Die Aufregung ist für Außenstehende nicht so einfach nachzuvollziehen, für Palmas Traditionalisten allerdings scheint in diesem Jahr bei der festa del estendard ein Sakrileg verletzt zu werden. Das sogenannte Standartenfest am 31. Dezember würdigt den Einmarsch der Truppen von König Jaume I. im Jahre 1229, womit der Herrscher aus Aragón die Mauren vertrieben hatte, und gehört zu den ältesten Volksfesten in Europa. Außerdem wurde es 2007 zu einem Bien de Interés Cultural, also einem schützenswerten Kulturgut erklärt. Das lässt zumindest auf den ersten Blick die Empörung, die in diesem Jahr der Stadtverwaltung von Palma de Mallorca rund um die Veranstaltung der „Festa del Estendard" entgegenschlägt, zum Teil nachvollziehen.

Im Kern geht es um Folgendes: Der Inselrat hatte im Herbst vergangenen Jahres beschlossen, dass der Inselfeiertag, die sogenannte Diada de Mallorca, die bisher am 12. September gefeiert wurde, gemeinsam mit dem Standartenfest begangen werden soll. Das würde eine Änderung des Protokolls bedeuten, nach dem die Politiker des Inselrats, darunter Präsident Miquel Ensenyat, sowie die Bürgermeister der Inselgemeinden an der kurzen Prozession vom Parlament zur Kathedrale und von dort zum Rathaus mit dabei sein würden.

Im Grunde ist das eine unbedeutende Modifizierung der bisherigen Formalien, aber wenn man die konservative Volkspartei PP und die liberale Formation Ciudadanos so hört, dann scheint es sich um eine kleine Revolution zu handeln. Der Status als Kulturgut sei „in umfangreichem Rahmen betroffen", ebenso wie der „gesamte Sinn der Feierlichkeiten", polterte der Sprecher der Ciudadanos im Stadtrat von Palma, Josep Lluís Bauzá , vor wenigen Tagen.

Was aber wohl eigentlich hinter dem Aufschrei der konservativen Parteien steckt, dürfte eher die Angst sein, dass die links­nationalistischen Würdenträger aus Stadt und Inselrat den Tag für ihre Propagandazwecke nutzen könnten. Vor allem, dass am Vorabend des Standartenfestes regelmäßig Hunderte von Regionalisten durch die Innenstadt ziehen und Sprechchöre für die Unabhängigkeit von Spanien anstimmen werden, dürfte die Erregung der bürgerlichen Parteien erklären. Die Zusammenlegung der traditionellen Feiertage, so die Befürchtung, könnte die antispanische Stimmung noch weiter anheizen.

Treffpunkt in diesem Jahr ist ab 18 Uhr auf dem Paseo del Borne. Die Radikalsten - die maulets genannten jungen Wilden sowie Mitglieder der Studentenbewegung SPC - stürmen bei der Kundgebung meist voran und verbrennen auch gern mal eine spanische Flagge. Vergangenes Jahr hatten Aktivisten der Jugendgruppe Arran ein Foto von König Felipe VI. auf der Bühne in Flammen aufgehen lassen. Am Ende wird ein Manifest verlesen. Neben den mitunter leicht erregbaren Jugendlichen marschieren üblicherweise auch Vertreter der linken Regionalisten mit. So könnte diesmal auch Bürgermeister Antoni Noguera dabei sein. Er gehört schließlich der Partei Més per Mallorca an, der einzigen Gruppierung im Stadtrat, die eine Abspaltung der Balearen von Spanien befürwortet.

Der Streit um das Standartenfest wird indessen bereits seit Wochen mit harten Bandagen ausgetragen und auch vor Gericht verhandelt. Die Ciudadanos haben zwei Tage vor Heiligabend Einspruch beim Verwaltungsgericht gegen die Änderungen bei der „Festa del Estendard" eingelegt. Am Freitag (29.12.) hat das Verwaltungsgericht erklärt, dass der Einspruch der Ciudadanos zwar rechtens sei und geprüft werde, dass aber aufgrund von Zeitmangel vor dem Standartenfest keine Entscheidung mehr über die Änderungen des Protokolls getroffen werden kann. Das Gericht werde sich, so wird seelenruhig verkündet, im neuen Jahr äußern. Schneller war die Denkmalschutzbehörde des Inselrats. Sie hat befunden, dass die Änderungen des Protokolls zulässig sind und nicht das immaterielle Kulturgut gefährden.

Ciudadanos-Stadtrat Pedro Ribas brachte die gesammelte konservative Empörung auf den Punkt: „Angesichts der autoritären und einseitigen Politik des Bürgermeisters, die zu einer Veränderung eines geschützten Ereignisses führen könnte, fühlen wir uns verpflichtet, die Gerichte anzurufen, damit diese es sind, die ihn dazu verpflichten, das bestehende Recht einzuhalten", ließ er nicht ohne Pathos wissen. Man könne nicht einfach eine geschützte Feierlichkeit in einem Gespräch zwischen Bürgermeister und Inselratspräsident beim Feierabendbier in einer Bar ändern, sagte Ribas.

Was die Stadthistoriker zu den Änderungen des Protokolls sagen und ob das immaterielle Kulturgut gefährdet ist sowie eine kurze Historie des Festes lesen Sie im E-Paper der Mallorca Zeitung.