Wie Palmas Ortspolizei der Zukunft aussehen könnte, verrät ein Blick auf die Facebook-Seite der Ordnungshüter. Die Einheit, die in den Medien seit Monaten vor allem im Zusammenhang mit dem Korruptions­skandal an der Playa de Palma genannt wird, erscheint hier bürgernah, transparent und hilfsbereit: Polizisten geben vor Vertretern von Mallorcas Muslimen Auskunft, wie gegen Fremdenhass vorzugehen ist. Ein Link führt zu einem Dossier über Hilfen bei Gewalt in der Ehe. Ein Polizist zeigt Schülern, wie ein Polizeiauto funktioniert. Ein Beamter kontrolliert den Gesundheitszustand der Kutschenpferde. Und immer wieder werden Erfolge bei der Überführung von Übeltätern gemeldet. Es gibt sogar Hinweise zum Energiesparen oder zum Uhrumstellen auf die Sommerzeit. Gemessen an den Reaktionen in den sozialen Netzwerken steht es um das Image der Policía Local gar nicht so übel: 4,4 von 5 Punkten geben die Nutzer, und immer wieder finden sich Kommentare wie „Gute Arbeit, Jungs!". Ein Shitstorm sieht anders aus.

In der realen Welt ist die Ortspolizei freilich noch ein ganzes Stück davon entfernt, die Enthüllungen des Polizeiskandals zu verarbeiten und verloren gegangenes Ansehen zurückzugewinnen. Die Ermittlungen laufen weiter, mehr als 30 Beamte werden im Rahmen der Operation Sancus als Verdächtige geführt. Die Motivation der Truppe hat massiv gelitten, zwischenzeitlich soll ein Drittel der Beamten krankgemeldet gewesen sein. Die Policía Local steht nicht nur vor juristischen und ethischen Problemen - die mutmaßliche Korruption wurde offenbar auch durch massive strukturelle Probleme befördert. Und der Korpsgeist steht zuweilen den Reformen im Wege, die die Dezernentin für Sicherheit in Palmas Rathaus, Angélica Pastor, inzwischen auf den Weg gebracht hat.Schatten der Vergangenheit

Ins Rollen gekommen war der Skandal infolge der Hells-Angels-Razzia von 2013: In abgehörten Telefonaten waren die Ermittler auf Hinweise gestoßen, dass einige Polizisten die Rocker gegen Geld vor Kontrollen in deren Lokalen warnten oder Anzeigen verschwinden ließen. Im Januar 2015 wurden acht verdächtige Beamte festgenommen. Im Herbst folgte der zweite große Schlag, bei dem neun weitere Beamte gefasst wurden. Es kam ans Tageslicht, dass die Polizisten Bar- und Diskothekenbetreibern, die keine Schutzgelder zahlen wollten, das Leben mit zusätzlichen Kontrollen und der Androhung von Bußgeldern derart erschwert haben sollen, dass manches Lokal in den Ruin getrieben wurde. Mit der Festnahme von Diskotheken-König Bartolomé Cursach Anfang März erreichte der Skandal einen weiteren Höhepunkt.

Für die Ermittler steht fest, dass die Machenschaften von der Chefetage der Policía Local sowie von politischen Amtsträgern gedeckt wurden. Um sicherzustellen, dass Schlüsselpositionen innerhalb des korrupten Apparats mit den passenden Kandidaten besetzt sind, wurden offenbar im Vorfeld der internen Beförderungsprüfungen 2012 mindestens zwei Beamten Fragen zugeschanzt.

Drei Polizeichefs mussten ihren Hut nehmen, zunächst Joan Mut, dann sein Nachfolger Antoni Morey, nachdem er auf Facebook inhaftierte Beamte verteidigt und eine Verschwörung gegen die Ortspolizei angedeutet hatte, schließlich 2016 auch dessen Nachfolger José Antonio Bravo. Die Stadtoberen sahen keinen anderen Ausweg, als sich auf dem Weg einer öffentlichen Ausschreibung einen neuen Polizeichef aus dem katalanischen Girona zu holen, der nun seit Juni 2016 im Amt ist - eine Zäsur in der Geschichte der Policía Local.Strukturelle Probleme

Der Blick von außen förderte zutage, was schiefgegangen ist. Neben den persönlichen und politischen Verfehlungen spricht Palouzié im Interview mit der Zeitung „Ara" von mangelnder interner Kontrolle, veralteten bürokratischen Abläufen und fehlender Digitalisierung. So wurden etwa bis vor Kurzem die Anzeigen ausschließlich auf Papier festgehalten - und konnten so von korrupten Beamten aus dem Verkehr gezogen werden. Mittlerweile werden alle denuncias bei Eingang in ein zentrales Register eingespeist. „Die Zahl der bearbeiteten Anzeigen und damit der Sanktionen ist seit 2016 exponentiell gestiegen", so Palouzié.

