeignetes Grundstück gefunden hat.

In Verhandlungen ist der Inselrat zudem mit der Stadt Inca, um das bislang kommunale Pflegeheim zu übernehmen. Dieses müsste aber zunächst für rund 2,5 Millionen Euro grundsaniert werden. Die weiteren kommunalen Heime, die vor allem in den größeren Gemeinden Mallorcas wie Calvià oder Llucmajor zu finden sind, unterstehen direkt den Gemeinden.

Pflegedienst

Das gilt auch für den ambulanten Pflegedienst - zumindest bislang. Denn nun will auch der Inselrat bereits ab Februar Alten- und Krankenpfleger entsenden, um Pflegebedürftige zu Hause zu versorgen. Das bisherige Angebot der Gemeinden deckt bislang nur 75 Prozent der Bevölkerung ab, ist trotz der Erhöhung der balearenweit geleisteten Stunden von 38.000 auf rund 205.000 im vergangenen Jahr noch immer geringen Umfangs und je nach Tageszeit begrenzt. Weiterhin soll der Ausbau des mobilen Dienstes die Warteliste für Pflegeplätze verkürzen und letztendlich im Vergleich zu stationären Pflegeplätzen auch dabei helfen, Kosten zu sparen. Das Kalkül: Wer zu Hause im vertrauten Umfeld umfassend versorgt werden kann, muss gar nicht ins Pflegeheim umziehen.

Im Gegensatz zu den stationären Einrichtungen will der Inselrat das ambulante Angebot mit eigenem Personal stemmen - ein ehrgeiziges Unterfangen, das zunächst in Form eines Pilotprojekts startet. Los geht es deswegen zunächst in drei Großräumen der Insel: den Einzugsgebieten von Inca, Felanitx und Artà. Die Gutachter der staatlichen Pflegeversicherung sollen den Familien das neue Angebot als Alternative anbieten, genauso wie die Sozialarbeiter in den Gemeinden. „Sie kennen die Fälle, für die das infrage kommt", so Moll.

Voraussetzung für die Aufnahme wird ebenfalls Pflegestufe II sein, was einem wöchentlichen Einsatz von 46 Stunden entspricht, sei es in Form von Krankenpflege, Physiotherapie oder Haushaltshilfen. Darüber hinaus will der Inselrat in einer weiteren Phase auch Pflegehilfsmittel wie beispielsweise Krankenbetten, Rollatoren oder Krankenstühle leihweise zur Verfügung stellen sowie auch nötige Umbauarbeiten mit Subventionen unterstützen.

Eine weitere Säule der Sozialpolitik des Inselrats ist zudem die Prävention, die das IMAS weiter ausbauen will. Angeboten wird sie derzeit vor allem von fünf größeren Einrichtungen auf der Insel, die ebenfalls llars heißen: Zwei davon gibt es in Palma sowie je eine in Felanitx, Manacor und Llucmajor. Mit jeweils rund tausend angemeldeten Senioren seien sie auch wichtige soziale Institutionen in den Gemeinden, die den Zusammenhalt stärkten, so Moll. Rüstige Mallorquiner ab 60 können hier ihr Gedächtnis trainieren, Tai-Chi-Kurse besuchen oder - besonders beliebt - baile en línea (Line Dance) betreiben.