Wow", klingt es aus mehreren Mündern zugleich. Eine Gruppe von Quadfahrern hat am Aussichtspunkt „Mirador Parque Natural de Levante" haltgemacht. Rund 25 Menschen steigen ab, bestaunen die Aussicht. In sanften Hügeln erstreckt sich die Berglandschaft von Artà vor ihnen: Gestein, Gras und ein paar Büsche zieren die Kuppen, kein Gebäude weit und breit. In der Ferne erstrahlt das Mittelmeer. Der

perfekte Schnappschuss.

Artàs Küstengebiet ist derzeit in vieler Munde - und das nicht nur bei den Quadfahrern, die sicherlich noch vielen ihrer Freunde davon vorschwärmen werden. Auch im Rathaus von Artà steht das Thema immer wieder auf der Tagesordnung. Aina Comas jedenfalls macht den ganzen Arbeitstag lang nichts anderes, als über die Zukunft des idyllischen Gebiets nachzudenken - oder darüber zu diskutieren. „Oh ja, wir kämpfen, und wie wir kämpfen! Ich glaube, manchmal sind die bei der Landesregierung schon genervt von mir", sagt die Umweltdezernentin in Artàs Rathaus. Wenn sie hört, dass einige sie als radikal bezeichnen, winkt sie ab. „Ich kämpfe doch nur dafür, dass geltendes Recht eingehalten wird", sagt sie. „Na ja, und natürlich für mehr Schutz."

In Artà ist man stolz darauf, zu den Gemeinden mit den längsten naturbelassenen Küsten der Insel zu gehören. „Am Flughafen in Palma hängen Werbebilder für die Schönheit der Insel. Viele davon wurden hier aufgenommen", so Comas und lacht bitter auf. Denn auch wenn sich die Insel mit unberührten Landschaften schmückt - an Unterstützung durch höhere Institutionen fehlt es ihrer Meinung nach. Artàs Umweltpolitik ist das Paradebeispiel für Nachhaltigkeit. Doch die bewusste Entscheidung, nicht alles zu erschließen, hat ihren Preis: Die Kosten der Reinigung und Instandhaltung sind hoch, Einnahmen generiert die Gemeinde durch Strandtouristen aber nicht. „Sie kommen aus anderen Gemeinden angereist, um sich einen schönen Tag an der Cala Torta zu machen - und als Dank lassen sie oft nur Müll da", so Comas. In den vergangenen zwei, drei Jahren sei es immer schlimmer geworden. „Alleine schaffen wir es einfach nicht, dem Herr zu werden."

Immer wieder senden die Ratsleute Hilfegesuche an die anderen Institutionen, die in dem naturbelassenen Gebiet Mitspracherecht haben: die Landesregierung, den Inselrat und die Küstenbehörde. Die Resonanz fällt unterschiedlich aus. Während unter dem konservativen Umweltminister Jaume Matas zwischen 2001 und 2003 das Naturschutzgebiet im Parc de Llevant auf einen Bruchteil reduziert wurde, konnte Artà nun erstmals aufatmen: Die aktuelle, linke Landesregierung hat sich den vom Rathaus entworfenen Verwaltungsplan zu eigen gemacht, der konkrete Schutzmaßnahmen für das Küstengebiet aufzeigt. Pferden soll der Zutritt zum beliebten Küstenpfad in Sa Canova verwehrt werden, die geplante Wanderroute GR222, die bis zum Kloster Lluc führen wird, soll an einigen Stellen umgeleitet werden und Mountainbiker oder Quadfahrer daran gehindert werden, die vorgegebenen Wege zu verlassen. Auch den Tourismus rund um die beliebte Cala Torta könnten die strengen Regelungen deutlich verändern.

Um zu dem Naturstrand zu gelangen, sind es vom Aussichtspunkt aus mit dem Auto rund zehn Minuten. Zunächst geht es weiter über die asphaltierte Landstraße, die sich durch die zarte Gebirgskette schlängelt, die letzten Kilo­meter bis zur Küste ist dann nur noch ein Schotterweg vorhanden. Wer gute Stoßdämpfer hat, ist bei all den Schlaglöchern klar im Vorteil. Oder wer mit dem Quad darüber­brettert. Der Parkplatz ist eigentlich nur als solcher zu erkennen, weil dort bereits zahlreiche Fahrzeuge unter Mittelmeerkiefern im Halbschatten stehen.

„Es ist schon eine Schande, ihn überhaupt als Parkplatz zu bezeichnen. Dort befindet sich das Flussbett des Wildbachs, der nur im Winter Wasser führt. Theoretisch könnten wir schon jetzt nach geltendem Recht alle Fahrzeuge dort abschleppen lassen, wenn wir genügend Personal dafür hätten", so Comas. Denn die Cala Torta liegt zwar nicht im Naturschutzgebiet, wohl aber in einer speziell geschützten Zone. Doch wo kein Kläger, da kein Richter. Die Ortspolizei hat keine Kapazität, alles zu überwachen. Und die Aufseher des balearischen Umweltministeriums sind rar. Auch deshalb ist eines der langfristigen Ziele im Rathaus, die gesamte Zone als Naturschutzgebiet auszuweisen. Denn das würde automatisch mehr Personal bedeuten, das nach dem Rechten sieht. Noch liegt dieses Ziel aber in weiter Ferne. Erst einmal ist man im Rathaus froh, dass der Verwaltungsplan von der Balearen-Regierung aufgenommen wurde. Das Reitverbot in Sa Canova hat die Landesregierung sogar bereits umgesetzt, alles andere soll nun Schritt für Schritt erfolgen, heißt es.

