Langweilig wird es Pepe Salvà eigentlich nie. Morgens holt er seine 500 Schafe von den verschiedenen Weideplätzen in den Unterschlupf, je nach Jahreszeit bestellt er danach seine Felder, erntet oder mahlt aus dem Getreide in seiner kleinen Holzmühle Mehl. Seit 40 Jahren hat er die rund 300 Hektar der Finca „Rafal Ganàs" bei Ses Salines gepachtet. Sie dienen als Weideland für die Tiere und als Nährboden für Weizen, Gerste und Hafer. Viel Arbeit für ein geringes Einkommen: Salvà verdient in etwa so viel wie ein durchschnittlicher Fabrik­arbeiter, sagt er. Nachwuchs zu finden, sei unter diesen Umständen nicht einfach.

„Aber ehrlich gesagt geht es mir heute besser als früher. Deutlich besser", sagt Salvà. Der 61-Jährige erinnert sich noch daran, wie er seinen Eltern und Großeltern dabei zusah, wie sie die Felder mithilfe von Pferden bestellten. „Die

Technik heutzutage erleichtert

einiges", sagt er.

Vor einem halben Jahrhundert war die Landwirtschaft noch der wichtigste Wirtschaftszweig der Insel; heute verzeichnet die Sozialversicherung nur noch etwa 4.000 Menschen als im Primär-Sektor tätig. Inbegriffen sind auch Angestellte und die Betreiber kleiner Höfe. Auch die Forstwirte zählen dazu. Angesichts solcher Zahlen könnte man meinen, die agricultores spielten auf der Ferieninsel nur noch eine marginale Rolle.

„Aber so ist es absolut nicht", sagt Nuria Felip, Sprecherin des balearischen Landwirtschaftsministeriums. Sie verweist nicht nur auf die Lebensmittelproduktion, sondern vor allem auf den Landschaftsschutz. „Die Bewirtung der Felder, Wiesen und Wälder verhindert, dass sich die Vegetation ungehindert ausbreitet." Das sei unter Umweltgesichtspunkten wichtig, habe aber auch ganz praktische Auswirkungen. „Die Waldbrandgefahr sinkt." Tatsächlich ist der Anteil bewirtschafteter Flächen auf Mallorca alles andere als ­marginal: Obwohl zugebaute Küstenabschnitte einen anderen Eindruck erwecken, werden noch heute 89 Prozent der Gesamtfläche Mallorcas in irgendeiner Weise land- oder forstwirtschaftlich genutzt. Regionale Gesetze stärken den Stand der Bauern seit 2014. „Wir dürfen die Bauern nicht nur als Unternehmer sehen, sondern als wichtige Hüter unserer Landschaft", so Felip.

Für Pepe Salvà kam ohnehin nie ein anderer Beruf infrage. „Ich bin dafür geboren." Von Computern und „diesem Internet" verstehe er nichts, gibt er offen zu. Alles hinzuschmeißen und wie geschätzt 80 Prozent der Mallorquiner direkt oder indirekt vom Tourismus zu leben, sei ihm nie in den Kopf gekommen. „Na ja, zumindest nicht im ­klassischen Sinne." Seit 21 Jahren führt seine Frau das Agroturismo-Hotel „Perola" nahe Llucmajor, wo die Besucher die eigenen Erzeugnisse aufgetischt bekommen. „Wir würden auch ohne das ,Perola' über die Runden kommen", so der Landwirt. „Aber mit geht es besser."

Dass Salvà mit der Zeit geht, beweist auch seine Entscheidung, vor zwölf Jahren komplett auf ökologische Landwirtschaft umzustellen. Seitdem darf er sein Getreide nicht mehr chemisch behandeln und den Schafen kein Mastfutter zu fressen geben. „Das erste Jahr war fatal, eine Plage griff die Pflanzen an." Doch mit der Zeit lernte er, damit umzugehen. „Ich bereue es nicht. Ich stehe dahinter."

