Die einen hatten irgendwann zuviel Zeit und fingen an, Früchte einzukochen oder Kuscheltiere zu basteln. Die anderen verdienen sich seit Jahren mit Hausschuhen aus Wolle oder Schmuck ihren Lebensunterhalt. Die Händler, die Woche für Woche ihre Stände auf den Märkten der Insel und jetzt im Herbst auf den zahlreichen fires aufbauen, haben alle ihre eigene Geschichte. Nicht wenige von ihnen sind aus Südamerika, vor allem Argentinien, auf die Insel gekommen.

So erfüllend es für viele auch ist, ihre selbst hergestellten Produkte zu verkaufen, so zahlreich sind ihre Nöte. Da ist zum einen auf vielen Märkten die Billig-Konkurrenz, die den echten Kunsthandwerkern mit Ramsch die Kunden abwirbt. Da sind die hohen Kosten für Krankenkasse und Versicherung, die die in Spanien als autónomos gelisteten Händler abdrücken müssen. Und da sind nicht zuletzt viele Stunden Arbeit unter der Woche, um genügend Ware herzustellen und die Sorgen darum, ob sie am Wochenende genügend verkaufen. Die meisten haben kaum einen freien Tag und stehen bei Wind und Wetter zehn, elf oder zwölf Stunden an ihren Ständen.

Die MZ hat im Vorfeld der Herbstmessen und -märkte auf der Insel eine Reihe von Händlern besucht. Lassen wir sie erzählen.

Flavia Flores

Dass das Verkaufen ein hartes Brot sein kann, berichtet Flavia Flores, die aus den argentinischen Anden nach Mallorca kam und aus Wolle von mallorquinischen Schafen Decken, Kissen oder Schuhe webt. „Vor allem, wo ich nicht gerade die geborene Verkäuferin bin." Wie oft müsse sie sich für den Preis der Waren rechtfertigen, wie oft bekomme sie zu hören, dass das Produkt das, was sie dafür verlange, nicht wert sei. „Es ist schon frustrierend, aber ich versuche inzwischen, zu Märkten zu gehen, bei denen die Klientel Kunsthandwerk wirklich schätzt." Das sei auf Mallorca und generell in Spanien nicht so leicht, sagt sie. „Hier wäre es viel einfacher, große Mengen billige Halsketten in Indien für fünf Cent das Stück zu kaufen, Mallorca draufzuschreiben und dann für ein mehrere Euro weiterzuverkaufen." Klar seien ihre Produkte nicht billig, ein paar Wollhausschuhe etwa kosten 45 Euro, eine Art Teppich aus dutzenden kleinen Wollkugeln 120 Euro. „Aber die Arbeit, die dahintersteckt, sieht niemand", schimpft sie. Arbeit, die sich durchaus auf zwei ganze Tage für eine Wolldecke erstrecken kann. Und wenn Flavia Flores, dann wie beim Besuch der Mallorca Zeitung auf dem Mercat Social in Palma kurzfristig ihren Standplatz ändern muss, kommt schnell mal schlechte Laune auf. Ein schlechterer Platz sei meist gleichbedeutend mit weniger Umsatz. Trotzdem: Sie könne nie jahrelang acht Stunden im Büro sitzen. „Das schaffe ich nicht einmal einen Tag." Da nimmt sie auch in Kauf, dass der Körper inzwischen vom Wollewaschen und Formen an vielen Stellen schmerzt.

Angelina Gacias und Paco Moyà

Dieses Problem haben Angelina Gacias und Paco Moyà nicht. Das mallorquinische Ehepaar gehört zu denjenigen, die ihren Stand „Verdureta dolça" aus reinem Spaß an der Freude aufbauen. „Mein Mann hat sich vor sechs Jahren einen Garten in der Nähe von Santa Maria gekauft. So kam es, dass wir jede Menge Obst und Gemüse ernten, aber nicht selbst essen konnten", erzählt Angelina Gacias. Die Verwaltungsbeamtin begann, in ihrer Freizeit Marmeladen, Kompotte und Chutneys einzukochen. Das kam gut an, zunächst bei Verwandten und Freunden, dann irgendwann auch auf Märkten. Jedes Jahr besucht das Ehepaar ausgewählte mercats und Messen, um immer neue Kreationen vorzustellen. Da gibt es dann schon mal Apfel-Zwiebel-Konfitüre. Nur von einer Messe lassen die beiden die Finger: „Die Fira dolça in Esporles werden wir nicht mehr besuchen", sagt Gacias. Die Süßwaren-Messe an diesem Sonntag sei schlecht organisiert, und es gebe dort zu viel Konkurrenz.