Zudem hatten sich innerhalb der Behörde offenbar verschiedene Machtbereiche ausgebildet, in denen eigene Regeln galten, wie Dezernentin Pastor im Interview mit der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" erklärt. „Die Kontrolle war auf viele Personen verteilt, ohne jegliche Koordination von oben, und der Betriebsablauf folgte Gewohnheitsmustern statt einer Strategie."

Die Reform der Ortspolizei sieht nun vor, vier Abteilungen ganz aufzulösen - einige haben wegen der Suspendierung von Beamten ohnehin nur noch auf dem Papier existiert. Dazu gehören die Patrulla Verde, die unter anderem für die Inspektionen an der Playa de Palma zuständig war. Sie geht in einer neuen Einheit auf, der „Einheit für Umwelt und Betriebskontrollen", die personell verstärkt und direkt der Polizeidirektion unterstehen soll.

Drei weitere Eingreiftruppen verschmelzen zu einer einzigen: Aus dem Buchstabensalat GAP, Usei und UII wird die Uipol (Unitat de Intervenció Policial), die Personalstärke sinkt von insgesamt 200 auf 130. Die übrigen Beamten sollen anderen Aufgaben zugeteilt werden, denen mehr Priorität eingeräumt wird. Das wären Prävention (Policía tutor), Schutzprogramme für Opfer von häuslicher Gewalt, die Verfolgung von Hassverbrechen (Rassismus, Fremdenhass, Homophobie oder religiöse Verfolgung) sowie die Präsenz in den sozialen Netzwerken. Zusammengelegt werden im übrigen Hunde- und Reiterstaffel zu einer Einheit für Tierschutz, die außerdem mehr Präsenz bei Patrouillen zeigen soll.

Zusätzliche Aufgaben erhält die Abteilung für interne Ermittlungen (Dasi). Neben Disziplinarverfahren soll sie künftig auch Innenrevisionen ausführen und über die Effizienz der Polizeiarbeit wachen. In Vorbereitung ist weiterhin der Aufbau eines mit Juristen besetzten Ethik-Ausschusses. Er soll verbindliche Regeln aufstellen und Orientierung im Berufsalltag geben: „Wenn ein Beamter an einer Bar vorbeikommt und auf eine Cola eingeladen wird, darf er das annehmen?" Auch solche scheinbar nebensächlichen Handlungen seien mitentscheidend für das Image, so Pastor.

Um die Motivation der Truppe wieder zu heben, werden die neuen Verantwortlichen nicht müde zu betonen, dass die Korruptionsfälle nicht verallgemeinert werden dürften. „Wir sprechen hier von einer Minderheit, die restlos identifiziert ist und schon lange keinen Dienst mehr tut", so Polizeichef Palouzié. Auch wenn immer neue Details bekannt würden, kreisten die Vorwürfe doch immer um dieselben Personen, „es tauchen keine neuen Namen mehr auf". Pastor betont zudem, dass es Beamte der Ortspolizei waren, die zuerst die Missstände zur Sprache brachten - das werde häufig vergessen. „Sie mussten sich damals Verräter schimpfen lassen, dabei sind sie das wahre Beispiel für die Ortspolizei."

Nicht unwichtig für die Moral dürfte zudem sein, dass derzeit auch in die zum Teil arg veraltete Ausstattung der Ortspolizei investiert wird. Nach 31 neuen Polizei­wagen im vergangenen Jahr wurden jetzt 30 Motorräder angeschafft. In Kürze treffen zwei Kleintransporter ein, die auch als mobile Dienststellen fungieren sollen, sowie ein System zur GPS-Ortung der Patrouillen. Außerdem gibt es neue schusssichere Westen, neue Uniformen sowie neue Dienstwaffen für alle.

Um die persönlichen Probleme zu verarbeiten, wurde für die verunsicherten Beamten eine Psychologin eingestellt - der Korruptionsskandal soll nicht nur juristisch und administrativ, sondern auch mental überwunden werden. Die Pläne sehen auch Gruppentherapien für die Einheiten vor. Wenn die Beamten mit sich selbst im Reinen seien, könnten sie wieder Berufsstolz entwickeln und dies dann auch wieder bei der Patrouille ausstrahlen.