Gegen die wiederholten Angriffe der Piraten erfanden die Herrscher auf Mallorca ein ausgeklügeltes Abwehr- und Frühwarnsystem einschließlich einer eigenen Signalsprache, miteinander verbundenen Wachtürmen und mobilen Eingreiftruppen. Aber das war vor 400 Jahren. Heute ist man sorglos geworden, lässt die neuen Feinde - in Form von Schädlingen für die Natur wie dem Feuerbakterium - ohne Kontrollen einfallen und überhört dabei jahrelang Alarmsignale.

Zugegeben: Der Vergleich hinkt. Aber eben nur ein bisschen. Zwar geht es bei den Angriffen durch Palmrüssler, Paysandisia archon und Prozessionsspinner um sehr viel kleinere Feinde, die auch nicht den Menschen direkt, sondern nur dessen Lebensraum attackieren. Aber spätestens die neuen Erkenntnisse zum Feuerbakterium auf Mallorca zeigen, dass die Nachlässigkeit auf Dauer einen Großteil des Baumbestands auf der Insel bedroht. Und wo am Ende weder Mandelbäume blühen, noch - im wahrsten Sinne des Wortes - Wein und Honig fließen, da zieht es auch immer weniger Touristen hin.

Diese Nachlässigkeit hat auf Mallorca und den Nachbar­inseln System, behauptet der Naturschutzbund Gob und appelliert an die Behörden, endlich ein umfassendes Konzept zur Biosicherheit zu entwickeln. Obwohl es auf den Inseln relativ leicht wäre, sich vor externen Schädlingen zu schützen, hätten die vergangenen Jahrzehnte gezeigt, dass mangelnde Kontrollen und Präventionsmaßnahmen teils dramatische Konsequenzen haben (siehe Fotogalerie). „Die Auswirkungen beschränken sich nicht nur auf die Vielfalt der Natur, früher oder später ist davon auch der Mensch betroffen", heißt es beim Gob. „Sobald die Plagen auch die Land- und Viehwirtschaft oder die Imkerei betreffen, sind die ökonomischen Schäden schnell spürbar. Die Beeinträchtigung der Landschaft kann dann auch den Tourismus bedrohen."

Um so verwunderlicher sei es, dass es überhaupt keine Anzeichen für eine entsprechende Strategie gebe, sich vor schädlichen Organismen - sei es invasive Tier- oder Pflanzenarten oder Bakterien - zu schützen, bestätigt auch Biologe Miguel McMinn im Gespräch mit der MZ. „Natürlich gibt es keinen kompletten Schutz. Aber es kann nicht sein, dass überhaupt nicht kontrolliert wird. Dass bei Transporten von großen Olivenbäumen vom Festland auf die Inseln Schlangen mit eingeschleppt werden und sich diese jahrelang vermehren und nun endemische Arten bedrohen."

An einem einfachen Beispiel erklärt McMinn die mangelnde Vorsicht auf diesem Gebiet: Die unter Naturschutz stehenden Insel Dragonera wurde in den vergangenen Jahren unter großem Aufwand von Ratten befreit, um die dort heimische Eidechse vom Aussterben zu bewahren. „Aber es gibt kein Gesetz, kein Protokoll, dass dazu verpflichtet eine Wiedereinführung von Ratten zu verhindern." Zwar sei es unwahrscheinlich, dass Ratten in Touristen-Rucksäcken eingeschleppt würden. Aber wenn es eine Baustelle gebe, müsste man einen Bagger kontrollieren, bevor er auf die Insel gefahren werde. „Inseln sind relativ leicht zu schützen, aber genau das geschieht nicht. Und je früher und je langfristiger Maßnahmen ergriffen werden, desto billiger ist die Bekämpfung."

Im Kampf gegen das Feuerbakterium hätten die Behörden - so die Kritik des Gob - sieben wertvolle Jahre verstreichen lassen, bevor jemand reagiert hätte. Statt auf die großen Schäden in Italien und einen Anfangsverdacht auf einen Befall auf den Inseln mit rigurosen Kontrollen zu reagieren, habe man das Problem erst durch grobe Fahrlässigkeit zu etwas gemacht, was heute den Baumbestand der Inseln bedrohe.

Wie früher beim Kampf gegen die Piraten braucht die Insel eine langfristige und vorausschauende Strategie. „Wichtig ist dabei, dass die Entscheidungen auf wissenschaftlicher Grundlage und nicht aus politischem Kalkül getroffen werden", merkt McMinn an. Ein Zeitraum von vier Jahren zwischen zwei Wahlen - reiche nicht aus, um Ergebnisse zu liefern. Der Erfolg beim Kampf gegen Plagen sei eine Sache von Jahrzehnten.

Auf ganz lange Sicht geht es auch darum, die Natur durch gute Pflege gegen die Schädlinge stark zu machen. „Der Prozessionsspinner kam in den 40er-Jahren auf die Insel und richtete in den Kiefernwäldern große Schäden an. 80 Jahre später ist die Kiefer aber nicht ausgestorben, sondern weiter verbreitet. Und inzwischen gibt es Vögel, die sich auf die Raupe als Nahrung spezialisiert haben und die Ausbreitung dadurch begrenzen", erklärt der Leiter der balearischen Artenschutzbehörde Joan Mayol. Ähnlich verhalte es sich übrigens mit dem Feuerbakterium in den USA. In Kalifornien gebe es den Schädling bereits seit etwa 100 Jahren. „Es ist dort eine von vielen anderen Plagen", sagt Mayol, der damit andeutet, worauf sich Mallorca wohl einstellen muss.