„Nur dann rentiert es sich, man muss idealistisch sein", bewertet auch ein Sprecher des balearischen Rats für ökologische Landwirtschaft (CBPAE). Insgesamt 417 Einrichtungen auf Mallorca sind derzeit als offiziell ökologische Anbauer beim CBPAE regis­triert. Sie müssen sich regelmäßigen Kontrollen unterziehen. Im Gegenzug werden sie von speziellen europäischen Fonds zusätzlich subventioniert. „Viele, die sich registrieren, geben schnell wieder auf oder verlieren die Lizenz und müssen Bußgelder bezahlen. Da trennt sich die Spreu vom Weizen." Unterm Strich steige die Zahl derer, die auf ökologischen Anbau setzen, aber kontinuierlich Jahr für Jahr an. Ein Zukunftsmodell?

Georg Bräutigam zuckt mit den Schultern. „Ich denke schon, dass ökologisch langfristig rentabler ist. Man kann die Natur nicht austricksen." Bereits seit 16 Jahren behauptet sich der Deutsche auf der 16 Hektar großen Öko-Finca Binifela in der Nähe von Capdepera. Und das, obwohl er nicht einmal aus einer Bauernfamilie stammt und zunächst als Banker arbeitete. Im Jahr 2001 brach er aus seinem alten Leben aus, pachtete das Grundstück im Inselnordosten, das zuvor jahrelang brachgelegen hatte, und lernte durch Bücher, Ausprobieren und anfängliche Fehler, die Pflanzen zum Sprießen zu bringen. Mittlerweile wachsen Tomaten, ­Auberginen, Paprika, Rote Bete, Grünkohl, Kürbisse und andere Gemüsesorten auf seinen Äckern. Auch Küchenkräuter wie Basilikum und Minze gedeihen hier. „Die Nachfrage nach Minze ist riesig. Die Bars in Cala Ratjada verwenden sie für ihre Cocktails." Zudem hält Bräutigam elf Mutterkühe, die durchschnittlich ein Kalb pro Jahr gebären, dessen Fleisch ebenfalls in den Verkauf geht. Bräutigam beliefert Restaurants und verkauft dienstag- und freitagvormittags auf seinem Hof an Privatleute.

Illusionen macht sich der 53-Jährige nicht. „Als Banker habe ich mehr verdient. Aber jetzt stehe ich hinter dem, was ich tue, und es macht mir Spaß." Immer wieder kommen Reisende aus der ganzen Welt auf seinen Hof, die ein paar Wochen oder Monate mit anpacken und dafür umsonst auf dem Hof schlafen und essen dürfen. Jemanden für eine Festanstellung zu finden, sei hingegen schwer. „Ich suche schon seit Längerem, aber werde nicht fündig. Viele entscheiden sich dann eben doch fürs Geld und gehen ins Gastro- oder Tourismusgewerbe."

María Gaya (69) und ihr Mann Guillem Morla (70) haben Glück: Alle ihre drei Kinder haben sich dafür entschieden, wie sie von der Landwirtschaft zu leben - wenn auch nur indirekt. Vor 48 Jahren eröffnete María Gaya den legendären Obst- und Gemüseladen „Alls i Melons", den jeder kennt, der schon einmal über die Hauptstraße von Vilafranca gefahren ist. Die farbenfrohe Ware sticht Passanten geradezu ins Auge. Jetzt hilft die vitale Geschäftsgründerin nur noch im Hintergrund mit, fädelt im Hinterzimmer neben dem Hühnerhof mallorquinische Tomaten an dekorative Bastfäden. Doch ihre Kinder folgen der Tradition. Von Anfang an verkaufte Gaya nur lokale Ernteprodukte: Tomaten, Knoblauch und Melonen kommen ausschließlich von Bauern aus dem Ort und teilweise aus dem eigenen Gemüsegarten. Andere Früchte und Gemüse­sorten kaufen die Inhaber nur in kleineren Mengen zu. „Aber auch die stammen alle von Mallorca." Manches komme aus ökologischem Anbau, manches auch nicht. „Wichtig ist, dass es von hier ist." Zwar kommen nicht mehr so viele Kunden wie vor zehn Jahren, als die Palma-Manacor-Straße durch Vilafranca führte, doch das Konzept geht auf - bis heute. „Deshalb wollen unsere Kinder ja auch hier weitermachen. Weil der Laden läuft." Nuria Felip vom Landwirtschaftsministerium stimmt zu. „Jeder sollte vermehrt lokale Produkte kaufen." Das helfe, Nachwuchs zu motivieren - und letztlich der ganzen Insel.