Bis sich wirklich etwas tut, handelt man im Rathaus in Artà pragmatisch: In den vergangenen Monaten ließ man im gesamten Küstengebiet Hinweistafeln aufstellen, befestigte Kordeln an Holzpflöcken oder spannte Eisenketten über kleine Wege, um Fahrzeugen den Zugang zu versperren. „Aber wenn alle einfach drum herumfahren, was sollen wir dann machen", so Comas. Vor allem im Fall Cala Torta ist das Rathaus noch unentschlossen. Entweder soll der Schotterweg komplett für Fahrzeuge gesperrt und Parkmöglichkeiten am Rand der Landstraße geschaffen werden, oder es soll ein Ort als Parkplatz ausgewiesen werden, der weiter landeinwärts und somit nicht direkt im empfindlichen Dünensystem liegt. Das würde für Strandbesucher einen längeren Fußmarsch bedeuten. „Aber wenn man zu einem Naturstrand will, dann sollte man den ja wohl in Kauf nehmen", so Comas.

Derzeit ist der Fußmarsch überschaubar. Ein kleiner Wanderweg schlängelt sich vom „Parkplatz" wenige Hundert Meter weiter bis zum Strand. Auch dort haben Fahrer bereits zahlreiche Pkw abgestellt. „Im Juli und August ist es besonders voll", sagt Alexandra Vargas. Die junge Frau sitzt oben auf ihrem Hochstuhl und überwacht das Treiben an der Cala Torta, für die MZ kommt sie kurz herunter. Von Juli bis September ist Vargas gemeinsam mit einem Kollegen an der Cala Torta als Rettungsschwimmerin stationiert. Zusammen mit den Kollegen an den Stränden von Colònia de Sant Pere und Sa Canova kostet sie die Gemeinde rund 50.000 Euro im Jahr. Die socorrista hat alles im Blick, was an der naturbelassenen Bucht vor sich geht. Jetzt, am Vormittag, ist der Strand noch nicht gänzlich überlaufen, doch im Minutentakt stoßen neue Badegäste dazu. „Es kommen jedes Jahr mehr Menschen und es wird immer schwieriger mit ihnen", so Vargas. „Man würde meinen, dass Leute, die einen so weiten Anfahrtsweg auf sich nehmen, um an einen Naturstrand zu kommen, ein gewisses Umweltbewusstsein mit bringen", sagt sie und schüttelt entschieden den Kopf. „So ist es aber leider nicht. Viele verhalten sich absolut verantwortungslos." Die Dünen verwandelten sich regelmäßig in öffentliche Toiletten und Müllhalden, am Strand blieben Getränkedosen und Zigarettenstummel zurück.

Auf den ersten Blick ist von Müllbergen nichts zu sehen. „Aber schau mal die Wespen dort. Die werden nur angelockt, weil hier überall Müll im Sand vergraben liegt", so Vargas. Öffentliche Mülleimer gibt es an der Cala Torta keine, weil kein Personal da ist um sie zu leeren. Nur an der Strandbar, die sich an der Grenze zu den Dünen erstreckt, haben die Betreiber ­Plastiktonnen aufgestellt. Und genau dieser Strandkiosk soll - so will es das Rathaus - aus Umweltschutzgründen weichen. „Das Küstenschutzgesetz besagt, dass er im Winter abbaubar sein muss, aber das ist nicht der Fall. Genau wie in Es Trenc", so Umwelträtin Aina Comas, wo die Kioske kürzlich abgerissen wurden.

Energisch wischt eine Frau in rotem T-Shirt über die Tische im Sand, die durch ein Segeltuch vor der prallen Sonne geschützt werden. „Was soll ich schon davon halten, dass sie das hier dichtmachen wollen", sagt die Frau. „Wir betreiben den chiringuito hier seit 36 Jahren, es ist ein Familienbetrieb. Wenn sie den schließen, dann ...", hilflos hebt sie die Schultern. „Es wäre einfach nur traurig."

Aina Comas hat kein Mitleid. „Nächstes Jahr im Juli läuft der Konzessionsvertrag aus. Hoffentlich schaffen wir es dann endlich, den Kiosk zu schließen. Möglich wäre eine kleinere Strandbar etwas weiter links." Zunächst aber müssen auch der Inselrat und die Küstenbehörde den Plänen des Rathauses zustimmen - gegen Proteste, die schon jetzt seitens verschiedener Verbände aufkommen. Comas lässt das kalt. „Wir wollen Besucher nicht komplett von hier fernhalten. Aber sie müssen sich benehmen. Und dafür werden wir weiter kämpfen."