Was hat sich durch die Entscheidung vom 25.11. geändert?

Erst mal wenig. „Am Sonntag wurde die Scheidung beschlossen", sagt Rosa Canyameres. Sie ist die Leiterin des Centre Balears Europa. Die von der Balearenregierung finanzierte Institution mit Sitz in Brüssel und Palma ist eine Art Bindeglied zwischen der EU und den Balearen. „Wie die zukünftige Beziehung aussieht, wissen wir noch nicht. Das wird ab jetzt verhandelt, vorausgesetzt, das britische Parlament stimmt dem Vertrag zu", so Canyameres.

Wie geht es also weiter?

Das hängt sehr vom britischen Parlament ab. Sollte der Deal angenommen werden, müsste noch das EU-Parlament zustimmen, was als so gut wie sicher gilt. „Dann würde der Brexit am 29. März kommenden Jahres um 23 Uhr in Kraft treten", erklärt Ferran Torrellades. Er ist der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Katalonien und den Balearen. „Daraufhin würde eine Übergangsphase in Kraft treten, die bis zum 31. Dezember 2020 andauert." Diese kann bei Bedarf entweder um ein oder zwei Jahre verlängert werden. „In dieser Zeit werden dann die tatsächlichen Rahmenbedingungen für die weitere Zusammenarbeit festgelegt", sagt Torrellades. Bis Ende 2020 muss Großbritannien noch Beiträge an die EU zahlen und ist weiterhin in das Staatenbündnis integriert, hat aber kein Mitbestimmungsrecht mehr.

Würde das britische Parlament dem Vertrag endgültig nicht zustimmen, besteht die Möglichkeit, dass ein sogenannter „Hard Brexit" eintritt. Rosa Canyameres sieht einer solchen Option mit Schrecken gegenüber: „Das wäre für alle Beteiligten die schlimmste Variante. Von heute auf morgen würden alle bisherigen Verbindungen gekappt." Statt eines Deals würden die Regeln der Welthandelsorganisation eintreten. Die Rechte der Briten in Europa und der Europäer in Großbritannien müssten neu ausgehandelt werden. Und es müssten wieder strenge Grenzen eingeführt werden. „Wenn wir jetzt bei dem ausgehandelten Vertrag schon Unsicherheit verspüren, würde diese bei einem Ausstieg ohne Vertrag ins Unermessliche ansteigen", warnt die Leiterin des balearischen Europazentrums.

Welches Verhältnis Haben die Balearen und Großbritannien?

Rund 15.000 Briten leben auf den Balearen. „Viele von ihnen sind ein aktiver Teil der Gesellschaft hier", sagt Canyameres. Dazu kommen die Touristen, die im vergangenen Jahr mit 3,7 Millionen Urlaubern die zweitgrößte Urlaubergruppe nach den Deutschen waren. „Die Verbindung zwischen den Balearen und Großbritannien ist historisch gewachsen", sagt Canyameres. „Nicht nur weil Menorca rund hundert Jahre unter britischer Herrschaft stand. Viele Generationen an Menschen von den Inseln sind zum Studieren oder zum Arbeiten nach Großbritannien gegangen." Im vergangenen Jahr wurden laut der balearischen Statistikbehörde britische Waren im Wert von rund 90 Millionen Euro importiert, der Wert der Exporte von den Balearen ins Vereinigte Königreich betrug rund 44 Millionen Euro.

Was ändert sich für die Briten, die auf Mallorca leben?

„Bis zum Ende der Übergangszeit bleibt alles wie gehabt", sagt Canyameres. „Das betrifft sowohl die Gesundheitsversorgung als auch andere wichtige Bereiche wie die Renten oder die Freizügigkeit. Das Gleiche gilt für Bürger der verbleibenden 27 EU-Länder, die in Großbritannien leben." Inwieweit sich das nach dem Ende der Übergangszeit ändern wird, könne man noch nicht sagen, so Canyameres. „Aber wenn wir beispielsweise das Gesundheitssystem nehmen, so ist die Verzahnung zwischen der Seguridad Social und der NHS ziemlich groß. Die Systeme sind etabliert. Das wird sicherlich dabei helfen, dass auch in Zukunft diese enge Zusammenarbeit nicht gekappt wird." Zumindest sei es der Wunsch der Verhandlungspartner, dass diese Errungenschaften nicht zerstört werden. „Die politische Absichtserklärung, die am Sonntag zusammen mit dem Ausstiegsvertrag verabschiedet wurde, zielt auf größtmögliche Zusammenarbeit ab", sagt Canyameres.

Die EU-Kommission bemüht sich mit dem Brexit recht transparent umzugehen und hat beispielsweise auf ihrer Website ein 43-seitiges Dossier zusammengestellt, in dem der aktuelle Stand zu den Fragen nach dem Aufenthaltsrecht in Zusammenhang mit dem Brexit (auch für Nicht-EU-Bürger) zusammengestellt ist. Demnach ist, so kann man aus den zahlreichen Fallbeispielen herauslesen, geplant, dass es eine Art Bestandsschutz für jene Menschen gibt, die korrekt in einem anderen Land gemeldet sind - also auch für Briten, die auf ­Mallorca leben, würde sich erst mal nichts ändern. Anders wird es wahrscheinlich für Neuzugänger. Wie einfach es für sie wird, nach Mallorca auszuwandern, wird in der Übergangsphase verhandelt.

Wie wird sich der Brexit auf den Tourismus auswirken?

Rosa Canyameres runzelt die Stirn. „Ich kann hier nur meine persönliche Meinung wiedergeben: Ich glaube, dass der Brexit weniger Auswirkungen auf den Tourismus auf Mallorca haben wird als die Stabilisierung von anderen Urlaubsregionen im Mittelmeer wie die Türkei oder Tunesien." In der Übergangszeit sei die Reisefreiheit ohnehin gegeben. „Dann wird man sehen, wie der Brexit sich auf die Flugverbindungen auswirkt. Denn Großbritannien ist dann erstmal nicht mehr Teil des gemeinsamen europäischen Luftraumes." Der Hotelierverband FEHM ließ eine Anfrage der MZ zu dem Thema unbeantwortet. In der MZ-Schwesterzeitung sagte Luis Riu von der Hotelkette Riu, man erwarte trotz der „gewissen Unsicherheit" nicht, dass der Brexit zu „unmittelbaren Konsequenzen führt, die uns alarmieren sollten. Gabriel Escarrer von der Kette Melià sagte, man hoffe auf einen weichen Brexit. „Angesichts der neuen Entwicklungen müssen wir aber mit Bedacht handeln."

Wie kann der Brexit Mallorca ansonsten betreffen?

„ Etwas, was man hier auf den Balearen sicherlich beachten wird, ist die Einhaltung der geschützten Herkunftsbezeichnung", erklärt Ferran Torrellades. „Unter anderem beim Käse aus Mahón." Grundsätzlich sei der Verbraucherschutz ein wichtiges Thema, sagt Rosa ­Canyameres. „Diese Diskussionen kennt man ja unter anderem von TTIP, dem Freihandelsabkommen der EU mit den USA." Alle Produkte, die Großbritannien nach dem Brexit in die EU einführen wolle, müssen auch weiterhin den Standards der Union entsprechen.