Maria Amengual Capó

Große Konkurrenz hat Maria Amengual Capó von der Töpferei Can Bernadí Nou in Sa Cabaneta nicht zu befürchten, wenn sie regelmäßig ihren Stand dekoriert, an dem sie die für die Insel typischen Tonfiguren, die siurells, und andere Keramikwaren anpreist. Obwohl es wenige Produkte gibt, die so sehr für Mallorca stehen wie die siurells, werden sie laut Amengual nur noch von einem halben Dutzend Töpfereien hergestellt. „Viel mehr Nachfrage gibt es gar nicht." Kunden seien vor allem Urlauber oder ausländische Residenten. Unter der Woche brennt Maria Amengual den Ton, formt und bemalt die Figuren, an den Wochenenden steht sie auf den Märkten. Knapp 50 Tage am Stück wird sie auf dem Weihnachtsmarkt in Palma zu finden sein. Bis zu zwölf Stunden täglich, bei Wind und Wetter. „Und an manchen Tagen werde ich nichts verkaufen." Etwas anderes könne sie sich trotzdem nicht vorstellen. „Töpfern ist meine Erfüllung", sagt sie.

Onofre Martorell

In seinem kleinen Ladengeschäft im Nordosten von Palma treffen wir Onofre Martorell. Der 54-Jährige beschloss vor 19 Jahren, seine Stelle als Buchhalter aufzugeben - „das machte keinen Spaß mehr" - und stattdessen gemeinsam mit seiner nicht berufstätigen Frau eine alte Familientradition wiederzubeleben. Ein Bruder seines Großvaters hatte die sogenannten neules hergestellt - zu einer Art Zigarre zusammengerollte knusprige Waffeln. Jetzt im Herbst steht für Martorell die entscheidende Zeit an, die über den Ertrag des Jahres entscheidet. Die neules lassen sich schließlich nicht das ganze Jahr über verkaufen. „Wir nutzen die Herbstmessen, um bekannter zu werden, da verkaufen wir nur vereinzelt", sagt er. Der Verkauf findet dann auf den Wochenmärkten, in seinem Laden oder in anderen Geschäften auf der Insel statt, die seine Produkte anbieten. Auch Onofre Martorell würde trotz der größeren finanziellen Unsicherheit um keinen Preis wieder zurück zu seinem Bürojob wechseln.

Petra Sovova

Von ihrem festen Job hat sich auch die Tschechin Petra Sovova vorerst verabschiedet. Die 35-Jährige ist eine Weltenbummlerin und war viel in Südamerika unterwegs, arbeitete zuletzt aber auf Mallorca für eine Immobilienfirma. Dann beantragte sie ein Sabbatjahr, um mehr Zeit für eines ihrer Hobbys zu haben: Kuscheltiere herzustellen. „Alles begann vor ein paar Jahren. Ich wollte eine Tasche aus alten Stofffetzen nähen, und es wurde ein Kauz daraus", erzählt Sovova. Seitdem hätten die Tiere sie nicht mehr losgelassen . Sie entwirft eulenartige Wesen, Lavendelbeutel in Form von Käuzen oder häkelt Muster auf alte Schuhe oder nicht mehr benutzte Hemden. Ihre Marke nennt sie „Hecho con amor" (Mit Liebe gemacht). Demnächst will sie auch online verkaufen. Ob sie eines Tages davon ihren Lebensunterhalt bestreiten wird, das kann Sovova heute noch nicht sagen.

Alejandra Epifani

Einen Schritt weiter ist Alejandra Epifani, die ursprünglich aus dem argentinischen Mendoza stammt, aber schon seit zehn Jahren auf Mallorca lebt. In Argentinien arbeitete sie als Produktdesignerin, auf Mallorca hatte sie zu Beginn einen Verkäuferjob in einem Schmuckladen. Das reichte ihr nicht, und sie begann, selbst Schmuck zu designen. Mit ihrer Marke Cartonpia ist sie ein echter Hingucker auf den Messen. Epifani stellt Schmuck aus Papier her. Davon ist allerdings nichts zu spüren, wenn man die Ohrringe oder Ketten in die Hand nimmt. Das Material, das aus Dutzenden übereinanderliegenden und gepressten Papier- oder Kartonschichten besteht und mit Acrylfarben bemalt wird, ist so hart wie Holz.

Pau Ixent Queralt und Biel Coll

Die beiden Freunde aus Alaró kauften sich vor fünf Jahren einen Bienenstock, um ihren eigenen Honig zu machen. „Auf Mallorca wird so viel angeblich mallorquinischer Honig verkauft, so viel kann hier gar nicht produziert werden", sagt Biel Coll. Sie wollten es richtig machen und gründeten die Marke „Mel vici d'Alaró". Für das kommende Jahr wollen sie ihre Zahl an Bienen verdoppeln - statt 200 dann 400 Stöcke. Dann soll die Produktion richtig durchstarten. Zurzeit übersteigt die Nachfrage das Angebot. Andere Händler würden das auch gerne von sich sagen können.